Sind und bleiben Kult in München: Vorher-Nachher-Bilder der Kioske

Nicht lange her – und trotzdem vorbei: In der neuen AZ-Serie über die Nullerjahre zeigen wir München-Fotos aus der Zeit nach der Jahrtausendwende. Heute: Münchner Kioske – und wie die Orte heute aussehen.
Irene Kleber |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
13  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Prägten und prägen teils immer noch das Stadtbild – wie hier an Reichenbachbrücke: die Kioske in München.
Prägten und prägen teils immer noch das Stadtbild – wie hier an Reichenbachbrücke: die Kioske in München. © IMAGO/C3455 Robert B. Fishman

München - In den Jahren nach dem Millennium fotografiert Juri Gottschall viele Treffpunkte in der Stadt. Erkennen Sie die Kioske? Und wie schaut es dort heute aus? Wir haben nachgeschaut. 

Erinnert sich noch jemand an den Miniaturkiosk an der Leonrodstraße, der so putzig mitten in der Einfahrt zwischen den Häusern 65 und 67 stand? Oder an das pavillonartige türkise Kioskhäusl rechts an der Schleißheimer Straße, dort, wo nach Norden hin die Lerchenauer abzweigt? Noch gar nicht so lange her – und trotzdem längst vorbei.

Ein bisserl in München-Nostalgie schwelgen

Der Münchner Fotograf Juri Gottschall ist in den Nuller- und zu Beginn der Zehnerjahre viel durch München gefahren und hat mit liebevollem Blick Orte beobachtet, an denen Menschen zusammenkommen. Zufällig oder absichtlich. Für flüchtige Sekunden, oder um gesellig Themen des Tages zu besprechen. Bei seinen Streifzügen hat er viele der Kioske von damals fotografiert. Auch Waschsalons, Imbissbuden und Boazn. Einige dieser Fotoserien sind 2011 im Lokalteil der "SZ" erschienen. Und weil es Freude macht, in München-Erinnerungen zu schwelgen, zeigen wir ein paar davon in einer dreiteiligen AZ-Serie nun wieder.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Bei uns geht es mit den Kiosken der Nullerjahre los. Manche – zumal die kultigen entlang der Isar – haben sich über die Jahre gehalten, wenn auch teils mit jetzt neuem Namen. Andere, die ans Herz gewachsen waren, sind abgerissen oder weggeräumt – und kommen auch nicht wieder. Was war und was dort heute ist – wir haben nachgeschaut und am selben Standort neue Fotos gemacht. 

Miniatur an der Leonrodstraße 65

Ein roter Coca-Cola-Stehtisch, ein Kuhmuster-Mülleimer, ein Guckfensterchen, Tabakwaren, Getränke, Zeitschriften, Spirituosen: So richtig sicher konnten sich Passanten nie sein, ob der Winzlingskiosk an der Leonrodstraße geöffnet war, der in den Nullerjahren recht abenteuerlich mitten in der Einfahrt zwischen den Hausnummern 65 und 67 stand.

Winzig klein genau in der Einfahrt: dieser urige Minikiosk an der Leonrodstraße 65/67.
Winzig klein genau in der Einfahrt: dieser urige Minikiosk an der Leonrodstraße 65/67. © Juri Gottschall

Mal war nachmittags jemand da, mal nur vormittags. Ob er sich deshalb nicht gehalten hat? Jedenfalls, so erzählt es ein Nachbar aus dem Asia Imbiss nebenan, sei der urige Winzling schon "vor zehn, 15 Jahren" verschwunden. Schade.

Heute ist die Einfahrt kiosklos, nur ein Roller steht da noch.
Heute ist die Einfahrt kiosklos, nur ein Roller steht da noch. © Daniel von Loeper

Bogenhauser Eckhauskiosk

Das war schon praktisch, so ein kleiner, fast quadratischer Zeitungskiosk auf dem Gehsteig mitten im Wohnviertel – wie zu Beginn des Jahrtausends in Bogenhausen an der Sternwart- Ecke Ismaninger Straße.

Hier lockt die Abendzeitung: Der kleine Kiosk stand in den Nullerjahren noch an der Sternwart- Ecke Ismaninger Straße...
Hier lockt die Abendzeitung: Der kleine Kiosk stand in den Nullerjahren noch an der Sternwart- Ecke Ismaninger Straße... © Juri Gottschall

Sogar der Marlboro-Mann hat damals noch fürs Rauchen werben dürfen. Vorbei, das ist gut so. Nur den Kiosk, der vor einigen Jahren an der Ecke verschwunden ist (und sowieso das rotweiße Schild der Abendzeitung) hätten wir natürlich gerne behalten.

... dort  ist er aber schon vor ein paar Jahren verschwunden.
... dort ist er aber schon vor ein paar Jahren verschwunden. © job

Noch ganz unwahnsinnig: "Der Kiosk" an der Wittelsbacherbrücke

Roter Fensterrahmen, blaues Dach, Biergartengarnituren und ein ganz unprätentiöser Name. "Der Kiosk" hat dieses Häusl an der Wittelsbacherbrücke (Nordseite) in den Nullerjahren noch geheißen.

Kioskbetreiberin Cornelia Straub vor dem kultigen Häusl an der Wittelsbacherbrücke (Schyrenplatz 1). In den Nullerjahren hieß der noch ganz unprätentiös "Der Kiosk". Inzwischen ist er umbenannt in "Isarwahn".
Kioskbetreiberin Cornelia Straub vor dem kultigen Häusl an der Wittelsbacherbrücke (Schyrenplatz 1). In den Nullerjahren hieß der noch ganz unprätentiös "Der Kiosk". Inzwischen ist er umbenannt in "Isarwahn". © Juri Gottschall

Zum Millennium hatte das freundliche Paar Cornelia und Gundolf Straub den heruntergekommenen Kiosk an der Isar gekauft und hergerichtet. 2011, als Juri Gottschall die Cornelia im Holzfällerkarohemd mit Weste fotografiert hat, kostete die Tasse Kaffee 1,70 und der Erbseneintopf 2,50 Euro. Später haben die Straubs ihr Häusl umbenannt in "Kiosk Isarwahn".

Damals: Erbseneintopf 2,50 Euro, mit Wiener 4 Euro, Tasse Kaffee 1,70 Euro. Günstige Zeiten!
Damals: Erbseneintopf 2,50 Euro, mit Wiener 4 Euro, Tasse Kaffee 1,70 Euro. Günstige Zeiten! © Juri Gottschall

Weil nichts für immer (und auch das Betreiberpaar in die Jahre gekommen) ist, haben die Straubs ihren Kiosk vor zwei Jahren an Boaznwirt Maximilian Heisler (u.a. Geyerwally, Frisches Bier) und seinen Spezl Carsten Fay übergeben. Der Fensterrahmen ist jetzt blau und Erbseneintopf gibt's nicht mehr. Dafür aber viel mehr Bierauswahl, bei gutem Wetter bis 22 Uhr.

Und so schaut der Kiosk, der heute "Isarwahn" heißt, jetzt an warmen Tagen aus.
Und so schaut der Kiosk, der heute "Isarwahn" heißt, jetzt an warmen Tagen aus. © Maximilian Heisler

Lesen wie auf Reisen

Ein bisschen wie im Urlaub hat man sich gefühlt, wenn man in den ersten Jahren des Jahrtausends am Zeitungskiosk am Elisabethplatz gestanden ist. 900 Zeitungen, Zeitschriften, Magazine in allen erdenklichen Sprachen, waren da gehangen, gesteckt und gestapelt. Italienisch, griechisch, türkisch, französisch, britisch, holländisch – toll! Rosi Stiftner, die rund 40 Jahre dort gesessen hat, war Kult im Herzen von Schwabing. 2016 ist sie mit 71 Jahren gestorben, am geschlossenen Kiosk hat man noch lange Trauerkarten und Blumen aus der Nachbarschaft gesehen.

So hat er ausgeschaut, der Zeitungskiosk von Rosi Stiftner am Elisabethplatz.
So hat er ausgeschaut, der Zeitungskiosk von Rosi Stiftner am Elisabethplatz. © Juri Gottschall

Eine Zeitlang hat eine junge Betreiberin den Kiosk noch weitergeführt. Dann ist mit den historischen Marktstandln am Elisabethmarkt (die neuen Standl werden bald fertig) auch der alte Kiosk gewichen. Der Nachfolger ist ein geräumigerer Glasbau, Zeitungen gibt's nur noch wenige. Vor allem von Tabak und E-Zigaretten lebt die neue Betreiberin Yasemin Öztürk. Von der Rosi reden die Nachbarn immer noch.

Das historische Häusl ist weg, der Nachfolger ist ein moderner Glasbau, vor allem mit Tabak und E-Zigaretten.
Das historische Häusl ist weg, der Nachfolger ist ein moderner Glasbau, vor allem mit Tabak und E-Zigaretten. © Daniel von Loeper

Das älteste Standl

Waldgrün ist die Bretterfassade, auch dahinter ist alles aus Holz. Die Hütte an der Wittelsbacherbrücke (Südseite, gegenüber dem Isarwahn) ist deshalb genaugenommen kein Kiosk, sondern ein Standl –und zwar Münchens ältestes (1848).

André Löwig hat sein Standl nächstes Jahr 20 Jahre.
André Löwig hat sein Standl nächstes Jahr 20 Jahre. © privat

2005 hatte André Löwig es gekauft und anfangs nur Bier, Eis und Currywurst verkauft. Erst ab 2015 durfte er Biergartengarnituren aufstellen. Anfang April hat er nach der Winterpause wieder aufgemacht.

Mitte der Nullerjahre hat André Löwig das Standl übernommen. Auf diesem Foto, aufgenommen 2011, ist Mitarbeiterin Bella zu sehen – und günstige Preise: Die Fleischpflanzlsemmel kostet 1,80, ein Paar Wiener 2 Euro.
Mitte der Nullerjahre hat André Löwig das Standl übernommen. Auf diesem Foto, aufgenommen 2011, ist Mitarbeiterin Bella zu sehen – und günstige Preise: Die Fleischpflanzlsemmel kostet 1,80, ein Paar Wiener 2 Euro. © Juri Gottschall

Der Kultige – heute in knallbunt

Eis, Gummischlangen, Wiener in der Semmel: Christa Fingerles Kiosk an der Braunauer Eisenbahnbrücke (seit 1951 im Familienbesitz) war in den Nullerjahren schon Kult. Das Häusl an der Isar (Teutoburger Straße 11) hat die Chefin früher jedes Jahr frisch gestrichen.

Der Kult-Kiosk an der Braunauer Eisenbahnbrücke war früher mal fast so weiß wie der Kittel von Betreiberin Christa Fingerle.
Der Kult-Kiosk an der Braunauer Eisenbahnbrücke war früher mal fast so weiß wie der Kittel von Betreiberin Christa Fingerle. © Juri Gottschall

Weiß meistens, wie man auf Juri Gottschalls Foto rechts sieht. "Inzwischen ist das sinnlos", erzählt sie, "weil es eh wieder besprüht wird." Heute ist es also wie es ist: knallbunt. Und Christa Fingerle ist – wie man es 40 Jahre kennt – immer noch da.

Der Anstrich ist heute komplett mit Graffiti übersprüht.
Der Anstrich ist heute komplett mit Graffiti übersprüht. © Daniel von Loeper

Ein Hauch New York an der Schleißheimer

Dass die Schleißheimer Straße 234 einst einen Kiosk bekommen hat, ist Maggie und Thilo Banatte-Schuster zu verdanken, die nach 20 Jahren New York in den Nullerjahren zurück nach München gezogen sind. Und in den Garten ihres Hauses einen Kiosk gebaut haben.

Frisches Grün mit rotweißen Gardinen: Das frühere New York Corner Café...
Frisches Grün mit rotweißen Gardinen: Das frühere New York Corner Café... © Juri Gottschall

"New York Corner Café" nannten sie das hellgrüne Häusl, in dem es Kaffee, selbstgebackenen Kuchen, Bagels und Sandwiches in amerikanischer Tradition gegeben hat. Ein paar Jahre haben sie das gemacht. Inzwischen ist das Häuschen an Burger House vermietet.

Heute schaut das Standl als Burger House etwas anders aus.
Heute schaut das Standl als Burger House etwas anders aus. © Daniel von Loeper

Das Schwammerldachhäusl am Englischen Garten

Ein putziger Hingucker ist er gewesen, der orange Zeitungskiosk mit dem Schwammerldach im Stil der Fünfzigerjahre an der Oettingenstraße 80 am Englischen Garten. Gefühlte Ewigkeiten hat ihn Kurt Gärtner betrieben. 2012 hat er ihn an die Familie Garbzada untervermietet, danach folgte ein zweiter Zwischenbetreiber.

Kurt Gärtner, der auch gerne Orange trug, vor seinem orangen Kiosk im Fünfzigerjahrestil.
Kurt Gärtner, der auch gerne Orange trug, vor seinem orangen Kiosk im Fünfzigerjahrestil. © Juri Gottschall

Seit Herbst ist der Pachtvertrag mit der Stadt gekündigt, das schöne Häusl ist abgerissen. Es kommt leider kein Kiosk mehr nach, die Stadt will den Grund bepflanzen.

Kiosk? Leider keiner mehr da an der Oettingenstraße.
Kiosk? Leider keiner mehr da an der Oettingenstraße. © Daniel Loeper

Falls Sie selbst noch alte Bilder von Kiosken haben, an die Sie gern erinnern möchten: Schicken Sie sie uns per Mail an: lokales@abendzeitung.de (Stichwort: Nullerjahre).

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
13 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • AllesBesser am 22.05.2024 10:10 Uhr / Bewertung:

    Bei der AZ wird jede Pommessbude zum "Kult" erklärt.

  • Floyd 01 am 20.05.2024 13:44 Uhr / Bewertung:

    Ob Grün oder Rot .....sie sind alle Münchens Tod.
    Reimt sich sogar und was sich reimt ist gut. Sagte schon Pumuckl 😄.
    Der unkontrollierbare Regulierungswahn oft unter dem Deckmäntelchen des Erhalts bzw. der Verschönerung ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse des Bürgers hat , egal unter welcher Regierung , Tradition.
    Dazu kommt die unheimliche Hier des Spekulantentums.
    So kann man jede schöne,Lebenswerte Stadt zugrunde richten .
    Schuld sind wir alle die wir das akzeptieren und tolerieren.

  • Witwe Bolte am 20.05.2024 12:00 Uhr / Bewertung:

    Bürgergeldbezug ist oft lukrativer, als sich mit Kiosk-Arbeit den Alltag zu belasten. Ausschlafen, krankenversichert sein, Miete und Heizung bezahlt das Amt, dazu noch Tafel-u. Kleiderkammer-Berechtigungsscheine, billiges MVV, kostenlose Kondome.....
    Warum sollte da jemand in einem zugigen Kiosk warten, bis ein Kunde Alk, Sargnägel oder die Bild kauft?
    P.S. sehr interessanter Artikel und schöne Fotos.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.