Stadt München will alte Bäume fällen: Naturschützer sind entsetzt

Für ein Bauprojekt müssen 27 Bäume weichen, manche von ihnen sind über 60 Jahre alt. Der Bund Naturschutz läuft Sturm – und warnt, dass die Entscheidung folgenschwer sein könnte.
Anna-Maria Salmen |
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Die Bäume müssen einem Bauprojekt weichen.
Die Bäume müssen einem Bauprojekt weichen. © Daniel von Loeper

München - Auch im Herbst ist es ein Idyll inmitten von Wohnhäusern: Die Blätter der riesigen Platane haben sich gelb gefärbt, einige sind schon auf den Boden gefallen. Dennoch kann man sich gut vorstellen, wie der Baum im Sommer Schatten spendet. Unter den Ästen sind Sitzbänke aufgestellt, eingerahmt wird das Areal zwischen Westend- und Schrenkstraße von weiteren Bäumen und Hecken. "Es ist eine Oase im steinernen Meer", sagt Reiner Lang vom Bund Naturschutz.

27 Bäume sollen gefällt werden – manche sind schon 60 Jahre alt

Doch das Idyll ist bedroht: 27 der teils 60 Jahre alten Bäume will die Stadt fällen, darunter auch die Platane, die im Viertel fast schon Kultstatus hat, sagt Lang. Der kleine Park soll weichen für ein Bauvorhaben mit multikulturellem Jugendzentrum, Sporthalle, Jugendwohnungen und Angeboten für die Kinderbetreuung. Auch eine neue Geschäftsstelle des Kreisjugendrings München Stadt soll hier entstehen.

Auch im Herbst ein Idyll: Die Platane bildet den Mittelpunkt einer Baumgruppe, die im Westend bei Bürgern sehr beliebt ist.
Auch im Herbst ein Idyll: Die Platane bildet den Mittelpunkt einer Baumgruppe, die im Westend bei Bürgern sehr beliebt ist. © Daniel von Loeper

Kahlschlag im Münchner Westend: Der Bund Naturschutz ist schockiert

Lang und seine Mitstreiter vom Bund Naturschutz sind schockiert. "Verliert die Stadt München, die zu den am meisten versiegelten Städten Deutschlands gehört, immer mehr große Laubbäume, wird sich die Stadt in den heißer werdenden Sommern so stark aufheizen, dass Gesundheit und Lebensqualität ihrer Bewohner ernsthaft bedroht sind", mahnt Dorit Zimmermann vom Arbeitskreis Baumschutz des Bund Naturschutz.

Bäume könnten gar Leben retten, fügt Lang hinzu. Durch die heißen Sommer sei es in den vergangenen Jahren vermehrt zu hitzebedingten Todesfällen gekommen. Denn Städte heizen sich durch die vielen versiegelten Flächen schnell auf. Eine Studie der TU München zeigt, dass es bereits jetzt in heißen Sommernächten in der Münchner Innenstadt um bis zu zehn Grad wärmer ist als im Umland. Gemildert werden könnte dieser Effekt durch mehr Grün: Eine 60 Jahre alte Linde, so der Bund Naturschutz, habe aufs Jahr gesehen die gleiche Kühlleistung wie 140 Kühlschränke.

22 Bestandsbäume können erhalten werden, sagt die Stadt.
22 Bestandsbäume können erhalten werden, sagt die Stadt. © Daniel von Loeper

Als Hilfe gegen den Klimawandel: Städte brauchen Baumanteil von 30 Prozent

Um hitzebedingte Todesfälle zu vermeiden, sei ein Baumanteil von 30 Prozent in Städten nötig, sagt Lang. Das hätten kürzlich Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern in einer Studie der Fachzeitschrift "Lancet" herausgefunden. München liege aktuell bei einem Baumanteil von 20 Prozent. Und doch wird in der Stadt mehr Grün beseitigt als neu geschaffen: Nach Angaben des Bund Naturschutz wurden im Laufe der letzten zehn Jahre über 80.000 Bäume gefällt – nachgepflanzt wurden nur rund 60.000.

Dass nun auch die 27 Bäume im Westend weichen müssen, halten die Naturschützer für eine Katastrophe. Die Stadt nehme den Klimaschutz, den sie sich selbst zum Ziel gesetzt habe, nicht ernst genug. Das zeigt sich für Lang auch daran, dass 13 der bedrohten Bäume eigentlich unter die Baumschutzverordnung fallen. Es werden zwar auch 13 Bäume neu gepflanzt, aber für Lang können sie kaum ein Ersatz sein – bis sie den gleichen Wert hätten wie die alten Bäume, würden Jahre vergehen.

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Klare Rechtslage: Bei Bauprojekten dürfen Bäume gefällt werden

Rechtlich sei die Lage klar, so der Bund Naturschutz. Baurecht gehe vor Baumrecht, die Stadt habe also durchaus das Recht, auch geschützte Bäume für ein Bauvorhaben zu opfern. Doch im Frühjahr 2021 habe das Bundesverfassungsgericht entschieden, es sei Aufgabe der Kommunen, künftige Generationen vor Beeinträchtigungen durch Umweltbelastungen zu schützen. Für Lang steht die Fällung der Bäume im Widerspruch dazu.

Die Naturschützer fordern die Stadt auf, das Vorhaben zu überdenken. Beispielsweise könne man prüfen, ob das Projekt möglicherweise auf einem anderen Grundstück umgesetzt werden könne. Eine Umplanung ist laut Kommunalreferat allerdings unwahrscheinlich.

Die Planungen seien bereits weit fortgeschritten, teilt ein Sprecher auf AZ-Anfrage mit. Zudem habe der Stadtrat das Vorhaben auch unter Kenntnis der notwendigen Baumfällungen einstimmig beschlossen.

Grüne Balkone, artenreiche Pflanzenbeete: Das will die Stadt gegen den Klimawandel tun

Man versuche, die vorhandene Grünstruktur so weit wie möglich zu erhalten. 22 Bestandsbäume können dem Sprecher zufolge auf dem Areal erhalten werden. Im weiteren Planungsfortschritt werde zudem intensiv geprüft, ob doch noch auf bereits genehmigte Fällungen verzichtet werden könne. Für eine Optimierung des Mikroklimas sollen zudem die Fluchtbalkone im Innenhofbereich begrünt werden, artenreiche Pflanzbeete mit Stauden und Gräsern sollen die Biodiversität erhöhen.

Den Naturschützern ist das zu wenig. Für Lang ist klar: "Die Bäume müssen erhalten bleiben, um die Gesundheit zu erhalten." Gemeinsam mit seinen Mitstreitern vom Bund Naturschutz will er weiter für die Bäume kämpfen.

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47 Kommentare
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  • Lindwurm2019 am 21.11.2023 09:07 Uhr / Bewertung:

    Es gibt ein passendes Grundstück in der Alramstrasse, das s. g. Sendlinger Loch. Die Baugrube ist seit mehr als 2 Jahren ausgehoben und seitdem steht alles still. Hallo Stadt München, hier kann man mal zu Gunsten eines sozialen Projektes einen gierigen Investor rauswerfen. Wird sicher nicht leicht wäre aber ein Zeichen an diese unsympathische Klientel

  • Gelegenheitsleserin am 20.11.2023 10:22 Uhr / Bewertung:

    Ich vermisse bei allen, die sich für den Erhalt der Bäume einsetzen, einen Alternativvorschlag, wo man ein Jugendzentrum, eine Sporthalle, Jugendwohnungen und Angebote für die Kinderbetreuung und die neue Geschäftsstelle des Kreisjugendrings bauen könnte.

  • Perlacher am 20.11.2023 00:03 Uhr / Bewertung:

    Die Grünen Partei schlägt in ihrer Eigenschaft als Vernichter von wertvollen alten Bäumen wieder mal gnadenlos zu, und OB Reiter nickt als Grüß-Gott-Onkel alles ab!

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