600 Euro pro Tag! - Hilflose Patienten beklaut

Bogenhausen - Das Klinikum Bogenhausen ist ein großes Krankenhaus im Münchner Nordosten, dem 39 000 Patienten jedes Jahr vertrauen. Durch die langen Gänge des weiß-grünen 80er-Jahre-Baus schleicht allerdings ein Dieb – vielleicht sind es sogar mehrere. Deren heimtückischer Vorsatz: das Klauen von Telefonkarten aus leeren Patientenzimmern, zum Beispiel wenn der Kranke gerade bei einer Untersuchung ist.
„Auf diese Art und Weise verschwinden täglich über 600 Euro im Krankenhaus“, schätzt ein Klinikmitarbeiter. Zur bestohlenen Familie Schröder aus Trudering sagt er achselzuckend: „Das ist eben so.“
Die Familie Schröder – das sind Majana und Andreas und ihr Sohn. Sie sind empört über das, was ihm Klinikum Bogenhausen passiert ist: Nach einer Ohnmacht in der Arbeit kommt der tiermedizinische Fachangestellte Markus (18) auf die Neurologische Station im 3. Stock. In seinem Zimmer gibt es Telefon und Fernseher, zu aktivieren mit einer aufladbaren Telefon-Karte.
Weil sie keinen kleinen Schein hat, lädt ihm seine Mutter 50 Euro drauf: „Wir wollten ja jederzeit mit ihm sprechen können. Sein Handy muss im Krankenhaus ausgeschaltet sein“, sagt die Mutter.
Am Dienstag letzter Woche begleiten die besorgten Eltern ihren Sohn zu einer Untersuchung in ein Arztzimmer drei Etagen tiefer. Als sie zwei Stunden später zurück sind, fehlt die Telefonkarte aus dem Gestell neben dem Bett.
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Am Glaskasten, dem Schwesternstützpunkt, fragen die Eltern gleich, ob eine Schwester die Karte vorsichtshalber herausgezogen hat. Doch dort werden sie mit Vorwürfen attackiert: „Sie können doch die Karte nicht stecken lassen! Das ist bares Geld. Solche Karten verschwinden auf unserer Station jeden Tag.“
Diebstahl als geduldete tägliche Praxis im Krankenhaus? Familie Schröder wundert sich sehr. Sie ärgert sich, weil sie bei der Aufnahme im Krankenhaus zu aufgeregt war, um zu registrieren, dass Wertgegenstände nicht im Zimmer bleiben sollen – dazu zählt auch die Telefonkarte. Denn schließlich ist das große Klinikum an der Englschalkinger Straße für jeden Bürger zugänglich. Der Eingang ist bis 20 Uhr geöffnet.
Direktor rät den Opfern: „Erstatten Sie sofort Anzeige bei der Polizei“
Der Verlust von 50 Euro tut Familie Schröder nicht weh. Sie ist jedoch enttäuscht von der Reaktion. Am Infostand im Erdgeschoss erfährt Majana Schröder, dass der Dieb das Geld schon abgeräumt hat. „Das ist hier gäng und gäbe. Auf diese Art verschwinden täglich über 600 Euro“, schätzt der Klinikmitarbeiter.
Vater Andreas Schröder ist schockiert: „Das sind unhaltbare Zustände. Patienten werden mit Wissen und Duldung des Klinikpersonals bestohlen.“ Er rechnet nach: „600 Euro pro Tag – jährlich wird so wohl eine Viertelmillion Euro geklaut, in nur einer Münchner Klinik.“
Eine mögliche Lösung für den Karten-Klau hat der 46-jährige Labormitarbeiter der TU auch: „Wenn das Restgeld auf den Telefonkarten kein Automat zurückgibt, sondern ein Angestellter, fällt ein Mensch, der öfter zum Karten einlösen kommt, sofort auf.“
Die Klinikleitung entschuldigt sich für ihr Personal: „Schuldzuweisungen gegen bestohlene Patienten sind nicht korrekt“, sagt Pressesprecher Marten Scheibel. Bogenhausens ärztlicher Direktor Andreas Tiete rät: „Erstatten Sie unbedingt sofort Anzeige.“