Besuch in der Werkstatt Schiedeck: Wo Bücher noch Handwerk sind
Als ich vor einiger Zeit mit Wolfgang Ettlich über seinen Film über die Hohenzollernstraße berichtete, führte er mich auch zur Buchwerkstatt Schiedeck. Ich war so begeistert von der Werkstatt, den alten Maschinen und den Regalen mit Lederrollen, dass ich vor kurzem noch einmal Andrea Fellinger in der von ihrem Vater übernommenen Buchwerkstatt besuchte.

Werkstatt Schiedeck: Nicht nur Bücher-Restaurierung
Viel habe ich an diesem Vormittag gelernt. Über Lumbecken, wie die Fächerklebung genannt wird, über Fadenheftung auf einer alten Buchheftmaschine, über große mechanische Schneidemaschinen, große Schneidemesser und vieles mehr. Andrea Fellinger zeigte mir auch, wie man mit Bleisatzbuchstaben und Folie Buchrücken prägt. Aber auch Sachen, an die man nicht unbedingt denkt, werden in der kleinen Werkstatt gemacht. So restauriert sie gerade einen alten Papierkorb aus Pappe. Vielleicht kein Material für die Ewigkeit, aber vom Besitzer geliebt.

Auf einem Tisch sehe ich eine alte Familienbibel. Der lederne Buchrücken liegt, sehr beschädigt, neben dem Buch mit den ehemals goldbestrichenen Seitenkanten auf einem Papier. Dieser wird, nach der Restaurierung, wieder die Bibel schmücken. Mit einem breiten Pinsel werden die Blätter ausgekehrt. Trockenreinigung ist der Fachbegriff.

Buchbindung: Maschine ist 100 Jahre alt
Ein Stück weiter liegen Pappe und Leinen auf einem Tisch, und mit sicheren Handgriffen entstehen Bucheinbände. Zum Beschweren der Werkstücke stehen uralte Bügeleisen bereit. Natürlich gibt es auch speziell dafür hergestellte Gewichte, aber Andrea Fellinger liebt die alten Eisen und mit ihrem Gewicht und dem Griff eignen sie sich optimal für diese Arbeit. An einer über hundert Jahre alten Maschine aus Leipzig bindet sie für einen Kunden Comics aus der ehemaligen DDR.

Zwanzig Tagebücher eines Kunden trocknen und lüften gerade im Hof hinter der Werkstatt nach einem Wasserschaden bei dem Kunden. Erst danach kann sie mit der Restaurierung beginnen. Von ihrem Vater, der die Firma 1959 von seinem Chef übernahm, damals in einem Hinterhof in der Türkenstraße ansässig, erlernte Andrea Fellinger ihr Handwerk und übernahm dann 1998 als Meisterin den Betrieb von ihrem Vater.

Bestimmt nichts für den Massenmarkt, wobei Auflagen bis Hundert Stück auch kein Problem sind. Aber wer gute Handarbeiten schätzt, vielleicht ein liebgewonnenes altes Buch zu neuem Leben erwecken möchte, oder einfach besondere Schätze mit einer schönen Bindung versehen lassen will, ist hier genau richtig. Stellen Sie sich vor, wie schön ein Buchrücken mit Ihrem Namen geprägt in einem Bücherregal wirkt.
Im September feiert die Firma ihr 60-jähriges Bestehen. Dazu wird es einen Tag der offenen Tür geben. Eine gute Gelegenheit, sich all das einmal anzuschauen.

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