Tempo 30 gilt auf der Landshuter Allee in München: "Stadt betreibt vorsätzliche Körperverletzung"
München - Am Montagmittag ist es zwar voll, doch der Verkehr fließt. Autoreifen spritzen Regenwasser auf den Gehweg. Volker Becker-Battaglia stört das nicht, als er auf den Grünstreifen mitten auf der Straße läuft, um ein Foto von sich machen zu lassen. Becker-Battaglia liebt Autos. Den Stadtverkehr liebt er nicht.
Seit Montag gilt auf der Landshuter Allee Tempo 30. Denn ein Gerichtsurteil hat die Stadt dazu verdonnert, Maßnahmen zu ergreifen, um den Grenzwert für Stickstoffdioxid einzuhalten. Eigentlich verpflichtete es die Stadt zu einem Dieselfahrverbot.
Tempo 30 in München: "Stadt hält uns Anwohner für nervige Aktivisten"
"Tempo 30 ist eine Augenwischerei", sagt der 62-Jährige. Seit mehr als 30 Jahren wohnt Becker-Battaglia an der Landshuter Allee. "Solange hier nicht weniger Autos fahren, wird die Luft nicht besser." Die meisten Autofahrer würden beim Blitzer kurz abbremsen und danach wieder beschleunigen. Meistens sei sowieso Stau. "Die Stadt hält uns Anwohner für nervige Aktivisten, dabei sollte sie mit uns zusammen arbeiten", sagt er. "Die Stadt weigert sich, die Anwohner zu schützen, das ist kriminell. Die Leute sterben an der schlechten Luft."
Auch zwei Ladenbesitzerinnen sind eher skeptisch. Anna Soller führt ihr Geschäft Sport Stumper in zweiter Generation seit 26 Jahren. "Die Leute fahren doch eher 35 bis 40 km/h als 30", sagt sie. Sie hoffe zwar, dass das Tempolimit die Anwohner schütze. Doch ob es ausreiche? "Das weiß ich auch nicht", sagt sie.

"Zu Stoßzeiten stehen Autos sowieso zwei Stunden im Stau"
Katrin Große, Inhaberin des Buchladens und Cafés "Kitchen2Soul" findet es gut, dass die Stadt etwas versucht, aber: "Zu Stoßzeiten stehen die Autos hier sowieso zwei Stunden im Stau." Ob das Tempolimit da etwas bringe? "Mal schauen", sagt Große. Die Frage scheint also weniger, ob sich die Autofahrer an Tempo 30 halten. Sondern eher: Schaffen sie es überhaupt, 30 zu fahren?
Haben Becker-Battaglia, Große und Soller also an diesem Einführungstag von Tempo 30 einen Unterschied auf ihrer Landshuter Allee bemerkt? Läuft der Verkehr flüssiger? Fahren die Leute langsamer? Gibt es weniger Stau? Ihre gleichlautende Antwort: Kopfschütteln, nein, kein Unterschied.
Tempo 30: Polizei kontrolliert
Autofahrer müssen aufpassen. Die Polizei kontrolliert mit Lasermessgeräten vom Straßenrand aus und in speziell ausgerüsteten Autos mit Videokameras. Die vier Blitzerkästen am Straßenrand werden zudem in diesen Tagen auf Tempo 30 umgestellt. Eine Schonfrist wird es nicht geben, heißt es im Präsidium. Bei geringen Verstößen können Autofahrer auf eine gebührenfreie Belehrung hoffen. "Da gibt es gewisse Ermessensspielräume", sagt ein Sprecher. Darauf verlassen, dass man ohne Bußgeld davon kommt, sollte man sich nicht.
Mit dem Aufstellen der Schilder gilt Tempo 30 "für beide Fahrtrichtungen der Landshuter Allee sowie auf den zu- und abführenden Fahrspuren in beide Fahrtrichtungen", teilte das Mobilitätsreferat mit. Tempo 30 gilt zwischen der Abfahrtsrampe zur Arnulfstraße (Höhe S-Bahnhof Donnersbergerbrücke) im Süden und dem Toni-Merkens-Weg/Parkharfe Olympiapark im Norden. Während einer einjährigen Testphase überprüft die Stadt, ob sich die Luftwerte ausreichend verbessern lassen und Fahrer auf Nebenstraßen ausweichen.
"Mit der Einführung von Tempo 30 weigert sich die Stadt, das Gerichtsurteil umzusetzen", sagt Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Die DUH hatte die Stadt auf Einhaltung der Luftgrenzwerte verklagt und das Urteil im März erstritten. "Das Gericht hat ein Tempolimit ausdrücklich für unzureichend befunden", sagt Resch. Die Stadt versuche, Zeit zu schinden und breche das Gesetz. Resch kritisiert: "Die Stadt betreibt vorsätzliche Körperverletzung an allen, die sich regelmäßig an der Landshuter Allee aufhalten."
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