Anwohnerstreit um Lastwagen: Es dieselt am Großmarkt

Brummis mit Kühllast sollten eigentlich Steckdosen nutzen, damit sie den Motor bei Wartezeiten abstellen. Das funktioniert nicht.
Irene Kleber |
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Hier brummt's und stinkt's zum Teil rund um die Uhr: Lastwagen, die auf die Abfertigung an der Großmarkthalle warten, parken oft die ganze Nacht mit laufendem Motor auf dem Lkw-Parkplatz unterm Heizkraftwerk Süd, weil sie ihre Ladung kühlen müssen.
Hier brummt's und stinkt's zum Teil rund um die Uhr: Lastwagen, die auf die Abfertigung an der Großmarkthalle warten, parken oft die ganze Nacht mit laufendem Motor auf dem Lkw-Parkplatz unterm Heizkraftwerk Süd, weil sie ihre Ladung kühlen müssen. © ÖDP

Sendling - Drüben am Mittleren Ring soll bald Schluss sein mit Dieselgestank und ätzendem Stickstoffdioxid. Ab 1. Februar dürfen dort Dieselautos mit der Abgasnorm Euro 4 (und schlechter) nicht mehr fahren. Ein paar Hundert Meter Luftlinie entfernt dagegen, auf dem großen Lkw-Parkplatz der Sendlinger Großmarkthalle: dicke Dieselluft fast rund um die Uhr. Die ÖDP im Stadtrat ist aufgebracht.

Denn auf dem Parkplatz lassen Dutzende Lastwagen, die mit Lebensmittellieferungen ankommen, teils auch die ganze Nacht ihre Dieselaggregate laufen, um Milch, Fleisch, Gemüse und anderes zu kühlen, bis ausgeladen werden kann. Permanent Dieselgestank also für die Anwohner drumherum, plus Dauerbrummen.

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Neun Energieladesäulen auf dem Lkw-Parkplatz 

Dabei müsste das nicht so sein. Seit Anfang 2019 schon hätten Stromanschlüsse draußen vor den Hallen ermöglichen sollen, dass Brummifahrer den Motor ausschalten und die Kühlung bis zur Abfertigung an den Strom hängen können. Im September 2020 forschte die Rathaus-ÖDP nach und stellte fest: Von zwölf versprochenen Anschlüssen waren nur sechs überhaupt verbaut – und nur zwei einsatzfähig.

Letzten Herbst schließlich hat das zuständige Kommunalreferat endlich neun Energieladesäulen mit je zwei Ladeplätzen auf dem Lkw-Parkplatz nahe des Heizkraftwerk Süd installiert. 18 Stromsteckdosen insgesamt.

Seit letztem Herbst stehen neun solcher Energieladesäulen mit je zwei Lade-Steckdosen auf dem Lkw-Parkplatz. Hier sollen Brummifahrer Strom zapfen, um während des Wartens ohne Diesel ihre Ladungen zu kühlen. Genutzt werden sie offenbar nicht.
Seit letztem Herbst stehen neun solcher Energieladesäulen mit je zwei Lade-Steckdosen auf dem Lkw-Parkplatz. Hier sollen Brummifahrer Strom zapfen, um während des Wartens ohne Diesel ihre Ladungen zu kühlen. Genutzt werden sie offenbar nicht. © privat

"Während der Testphase ist der Strom kostenfrei", erklärte Kommunalreferentin Kristina Frank, die auch Werkleiterin der Markthallen München ist – und pries die "simple Handhabung": "Anstecken, Code eingeben und die Kühlung läuft ohne Aggregat weiter." Das spare Diesel und reduziere Lärm und Abgase in der Umgebung.

Gut gemeint, geklappt hat es aber noch immer nicht, so beobachten es jedenfalls die geplagten Anwohner. "In den Nächten sind von den neu installierten 18 Stromanschlüssen genau Null in Benutzung", klagt der Ingenieur Thomas Bierwirth (54), der Luftlinie 100 Meter von der Anlieferungshalle 23 entfernt in einem Altbau mit 15 Parteien wohnt. Er habe das nun über Monate nachts beobachtet.

Anwohner Thomas Bierwirth, er wohnt nur 100 Meter von der Abfertigungshalle 23 entfernt.
Anwohner Thomas Bierwirth, er wohnt nur 100 Meter von der Abfertigungshalle 23 entfernt. © Bernd Wackerbauer

Vibrierende Fensterscheiben durch LKW-Gebrumm

"Die neuen Ladesäulen wurden offensichtlich nicht beworben", moniert ÖDP-Stadtrat Tobias Ruff. Es gebe keine erkennbaren Hinweisschilder für die Lkw-Fahrer. Und für die fünfpoligen Drehstromsteckdosen am Parkplatz gebe es vor Ort keine Adapter, die nötig wären, damit etwa ausländische Lkw mit vierpoligen Steckern dort Strom laden können.

Obendrein: Bis zu 20 Lkw parken nachts nicht auf dem vorgesehenen Parkplatz, um auf die Abfertigung zu warten. "In Wirklichkeit", sagt Anwohner Bierwirth zur AZ, "fahren sie direkt zu den Hallen 23 oder 10 und stehen dort trotz der Verbotsschilder viele Stunden mit laufenden Dieselaggregaten. Und bei uns vibrieren dann durch das Brummen die Altbaufenster."

Besonders schlimm sei das ab Mitternacht in den Nächten von Sonntag auf Montag und von Mittwoch auf Donnerstag. Sogar das Umweltreferat nenne den Dezibelpegel eine "erhebliche Belästigung".

Sorge macht den Anwohnern auch, dass die Kühlaggregate mutmaßlich ungefilterte Dieselabgase ausstoßen. Die Rußbelastung jedenfalls könne man "an unseren Fensterrahmen unschwer erkennen", sagt Bierwirth.

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Die ÖDP hat nun zur "Steckdosen-Posse am Großmarkt" erneut eine Anfrage an SPD-OB Dieter Reiter formuliert. Sie will wissen, wie das Kommunalreferat erreichen will, dass die Steckdosen künftig genutzt werden, ob mehrsprachige Hinweisschilder für ausländische Brummifahrer aufgestellt werden - und ob Adapter angeboten werden können, damit auch ausländische Lkw mit anderen Stromsteckern ihre Fahrzeuge laden können.

Denn wenn alles bleibe wie es ist, so der Anwohner Bierwirth, sei der Einbau der 18 Stromanschlüsse nicht nur eine Posse, sondern "schlussendlich Steuergeldverschwendung".

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  • BB123 am 16.01.2023 19:14 Uhr / Bewertung:

    Wenn Theorie und Praxis aufeinander prallen...

  • Der wahre tscharlie am 16.01.2023 18:28 Uhr / Bewertung:

    "Bis zu 20 Lkw parken nachts nicht auf dem vorgesehenen Parkplatz, um auf die Abfertigung zu warten. "In Wirklichkeit", sagt Anwohner Bierwirth zur AZ, "fahren sie direkt zu den Hallen 23 oder 10 und stehen dort trotz der Verbotsschilder viele Stunden mit laufenden Dieselaggregaten."

    Natürlich ist das so. Jeder will als erster seine Ware loswerden. Ich komm als erster dort an, leg mich noch ein paar Std. in die Koje und soll dann irgendwann als 20igster an die Rampe geholt werden? Wirklich nicht.

    Unabhängig davon sind die paar Ladesäulen sowieso ein Witz, bei dem täglichen LKW-Aufkommen.

    Was mir auffällt, ist, dass sich die Anwohner anscheinend nicht gestört fühlen, wenn ab ca. 2 Uhr morgen die LKWs rumfahren, um die einzelnen Kunden zu beliefern.

    Aber was ich als ehem. Kühlerkutscher schon seit Jahren sage, der Großmarkt gehört raus aus der Stadt. Das ist doch ein Anachronismus, ihn in der Stadt zu behalten.

  • Der wahre tscharlie am 16.01.2023 18:13 Uhr / Bewertung:

    Oh mei.....natürlich nutzt das keiner. Als ehemaliger Kühlerkutscher folgendes zu dem Thema.
    1. Die allerwenigsten LKW haben ein solches Kabel, weil relativ teuer.
    2. Wenn angeschlossen, kann es geklaut werden.
    3. <Die seltsame Adaptergeschichte macht mich stutzig. Ich kenn die Steckdose dort zwar nicht, trotzdem versteh ich nicht, wozu man da einen Adapter braucht.

    Ich bin oft genug mitm Kühler von Venedig nach Patras gefahren. Und während der Überfahrt (ca.36Std.) muß gekühlt werden. Nur elektrisch! Wer kein Kabel hat, bekommt es vom Schiff geliehen (Kostenlos). Genauso kostenlos ist der Strom auf Schiff, im Gegensatz zu München.

    Und es gibt unterschiedliche Stecker. Und nun kommts. Beim Stecker am Aggregat kann man mitm Schraubenzieher die "Fase Drehen". so nennt sich das. Ich kann also problemlos anschließen.

    Und das scheint mir am GM nicht gegeben zu sein. Deshalb das Adaptergemurkse.

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