So ticken junge Bayern unter 40
München - Was ist wichtig für die Generation unter 40? Das Bayern Forum der Friedrich-Ebert-Stiftung hat das in einer repräsentativen Befragung untersucht. Die Soziologin Jutta Allmendinger hat zusammen mit zwei Kolleginnen 724 Interviews mit Männern und Frauen zwischen 18 und 40 Jahren geführt. Sie wollten wissen, was junge Bayern umtreibt, wo sie sich in ihrem Leben sehen, wo es hakt. Ein Ergebnis zieht sich dabei durch fast alle Bereiche: Familie und die Karriere unter einen Hut zu bringen, ist für viele (noch immer) unmöglich.
Was ist jungen Menschen im Freistaat wichtig?
Arbeit spielt eine zentrale Rolle im Leben der Bayern unter 40 Jahren – dabei ist es egal, ob sie Männer oder Frauen sind. Erwerbstätig zu sein, gehört zum Leben dazu. Trotzdem gibt es Unterschiede. 80 Prozent der Frauen ist es wichtig, finanziell unabhängig zu sein und einen sicheren Arbeitsplatz zu haben. 90 Prozent ist Treue wichtig. Die eigene Familie, Freunde und Kinder haben einen ähnlich hohen Stellenwert.
Männern ist finanzielle Sicherheit wichtiger (92 Prozent). Hingegen haben Werte, die mit dem sozialen Umfeld zusammenhängen, zwar hohe, aber insgesamt niedrigere Werte als bei Frauen.
Interessant: Karriere zu machen ist weder bei Bayern noch bei Bayerinnen ein unbedingter Bestandteil in der Lebensplanung. Nur 36 Prozent der Männer ist das wichtig und lediglich 30 Prozent der Frauen.
Wie zufrieden sind junge Bayern generell? Die Hälfte der Befragten sind sehr zufrieden mit ihrer derzeitigen Lebenssituation. Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt es nicht. Zudem blicken junge Bayern ihrer Zukunft sehr positiv entgegen. 61 Prozent gaben an, dass es ihnen in zehn Jahren gut gehen wird. Aber: Je nach Bildung ist die Zuversicht unterschiedlich verteilt. „Menschen mit hoher Bildung sind deutlich optimistischer“, sagt Allmendinger.
Menschen, die einen Hauptschulabschluss haben, sind weniger zuversichtlich.
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Wie zufrieden sind sie in einzelnen Lebensbereichen?
Arbeit ist Männern und Frauen wichtig. Jedoch sind Frauen deutlich unzufriedener mit ihrem Arbeitslohn oder ihrer Altersversorgung als Männer. Familie ist den meisten Frauen wichtig, und über 80 Prozent sind mit ihrer Familie und ihren Kindern, 77 Prozent mit ihrer Beziehung und Eltern auch sehr zufrieden. Nur jede Zweite ist hingegen mit ihrem Beruf zufrieden, nur jede Dritte mit ihrem Einkommen.
Auch Männern ist der berufliche Bereich wichtig. Sie sind etwas zufriedener als Frauen (56 Prozent). „Das ist der Bereich, bei dem es brodelt“, sagt Allmendinger. Nur jeder Dritte ist mit seinem Einkommen glücklich.
Weniger Stereotype, aber mehr Unterschiede
Männer sind so, Frauen so. Sozialforscher stellten immer wieder fest, dass Männer und Frauen sich gegenseitig in Rollen pressen. Ein Beispiel: Männer sagen über Frauen, denen sei die Karriere nicht wichtig, Frauen sagen aber über sich selbst, dass dem nicht so ist. Allmendinger und ihre Kolleginnen haben herausgefunden: Diese Stereotype scheint es in Bayern so nicht zu geben. Frauen haben in der Untersuchung Männer so beurteilt, wie diese es auch selbst tun würden. Aber: Männer und Frauen scheinen sich einig zu sein, dass Männer und Frauen unterschiedliche Wichtigkeiten im Leben haben. Etwa 90 Prozent der Männer und Frauen nehmen an, dass Karriere zu machen und Geld zu verdienen für Männer wichtig ist. Nur die Hälfte der befragten Männer und Frauen nehmen das für Frauen an. Beim Bereich Familie ergibt sich ein umgekehrtes Bild.
Laut Jutta Allmendinger bedeutet das nicht, dass Frauen in Bayern sich in traditionelle Rollenbilder fügen. Dafür sei Erwerbsarbeit inzwischen für beide Geschlechter zu wichtig. Allmendinger: „Wir scheinen aber eine Einigkeit darüber zu haben, dass Männer und Frauen verschieden sind.“
Ich und die Anderen
Eines wird in der Studie deutlich: Junge Frauen und Männer können mit dem Rollenbild, das ihnen die Gesellschaft aufzudrücken scheint, nicht viel anfangen. Das haben Allmendinger und ihre Kolleginnen herausgefunden, indem sie die Befragten zunächst gefragt haben, was ihnen wichtig ist und dann, wovon sie glauben, dass es der Mehrheit ihrer Geschlechtsgenossinnen und -genossen wichtig ist.
Fragt man Frauen, ob sie denken, dass anderen Frauen eine Karriere wichtig ist, stimmen 60 Prozent zu. Aber nur jede dritte Frau würde für sich selbst behaupten, dass ihr Karriere wichtig ist. Beim Thema Familie ist das andersherum: 83 Prozent der Frauen ist dieser Bereich wichtig, sie glauben aber, dass nur die Hälfte der anderen Frauen das ebenso empfindet.
Allmendinger interpretiert das so: Frauen haben das Gefühl, dass von ihnen erwartet wird, eine Karrierefrau sein zu müssen. Viele wollen das aber gar nicht.
Bei den Männern ist der Spagat zwischen Eigen- und Fremd wahrnehmung ebenfalls groß. Etwas mehr als jedem dritten Mann ist Karriere wichtig. Sie nehmen aber an, dass 57 Prozent der anderen Männer karrierefixiert sind. 85 Prozent sagen zudem, Treue sei ihnen wichtig. Aber nur 59 Prozent der Männer glauben, dass ihre Geschlechtsgenossen das ebenso sehen. Beim Thema Familie ist Selbst- und Fremdbild hingegen deckungsgleich.
Wie wollen Männer und Frauen miteinander leben?
Es gibt eine große Sehnsucht bei Männern und Frauen unter 40: Sie wollen einen Ausgleich zwischen Arbeit und Familie. Gut die Hälfte der Männer und Frauen wünschen sich das. Das klassische Lebensmodell, nach dem der Mann alleine für die Familie sorgt, hat ausgedient. Nur 16 Prozent der befragten Bayern wollen es. Alleinverdienerin will jedoch keine einzige der Befragten sein. 22 Prozent der Frauen würden ihre Kinder nie zugunsten ihres Berufs zurückstellen. Nur sechs Prozent der Männer wählten dieses Lebensmodell.
Die Aufteilung zwischen Arbeit und Familie schlägt sich auf die Verteilung der Hausarbeit nieder. Typische Tätigkeiten im Haushalt wie Kochen, Waschen und Einkaufen werden von Frauen erledigt. Der Mann im Haus schlägt im Prinzip nur von Zeit zu Zeit einen Nagel in die Wand oder reparieren, wenn etwas kaputt ist.
Das liegt auch daran, dass Männer öfter vollzeitbeschäftigt sind (82 Prozent der befragten Männer gegenüber 40 Prozent der befragten Frauen). Trotzdem monieren die Forscherinnen, dass bei einer solchen Aufteilung ein gleichberechtigtes partnerschaftliches Modell auf der Strecke bleibt.
Wie steht es um den Beruf?
Die Unterschiede bleiben bestehen: Im Durchschnitt verdienen die Frauen 1130 Euro, die Männer 1718 Euro. Frauen arbeiten im Schnitt 32 Stunden, Männer 40. Damit sind Frauen näher an ihrer Wunscharbeitszeit als Männer. 80 Prozent der Männer arbeiten länger als 35 Stunden, aber nur 44 Prozent streben das auch an.
Vier Tage statt fünf Tage in der Woche ist ein Modell, das für viele eine erstrebenswerte Alternative ist. Frauen gehen vermehrt in Teilzeit, um sich das zu ermöglichen und vor allem, um für ihre Kinder da zu sein. So kommt es für 12 Prozent der befragten Frauen nicht mehr in Frage, nach der Geburt des Kindes wieder Vollzeit zu arbeiten. Für ein knappes Drittel erst dann wieder, wenn die Kinder aus der Grundschule heraus sind.
Verglichen mit dem Bundesdurchschnitt, so Allmendinger, zeigt sich: Bayerische Frauen kehren seltener in eine Vollzeitstelle zurück als Frauen aus anderen Bundesländern.
Und die Männer? Ein Fünftel würde zwei Monate Elternzeit nehmen, jeweils gut zehn Prozent für ein halbes oder sogar ein ganzes Jahr. Hingegen sagen 15 Prozent, dass sie überhaupt nicht in Elternzeit gehen wollen.
Laut Statistischem Bundesamt nehmen etwa 40 Prozent der bayerischen Väter Elterngeld in Anspruch, drei Viertel jedoch lediglich für zwei Monate. Woran das liegt, erklären sowohl Männer als auch Frauen mit dem Druck, der auf Männer ausgeübt werde. Etwa die Hälfte der Befragten gab an, dass Männer Steine in den Weg gelegt werden, wenn sie länger unterbrechen wollen.
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Welches Fazit lässt sich ziehen?
Bayern und Bayerinnen sind zufrieden und optimistisch. Eigentlich. Aber im Bereich Familie und Beruf hakt es, vor allem, wenn man diese beiden Bereiche miteinander in Einklang bringen möchte. Die Jungen in Bayern wollen einen Ausgleich zwischen Kind und Karriere. Doch sie bekommen es nicht wirklich hin, sagen Allmendinger und ihre Kolleginnen.
Frauen stecken beruflich zurück und bezahlen das mit geringeren Bezügen und auch geringerer Rente. Männer wollen für die Familie da sein, stecken aber beruflich nicht zurück und leben mit einem schlechten Gewissen. „Sie haben sich in dieser Generation noch nicht gefunden“, urteilt Allmendinger. An die Politik geht deshalb ein klarer Appell: „Wir müssen eine neue Balance finden.“ Damit Frauen und Männer den Spagat besser schaffen.
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