Spielzeugwaffen: Ein Trend, der den Behörden Sorgen macht

München - Sie lassen sich von echten Waffen kaum unterscheiden. Aussehen und Design stimmen mit den Originalen bis ins Detail überein. Als Spielzeug darf sie jeder kaufen, manche Modelle sind sogar unter 18 Jahren erlaubt. Selbst Waffenexperten können den Unterschied auf den ersten Blick kaum erkennen. Der Polizei bereiten diese sogenannten Anscheinswaffen zunehmend Probleme und das aus mehreren Gründen.
In Sekundenbruchteilen entscheiden Polizisten, ob sie schießen müssen
Zwei 17-Jährige, die mit Spielzeugwaffen hantierten, haben Mitte November in Untersendling einen dramatischen Polizeieinsatz ausgelöst. Ein Zeuge hatte die beiden abends vor einem Gebäude am Landaubogen gesehen und es mit der Angst zu tun bekommen. Er alarmierte die Polizei. Fünf Streifenwagen rasten zu der Adresse. Mit gezogenen Dienstpistole suchten die Beamten die Gegend ab und stießen auf zwei Teenager. Die hatten allerdings nur zwei schwarze Softair-Pistolen in den Händen. Sie erklärten, dass sie lediglich gespielt hätten.

Zum Glück behielten in dieser heiklen Situation alle einen kühlen Kopf. "Die Waffen sehen täuschend echt aus, und sind auf den ersten Blick oft als Spielzeuge nicht zu erkennen", sagt Polizeisprecher Werner Kraus.
In einem Einsatz, zumal wenn die Lage unklar und die Lichtverhältnisse vielleicht schlecht sind, kann es leicht zu Verwechslungen kommen. Der Stress in so einer Situation ist enorm, die Beamten müssen oft in Sekundenbruchteilen die Entscheidung treffen, ob sie abdrücken müssen, oder nicht.
Mitte Januar hielt ein 15-Jähriger im Hauptbahnhof in einem abfahrbereiten Zug einem Bundespolizisten (26) eine Pistole unter die Nase. Der Schüler gab später an, er und sein Spezl hätten die Spielzeugwaffe bei Freising in einem Gebüsch gefunden. "Die Burschen waren sich nicht bewusst, welche Wirkung eine gezogene Schusswaffe auf einen Polizeibeamten haben kann", sagt Wolfgang Hauner, Sprecher der Bundespolizei am Hauptbahnhof.
Auch wer eine Spielzeugwaffe trägt, kann angezeigt werden
"Wenn jemand eine Waffe auf einen Polizisten richtet, gehen die Kollegen zunächst davon aus, dass es sich um eine Echte handelt", so Werner Kraus. Die Polizisten reagieren entsprechend. In so einer Situation kann eine falsche Bewegung eine Tragödie auslösen. Die beiden 17-Jährigen in Untersendling hatten Glück. Die Polizisten erkannten, dass sie es mit Spielzeugwaffen zu tun hatten. Die Teenager wurden wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz angezeigt. Es verbietet das Führen sogenannter Anscheinswaffen in der Öffentlichkeit. Ein Verstoß kann mit Geldbußen bis zu zehntausend Euro geahndet werden.
Kaufen kann Anscheinswaffen jeder ab 18 Jahren. Eine behördliche Genehmigung ist nicht erforderlich. Man darf diese Spielzeugwaffen besitzen, aber eben nicht mit nach draußen nehmen. Spielzeugwaffen (also Softairwaffen mit einer maximalen Geschossenergie unter 0,5 Joule) kann man sogar unter 18 Jahren kaufen. Das Führen der Waffen in der Öffentlichkeit ist aber auch bei diesen Modellen verboten.
Immer wieder lösen Spielzeugwaffen große Einsätze aus
Eine vermeintliche Entführung in München im letzten Juni entpuppte sich als Geburtstagsscherz. Drei bewaffnete Männer, so berichteten Zeugen, zerrten einen Mann in ein Auto und rasen davon. Die Täter hätten ihre Waffen aus dem Seitenfenster gehalten. Auf dem Parkplatz des Tierparks Hellabrunn stoppte die Polizei das Auto und umstellte die "Entführer". Vor Ort stellte sich heraus, dass eine Mutter ihren 15-jährigen Sohn zusammen mit drei Freunden zu einem Geburtstag gefahren und die Jugendlichen hierbei eine Entführung nachgespielt hatten. Die Einsatzkräfte stellten vier schwarz gefärbte Spielzeugpistolen sicher.

In Kirchheim lösten im März 2019 zwei Schüler einen Großeinsatz der Polizei aus. Die 15-Jährigen liefen maskiert und mit Softairwaffen herum, die aussahen wie echte Maschinenpistolen. Passanten beobachteten dunkel gekleidete Gestalten, die abends zwischen Häusern herumschlichen und schlugen bei der Polizei Alarm.
"Eltern sollten ihren Kindern niemals erlauben, mit Spielzeug- oder Softairwaffen nach draußen zu gehen und mit ihnen zu spielen", rät LKA-Sprecher Ludwig Waldinger. Das Risiko, dass es zu Missverständnissen kommt, ist zu groß.
Ein 69-Jähriger aus dem burgenländischen Rankweil (Österreich) erlitt Anfang November einen tödlichen Herzinfarkt. Zwei 12 und 13 Jahre alte Buben hatten ihn auf einem Sportplatz mit einer Spielzeugpistole "bedroht". Der Mann warf mit Steinen und Stöcken, er regte sich dabei so sehr auf, dass er tot zusammenbrach.
Spielzeugwaffen werden aber auch immer wieder bei Straftaten verwendet. Zuletzt bei zwei Tankstellenüberfällen in München. Am 11. Dezember überfiel ein Mann mit einer Schweinsmaske über dem Kopf eine Agip-Tankstelle in Untermenzing. Der Kassierer weigerte sich, Geld herauszurücken. Der Täter flüchtete und überfiel nur etwa 90 Minuten später eine Shell-Tankstelle in Karlsfeld.
Manche Waffen sind knallbunt – als wären sie für Kinder gemacht
Die Kripo geht davon aus, dass es ein und derselbe Täter war. Videoaufnahmen lassen vermuten, dass es sich bei der Pistole um ein täuschend echt aussehendes Spielzeug handelt.
Mitte April 2019 überfielen drei Teenager mit Spielzeugwaffen einen Getränkemarkt in der Leonrodstraße. Ein 15-Jähriger bedrohte den Kassierer. Als einer der Kunden flüchten wollte, zwang der Teenager ihn mit vorgehaltener Waffe, zu bleiben. Die Täter wurden von der Polizei festgenommen.
Um Verwechslungen zu vermeiden, sind manche Hersteller von Softair- und Spielzeugwaffen dazu übergegangen, die Modelle zu kennzeichnen. Beispielsweise wird der Mündungsbereich Rot eingefärbt. Doch solche gut sichtbaren Erkennungsmerkmale lassen sich einfach schwarz überlackieren.
Ein anderes Problem ist, dass manche echte Waffen aus knallbunten Bauteilen bestehen. Sie sehen eher wie Spielzeuge aus, sind aber scharfe Waffen, mit denen man schießen kann.
In den USA werden sogar Gewehre und Pistolen für Kinder hergestellt, manche sind pink lackiert und von den Abmessungen so ausgelegt, dass selbst Grundschulkinder damit problemlos schießen können.

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