Sperrstunde gefallen: Münchens Nächte leben wieder
München - Monatelang wurde es schon kurz nach neun unruhig in den Wirtschaften. Die letzte Runde nahte! Doch am Mittwochabend soll plötzlich alles wieder anders sein. Man darf gemütlich in die Nacht hinein sitzen. Aber haben die Münchner das überhaupt mitbekommen?
21.14 Uhr, Gärtnerplatzviertel: Um den Gärtnerplatz-Brunnen herum ist es: leer. Damit man sich hier wieder abends zusammenfindet, sind die Temperaturen wohl noch zu niedrig. Vor der Robinson-Bar hingegen lässt es sich ganz gut aushalten: Eingehüllt in dicke Winterjacken und gewärmt vom Licht der Heizstrahler, hat es sich dort ein gutes Dutzend junger Leute gemütlich gemacht, Tische zusammengeschoben und Stühle hinübergetragen, um bei Bier und Wein zusammenzusitzen und zu ratschen.
Sperrstunde in München weg: "Lichtblick für die kommenden Wochenenden!"
21.32 Uhr: Fraunhofer-Wirtshaus: Im Fraunhofer hat sich eine Schafkopf-Runde zusammengetroffen und auch sonst herrscht eine gemütliche Stimmung. "Die Gäste sind ein wenig später gekommen als sonst", berichtet ein Kellner, der am Ausschank-Tresen lehnt. Daniel und Moritz haben ihr Bier schon ausgetrunken und werden auch kein neues mehr bestellen.

Die beiden gehen heute zwar früh heim, für Moritz ist es ohne Sperrstunde dennoch entspannter: "Wir müssen keine erzwungene letzte Runde mehr um halb zehn bestellen, gleich bezahlen und die dann unter Druck leertrinken, damit wir rechtzeitig rauskommen. Das macht mental schon einen Unterschied, selbst wenn man nicht länger bleibt." Daniel schließt sich ihm an: "Ich hab unter den ganzen Regelungen eh nicht mehr durchgeblickt und wusste vorhin noch gar nicht, dass wir heute schon länger bleiben dürfen. Unter der Woche spielt das jetzt keine so große Rolle, aber es ist ein Lichtblick für die kommenden Wochenenden."
Pächter: "Regelung war nicht sinnvoll"
22.03 Uhr, Augustiner am Platzl: Für Oliver und Barbara Wendel ist ein Tag der Freude: "Wir sind froh, dass die Landesregierung die Regelung gekippt hat", sagt der Pächter des Augustiner am Platzl. "Die Regelung war aus unserer Perspektive ohnehin nicht sinnvoll. Das Virus ist entweder so gefährlich, dass man komplett schließen muss – ansonsten steckt er aber genauso nach 22 Uhr noch Menschen an. Ich verstehe das Argument mit dem Alkohol, aber bei uns stolpern auch sonst die Leute nicht betrunken raus – zumindest bis null Uhr hätte man uns erlauben können."
Dass diese Zeiten jetzt aber vorbei sind, gibt Anlass zum Feiern – und daher auch eine Schnapsrunde im Augustiner. Bei einer Gruppe Trachtler serviert der Gastronom selbst. Die Stimmung ist gut und Wendel ist zuversichtlich, dass es auch dabei bleibt: "Hinter uns liegen harte Wochen und Monate, in denen gut 30 bis 50 Prozent des üblichen Umsatzes ausgeblieben sind. Wir haben Glück, dass es uns recht gut geht, aber so manche Betriebe hat das in die Existenznot gebracht. Wir hoffen auf wärmere Temperaturen und dass die Ängste schwinden, vielleicht wird dann auch bald die 2G-Regelung gekippt."
22.24 Uhr, Max-Joseph-Platz: Aus der Staatsoper strömen Besucher, die meisten zieht es zur U-Bahn am Marienplatz, manche aber auch in die Gaststätten in der Altstadt. Im Univiertel werden um Viertel vor elf die Außenplätze geschlossen, Tische und Stühle zusammengestellt und mit einem Draht abgesperrt.
Gruppe lässt sich durchs Univiertel treiben
23.01 Uhr, Schellingstraße: Eine Gruppe Studenten zieht in Richtung Fox-Bar. Für das "Ciao Ragazzi" waren sie etwas spät dran und ins "Soda" sind sie wegen eines zu bunten Outfits nicht reingekommen: "Der Türsteher hat einen auf Berghain gemacht", meint einer der Jungs und spielt damit auf die strenge Tür im bekanntesten Elektro-Club Berlins an. Jetzt lässt sich die Gruppe treiben: "Mal schauen, wo es uns hinzieht." Dass die Gastro jetzt wieder länger öffnen darf, freut alle. "Die letzten zwei Jahre haben wir kaum Gelegenheit gehabt, ins Nachtleben abzutauchen. Ganz viele Partys konnten nie stattfinden, neue Freunde zu finden und sich zu connecten war schwierig." Auch sie hoffen nun auf bessere Zeiten.

0.08 Uhr, Fraunhoferstraße: In der Curry-Wurst-Bude "Bergwolf", direkt am Ausgang des U-Bahnhofs, bleibt das übliche Bild hungriger Nachtschwärmer, die sich glücklich mit Pommesgabeln einen Imbiss von dampfenden Papp-Tellern genehmigen, aus. Nur ein paar Gäste sind noch drinnen. Direkt am Fenster sitzt ein junger Mann, der einen Filmstreifen in die Luft hält und im Licht der Halogenlampen, das von außen hereinströmt, Stück für Stück seine Fotos betrachtet.
Anlässe, Erinnerungen an lange Abende festhalten, wird es ohne Zweifel bald wieder geben. Jetzt, da Münchens Nächte wieder zu leben beginnen.