Sir Henry – ein Mops mit Mission

Sir Henry ist Deutschlands bekanntester Hund. Er war Kolumnenautor in der AZ und trat mal im Smoking, mal in Lederhose im Fernsehen auf. Polarisiert bereits die Rasse Mops, so tut es Sir Henry erst recht. Von seinem Einsatz für die gute Sache lässt sich der Münchener Mops deshalb aber noch lang nicht abbringen.
von  Von Hannah Schädlich
Dass Sir Henry ein besonderer Hund ist, wird in der Wohnung sofort klar: überall Möpse, Möpse überall. An den Wänden hängen Bilder und Gemälde der Knautschgesichter. Auf den Regalen und in den Vitrinen stehen sie Pfote an Pfote.
Dass Sir Henry ein besonderer Hund ist, wird in der Wohnung sofort klar: überall Möpse, Möpse überall. An den Wänden hängen Bilder und Gemälde der Knautschgesichter. Auf den Regalen und in den Vitrinen stehen sie Pfote an Pfote. © privat

München – Nach dem Klingeln ist es ruhig. Kein Bellen dringt aus der Wohnung. Uschi Ackermann bittet ins Wohnzimmer und bietet einen Sitzplatz auf dem Sofa – „dem mit den Möpschen“ – an als sich die Küchentür öffnet. Gleich drei aufgeregte Fellknäuel flitzen schnaufend in den Flur. Doch dort ist niemand mehr. Es folgt Bellen in verschiedenen Tonlagen, dann kehrt marsch. Wie an einer Schnur aufgereiht traben sie zurück zur Küche. Dort isst noch jemand. Das darf ein Mops nicht aus den Augen lassen.

Mops Sir Henry und seine Besitzerin, PR-Beraterin Uschi Ackermann, sind in München bekannt wie die sprichwörtlichen bunten Hunde. Der Mops, der Bücher schrieb, der Autogrammkarten verteilt und eine eigene Fanseite bei Facebook hat, lud im April erneut zum Mops-Model-Casting auf der Münchener Heimtiermesse. Selbstredend liegt Magerwahn der knautschigen Rasse fern.

Nur logisch also, dass Sir Henry auch eigene Leckereien vertreibt: Hundechips für den Vierbeiner und Haribo-Möpse für sein Herrchen. Ja, dieser Mops ist dick im Geschäft. Doch wer nun glaubt, Sir Henry sei nur ein Promi-Schoßhündchen, das in teure Designerkleider gezwängt wird und vom silbernen Tellerlein speist, irrt. Sir Henry und Uschi Ackermann sind dankbar für ihr Leben und haben es sich zur Mission gemacht für Zwei- und Vierbeiner einzutreten, die weniger Glück haben.

Deshalb hat Sir Henry seit geraumer Zeit auch pelzige Freundinnen – sein Julchen und Lilly. Julchen wurde von Uschi Ackermann aus dem Tierheim gerettet. Mit nur einem Auge hätte sie es bei der Vermittlung schwer gehabt. Auch Lilly war mit einer schweren Krankheit im Tierheim. Sie wurde von Uschi Ackermanns Freundin Linda Schnitzler aufgenommen und besucht Sir Henry oft.

Unterdessen hat das beige Trio seinen Beobachtungsposten in der Küche aufgegeben. Gemächlich kommt es wieder herausgestapft. Das Wohnzimmer beherbergt zwar zahlreiche Hundekissen, doch der bevorzugte Schlafplatz der drei Möpse scheint das Sofa zu sein. Zielstrebig bewegen sich die Knautschnasen darauf zu. Dort sitzt der zuvor verpasste Gast. Das halb blinde Julchen entdeckt ihn zuerst. Freudig wirft sie sich auf den Rücken und rollt von einer Seite auf die andere. Ihre Füßchen strampeln in alle Richtungen. Das Maul ist aufgesperrt und sie gibt mal grunzende, mal brummende Laute von sich. Voll Wonne lässt sie sich dabei den Bauch kraulen, bis sie auf die Seite kippt und einschläft. Der fellige Hausherr beobachtet die Rauferei aus der Ferne bevor auch er zu schnarchen beginnt. In dieser Hinsicht unterscheidet sich der Promi-Mops nicht von seinen Artgenossen.

Sir Henry zieht im Smoking vor Gericht

Uschi Ackermann erzählt, dass Sir Henry vor zehn Jahren selbst ein Mops in Not war. Sie hatte sich schon so lang einen Mops gewünscht, dass sie, als es endlich soweit war, zu schnell kaufte – ein Fehler, den viele machen. Sir Henry stammte aus einer tierunwürdigen Vermehrerzucht und litt unter der erblichen Hautkrankheit Demodikose, auch Haarbalgmilben genannt. „Ich habe damals nicht genug nachgedacht“, sagt Uschi Ackermann heute über den Kauf. Vielen unseriösen Züchtern geht es nur um schnelles Geld. Mit allerlei Tricks versuchen sie ihren Gewinn zu steigern. Die Kosten dafür tragen die Tiere.

Auch Sir Henrys Züchter versuchte mit den Tieren möglichst viel Geld zu verdienen. Die Hündin wurde viel zu oft zugelassen, die angeblich adelige Abstammung entsprang seiner Fantasie. Uschi Ackermann beschloss dagegen vorzugehen und verklagte den Züchter. Doch für Tierrechtsprozesse interessiere sich fast niemand, resümiert die PR-Beraterin. Deshalb brauchte es „ein bisschen Theater“, wie sie sagt. „Ein bisschen Theater“ heißt, dass Sir Henry im Smoking vor Gericht erschien und damit die Medien für sich gewann. Auch aus dem Prozess ging er als Sieger hervor. Der Züchter musste sowohl Schadensersatz leisten als auch die Gerichts- und Anwaltskosten tragen. Als das erste Urteil seiner Art wurde es zum Präzedenzfall auf den sich künftige Kläger beziehen können. Seither kämpft Sir Henry für den Schutz seiner vierbeinigen Freunde.

Mopsbesitzer – ein eigenes Völkchen

Sir Henry ist für seine Besitzerin nicht nur irgendein Hund. Das wird in der Wohnung sofort klar: überall Möpse, Möpse überall. An den Wänden hängen Bilder und Gemälde der Knautschgesichter. Auf den Regalen und in den Vitrinen stehen sie Pfote an Pfote. Auch auf dem Sofa sind sie zu finden. Sie sitzen dort als Plüschtiere oder schmücken Kissenbezüge. Auf dem Balkon stehen diverse Stauen in Lebensgröße. Es müssen hunderte Möpse in dieser Wohnung sein. Uschi Ackermann lässt den Blick durch ihr Wohnzimmer wandern und schmunzelt. „Ja“, sagt sie und nickt, „den Mops besitzt man nicht, dem verfällt man.“

Mopsbesitzer scheinen ein eigenes Völkchen zu sein. Aber sie halten zusammen. Nicht nur Sir Henry und Uschi Ackermann versuchen jedem Mops in Not zu helfen. Auch Sir Henrys 11.000 Facebook-Freunde sind stets zur Stelle und helfen bei der Vermittlung von Tierheim-Möpsen.

Heute engagiert sich das Münchner Duo für viele tierische Projekte. Der Verein „Ein Herz für kranke Tiere e.V.“, die „Vita Assistenzhunde“ und das Hundeseniorendorf auf dem Sonnenhof bei Rottenbuch gehören zu ihren aktuellen Anliegen. „Wir tanzen auf vielen Hochzeiten, aber das macht mir Spaß“, sagt Uschi Ackermann lachend. Es gibt schließlich so viele unterstützungswerte Organisationen und zahlreiche Hilfsbedürftige.

Das weiß auch die Vorsitzende der „Tiertafel München e.V.“, Andrea de Mello. In München könne man gut leben, aber auch tief fallen und wenn man erst einmal ganz unten sei, komme man kaum wieder hoch, erzählt sie. Das betrifft vor allem die Altersarmut. Deshalb unterstützt die Tiertafel all jene, die nicht mehr selbst für ihre tierischen Partner sorgen können, durch Futter- und Sachspenden. Auch der Tierarzt kommt monatlich für kleines Geld. Dadurch werden viele Tiere vor dem Umzug ins Tierheim und Menschen, denen das Leben ohnehin schon übel mitspielt, vor dem Verlust ihres tierischen Freundes bewahrt.

„Tierschutzzamperl“ für Uschi Ackermann

Vor dem Schritt ins Tierheim will auch Uschi Ackermann schützen. Ihre Herzensangelegenheit ist es, auf Spezialisten für Tierkrankheiten aufmerksam zu machen. In München und Umgebung gibt es dafür viele Anlaufstellen, zum Beispiel die Kleintierklinik der LMU. Zu wenige Tierbesitzer wissen um die Existenz von Dermatologen, Zahnärzten oder Herzspezialisten für Hunde und schrecken vor der langwierigen Behandlung beim allgemeinen Tierarzt zurück. Der einzige Ausweg sei dann oft das Tierheim, so Uschi Ackermann. Sie will die Menschen deshalb aufklären: Spezialisten können schneller und oftmals günstiger helfen.

Für ihr Engagement erhielt Uschi Ackermann im vergangenen Jahr das „Tierschutzzamperl“ des Deutschen Tierschutzbundes. Sie hatte 10.000 Euro für das Hundeseniorendorf auf dem Sonnenhof bei Rottenbuch gespendet. Der Preis ist eine kleine Figur, die auf dem Regal, inmitten all der Mopsfiguren, kaum auszumachen ist. Uschi Ackermann findet sie trotzdem gleich. Der Preis ist ihr wichtig. „Ich brauche keinen Porsche und keinen teuren Schmuck“, sagt sie. Den Tieren zu helfen, ist ihr viel mehr wert. Das wusste auch ihr im Mai 2015 verstorbener Mann Gerd Käfer, der ihr Engagement stets unterstützte. Promi-Status braucht man dafür aber nicht. Auch keine 10.000 Euro. Jeder kann helfen, auch mit Kleinstbeträgen, da sind sich Uschi Ackermann und Andrea de Mello einig.

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