Stadtquartier in der Au: Mit Alt mach Neu

München - Es ist früher Nachmittag, harte Weißbierglasböden stoßen aneinander, und in den Duft aus Spanferkel und Feierlichkeit hinein sagt eine Frau: "Furchtbar."
Passen tät’s nicht, meint sie, die schon lange in der Au wohnt, einem Viertel, das bisher zu stur zum Schickwerden war und gerade deshalb so schön ist. Und grad an einem der markantesten Flecken im Viertel legt sich jetzt neuer Beton auf alte Ziegel. Die Frau mosert noch ein wenig. "Mhm", sagt ihr Mann, das Resümee der Gattin abwartend, und da kommt es: "Aber mei, das ist halt die Zeit, gell. Des wird scho no irgendwann schee."
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Ungewohnt sieht es aus, das erste Stück der neuen Au. Kantig und etwas streng liegt das Neue auf dem Alten. Noch reibt sich beides gewaltig. Das soll noch geschmeidiger werden bis zum November. Dann nämlich will Paulaner seine neue Zentrale an der Ohlmüllerstraße beziehen. Bisher hat der Bräu seine Verwaltung oben am Nockherberg, in der Hochstraße. In der Unteren Au wurde gebraut.
Jetzt setzt der Konzern seinen Sud in Langwied an und zieht dafür mit der Zentrale nach den Berg hinuter. Der Bau ist für Paulaner eine Heimaterklärung an die Au und damit an München – ein Umstand, der ja auch bei der Auswahl der Brauereien für die Wiesn nicht unwesentlich sein soll. Aber der Bau ist auch der erste Abschnitt eines der größten neuen Stadtquartiere.
Ein Quartier, das neuen Wohnraum für rund 3000 Menschen schafft
Die Schörghuber Unternehmensgruppe baut in drei Abschnitten in der Unteren und Oberen Au neue Wohnungen für rund 3000 Menschen: an der Ohlmüller-, der Welfen- sowie der Regerstraße. Knapp ein Drittel des Wohnraums soll gefördert werden. Die Paulaner-Zentrale für rund 250 Mitarbeiter ist der erste Baustein der neuen Au. Und sie wird ein besonderes Büro, denn sie ist zusammengeflickt.
Der historische Zacherlbau, der seit dem Zweiten Weltkrieg zwar eigentlich nur noch als Fassade existierte, ausgerechnet zwecks dieser aber denkmalgeschützt ist, wurde vom Architekturbüro Hierl in den Neubau eingefasst. Das Gebäude ist eine Mischung aus historischer und neuer Substanz. Mit Alt mach Neu quasi.
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Und in dem Stückerl Alt, genauer gesagt in einem der restaurierten Keller des Zacherlbaus, hat Paulaner am Montag schon mal Richtfest gefeiert. Die Gewölbe sind teils schon verputzt, die meisten Ziegel liegen aber noch blank. Alte, schmale Backsteine reihen sich an Flächen moderner Ziegel. Hier sieht man, wie die Bauten ineinander greifen.
Von außen konnte man vom Richtfest kaum was mitbekommen, einen Kranz hat man sich nämlich gespart. Es steht ja auch gar kein Kran mehr da, der ihn hätte hochziehen können – der Bau ist schon recht fortgeschritten. Dafür gibt zur Feier eine der Form des Gebäudes nachempfundene Schokoladentorte mit Marzipanhülle und einem Cremekern, der es in seiner Wirkung mit drei Maß Salvator aufnehmen könnte.
"Wir sind hier daheim", sagt Paulaner-Chef Andreas Steinfatt. "Und wenn alles fertig ist, dann spüren wir das." Der kaufmännische Geschäftsführer Stefan Schmale sieht das auch so: "Wir gehören in die Au und wollen auch in 100 Jahren noch hier sein." Man sei deshalb dankbar, dass die Bayerische Hausbau hier einen Auftrag wahrnehme, der "betriebswirtschaftlich keinen Sinn" mache. Nunja, da sowohl die Bayerische Hausbau als auch Paulaner ins Schörghuber-Imperium gehören, wird sich das höchstwahrscheinlich schon irgendwie ausgehen.
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Alexandra Schörghubers Laune sieht man jedenfalls keine Sorgen um Verluste an. Sie gönnt sich ein Weißbier zusammen mit Wiesnwirt Peter Pongratz vom Winzerer Fähndl und dessen Frau Arabella. Am benachbarten Stehtisch besprechen Handwerker irgendetwas über "Schrauma und Diewen", Schrauben und Dübel also. Business-Prominenz neben Baustellen-Adel, die klassische Richtfest-Mélange eben.
Über das Quartier, das auf dieses Gebäude folgen soll, wird wenig gesprochen, egal wo man sich umhört. Eins nach dem anderen, das ist die Stimmung. Ein bissl Zeit haben sie ja noch, drunt in der Au.