Seltsam geöffnetes Dach am alten Heizkraftwerk in München: Warum es dabei um Klimaschutz geht
Sendling - Ein bisschen erinnert das grobe Gerippe an das Gerüst eines Oktoberfestzelts. Aber freilich wird hier an der Schäftlarnstraße in Sendling nicht an einem Außenstandort für die kommende Wiesn getüftelt. Das abgedeckte Dach am einstigen Heizkraftwerk Süd, das Passanten im Viertel derzeit ins Auge sticht, ist vielmehr Teil des großen Energiewendeplans der Stadtwerke.

Geothermieanlage im Münchner Süden ist die größte in Deutschland
Dass im Münchner Süden am Standort direkt gegenüber des Interim-Gasteigs gewerkelt wird, ist für die Sendlinger nichts Neues. Das Heizkraftwerk wird großflächig umgebaut. Auf dem Areal ist die größte Geothermieanlage Deutschlands entstanden. Hier wird Wärme für 80.000 Münchner erzeugt. Auch ein Wärmespeicher entsteht derzeit hier in Sendling. Der einstige, man möchte fast sagen ikonische, 176 Meter hohe Kamin wurde bereits 2020 rückgebaut, viele Nostalgiker haben sogar ein Stückerl davon erworben.
Am Heizkraftwerk Süd wird an der Fernkälteversorgung für München gearbeitet
Aber was ist nun mit dem offenen Dach los, das so ein bisserl nackert ausschaut? Auf AZ-Anfrage erklären die Stadtwerke (SWM), dass es sich dabei um Arbeiten für die Fernkälteanlage am Standort handele.
"Hierzu wurde das obere Tonnendach der ehemaligen Rauchgasanlage geöffnet und rückgebaut", sagt Stadtwerke-Sprecher Michael Silva. Die Rauchgasanlage stamme noch aus Zeiten der Müllverbrennung am Standort in Sendling. Diese ist aber schon lange nicht mehr in Betrieb, erklärt Silva: "Sie wurde bereits 1997 stillgelegt." Zukünftig sind dort Rückkühlanlagen vorgesehen.

Ab Mitte 2024 soll aus Sendling Kälte bis in die Münchner Innenstadt geleitet werden
Am Standort Sendling soll ab Mitte 2024 Kälte produziert werden. Fernkälte, diesen Begriff kennen viele Münchner vor allem von Baustellenschildern. Denn neben der Fernwärme wird auch das Fernkältenetz ausgebaut und das hat zumindest kurz- und mittelfristig aufgerissene und gesperrte Straßen und Gehwege zur Folge.
Das Fernkältenetz aus Rohrleitungen ist laut SWM derzeit bereits 23 Kilometer lang. 60 Hotels, Bürogebäude und Warenhäuser seien in der Münchner Innenstadt bereits angeschlossen, bei rund weiteren 60 Immobilien sei ein Anschluss in Planung.
Besser als die Klimaanlage: Wenn mit Fernkälte gekühlt wird, spart man bis zu 70 Prozent Energie
Fernkälte gilt als wichtiger Baustein für nachhaltig produzierte Energie. Wie die SWM angeben, können 70 Prozent der Energie eingespart werden, wenn Kälte zentral und nicht individuell, etwa über Hausklimaanlagen erzeugt wird.
In den Untergeschossen des Stachus gibt es schon jetzt zwei Kältezentralen und große Eisspeicher, die nicht genutzte Kälte aufnehmen können. Am Odeonsplatz befindet sich zudem eine weitere Kältezentrale.
Die Stadtwerke München wollen mit ihrem Projekt 25.000 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen
Und so funktioniert die zentrale Kälteerzeugung: Die neu entstehende Kälteanlage in Sendling nutzt das kalte Wasser des Isarwerkkanals, um Fernkälte zu erzeugen. Außerdem ist es auch möglich, die Wärme aus den dortigen Kraft-Wärme-Anlagen, die derzeit ebenfalls modernisiert werden, und der Geothermie zu nutzen, um Kälte zu erzeugen. Das geschieht mithilfe von sogenannten Absorptionskältemaschinen.

Die so entstandene Kälte wird dann ab Mitte des kommenden Jahres durch die Ludwigs- und Isarvorstadt in die Innenstadt strömen. Perspektivisch erhoffen sich die Stadtwerke von ihrem Fernkälteprojekt, 25.000 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen zu können.
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