Amoklauf vom Kapuzinerplatz: Rätsel um den Scherenstecher
Bei dem Italiener, der gestern am Kapuziner Platz angeschossen worden ist, handelt es sich um einen polizeibekannten 26-jährigen Lackierer. Verbindungen zur Salafistenszene gab es wohl nicht.
München – Mindestens zehn Schüsse aus Polizeipistolen müssen erst fallen, um Daniel M. zu stoppen – dann geht er zu Boden und seine wirre Attacke gegen Passanten und Polizisten in der Ludwigsvorstadt ist vorbei.
Was den in München geborenen 26-Jährigen dazu gebracht hat, am Donnerstagnachmittag mit einer Küchenschere bewaffnet durch die Straßen zu laufen, kann die Polizei noch nicht mit Sicherheit sagen.
Denn Daniel M. liegt im Krankenhaus, die Ärzte gehen von drei bis fünf Treffern in Arm, Bein und Oberkörper aus. Er wurde bereits operiert, ist jetzt außer Lebensgefahr, aber noch nicht vernehmungsfähig.
"Wir haben keine staatsschutzrechtlichen Erkenntnisse"
Was die Ermittler wissen: Der Scherenstecher hat im April bei einer Polizeikontrolle angegeben, dass er konvertiert sei. In seiner Wohnung fand die Polizei auch Hinweise darauf, dass er sich mit dem Islam beschäftigte. Es gebe aber keine Hinweise, dass sein Verhalten religiös begründet gewesen sei.
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Informationen des BR, der Mann habe Verbindungen in die Münchner Salafistenszene, bestätigt die Staatsanwaltschaft nicht. „Wir haben keine staatsschutzrechtlichen Erkenntnisse zu ihm“, sagt Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch.
Daniel M. habe außerdem zu den Polizisten, die bei dem Großeinsatz waren, „nichts Auffälliges“ gesagt. Er hat laut Polizei ohnehin kaum kommuniziert und nicht reagiert, obwohl die Beamten ihn mehrfach ansprachen.
Daniel M. war in einer betreuten Wohneinrichtung gemeldet
Man weiß allerdings, dass der Mann in einer betreuten Wohneinrichtung im Westend gemeldet ist und in psychiatrischer Behandlung war. Zuletzt hätten sich seine psychischen Probleme verstärkt, heißt es.
Der Zeuge, der um Viertel nach zwei den Notruf wählt und einen sich merkwürdig verhaltenden Mann mit einem Gegenstand in der Hand meldet, sagt außerdem, der Mann mache einen verwirrten Eindruck.
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Ob Daniel M. bei dem Zwischenfall unter Drogeneinfluss steht, ist noch nicht geklärt.
Polizeilich schon bekannt
Der gelernte Lackierer ist wegen Betäubungsmittel- und Vermögensdelikten sowie Sachbeschädigung bereits polizeibekannt. Die Unterlagen reichen zurück bis ins Jahr 2006.
Details zu seiner Erkrankung muss jetzt ein Sachverständiger klären, bisher hat die Polizei noch keinen Zugriff auf seine Krankenakte. Nach der Untersuchung entscheidet sich dann, ob die Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl oder eine vorläufige Unterbringung beantragt.
Gegen den Beschuldigten ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der vorsätzlichen gefährlichen Körperverletzung – immerhin bedrohte er mit der Schere direkt Menschen. Außerdem wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung – auf seiner Flucht vor den Einsatzkräften soll er auf ein Polizeiauto mit Insassen darin eingeschlagen und es auch mit der Schere bearbeitet haben. Auch wegen Widerstands gegen Polizeibeamte wird ermittelt.
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Gegen die Polizisten, die während der Hatz vom Kaiser-Ludwig-Platz über die Lindwurmstraße bis zum Kapuzinerplatz schießen, wird ebenfalls ermittelt – das ist Standard bei Schüssen aus einer Dienstwaffe. Nach bisherigen Erkenntnissen machen bei dem Einsatz drei Beamte von ihrer Waffe Gebrauch: der erste für einen Warnschuss, ein zweiter für zwei gezielte Schüsse, möglicherweise ohne Treffer. Die Polizisten versuchen nach derzeitigen Erkenntnissen mehrmals, den 26-Jährigen zu besänftigen, zu stoppen, auch mit Pfefferspray und einem Polizeiauto. Mehrmals greift er sie an, macht Stichbewegungen.
Dann rennt er am Kapuzinerplatz vor dem Arbeitsamt auf einen Polizisten zu und der – davon existiert ein Handyvideo – schießt siebenmal, bis Daniel M. zu Boden geht. „Die Schusswaffe ist immer die Ultima Ratio“, sagt Polizei-Pressechef Marcus da Gloria Martins. „Ein Messer oder eine Schere sind immer eine hohe Bedrohung und man hat wenig Handlungsoptionen.“
Die Erste Hilfe beim Amokläufer leisten die Polizisten.
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