"Linksrutsch an der Stadtspitze": So reagiert München auf seinen neuen Bürgermeister Dominik Krause

Katrin Habenschaden hat sich aus der Politik verabschiedet. Ihr Nachfolger in München wird wohl Dominik Krause (33), schwul und grün. Warum die CSU nun mehr Krach fürchtet.
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Dominik Krause sagt, dass er für Kontinuität steht.
Dominik Krause sagt, dass er für Kontinuität steht. © Andreas Gregor

München - München bekommt wohl bald den ersten schwulen und gleichzeitig den jüngsten Bürgermeister überhaupt: Der 33-jährige Dominik Krause von den Grünen soll das Amt des Zweiten Bürgermeisters übernehmen und Katrin Habenschadens Nachfolger werden. So gaben es die Grünen am Donnerstagnachmittag bekannt.

Habenschaden hatte am Vortag überraschend ihren Abschied aus der Münchner Kommunalpolitik angekündigt. Sie wechselt vom Rathaus zur Deutschen Bahn in eine leitende Position. Am Donnerstagvormittag gab es eine Fraktionssitzung der Grünen, um über ihre Nachfolge zu entscheiden. Einen anderen Bewerber gab es nicht, sagt Krause.  Der Stadtrat muss Krause aber noch wählen. Dafür reichen die Stimmen der Grünen alleine nicht. Auch der Koalitionspartner die SPD, muss zustimmen.

Respekt für die Vorgängerin: Dominik Krause nennt Katrin Habenschaden ein Vorbild

Habenschaden hatte ihren Rückzug aus dem Amt damit erklärt, dass die Belastung durch die öffentliche Rolle "Spuren hinterlassen" habe. Vielleicht auch ein Grund, warum öffentlich niemand ihren überraschenden Wechsel von der Politik zu einem gutbezahlten Posten in der Wirtschaft kritisierte. "Natürlich habe ich Respekt vor der Aufgabe", sagt Krause. Sorgen um seine Gesundheit mache er sich aber nicht. "Mit diesem starken Rückhalt traue ich mir zu, die Nachfolge anzutreten", sagt er.

Krause nennt Habenschadens Rücktritt eine Zäsur für die Grünen in München. Für ihn sei sie ein Vorbild. "Das sind große Fußstapfen", sagt der 33-Jährige. Gleichzeitig sei es ein Zeichen für Kontinuität im Münchner Rathaus, dass nun er ihr Amt übernimmt: Habenschaden und Krause fingen beide gleichzeitig 2014 im Stadtrat an.

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"Linksrutsch an der Stadtspitze": Die Opposition stichelt bereits gegen Dominik Krause

Bei der Kommunalwahl 2020, als Habenschaden als Oberbürgermeisterin kandidierte, war er Chef der Grünen in München. "Ich war federführend zuständig für ihren Wahlkampf", sagt er. Inhaltlich stehe er für die gleichen Themen. Auch der Münchner Chef der Grünen, Joel Keilhauer, sieht in der Nominierung ein Signal, "das Kontinuität und Sicherheit ausstrahlt". "Wie kein Zweiter hat Dominik Krause die gemeinsamen Ziele der grün-roten Rathauskoalition verinnerlicht", meint er.

Mona Fuchs, die Fraktionschefin der Grünen, nennt die "nahezu einstimmige Nominierung" ein Signal der Geschlossenheit. Ganz anders fällt die Bewertung der Opposition aus. CSU-Chef Manuel Pretzl sieht durchaus Unterschiede zwischen Habenschaden und Krause: "Sie ist eine Realpolitikerin. Krause steht für den linken Flügel der Grünen", meint Pretzl. "Mit Dominik Krause gibt es einen Linksrutsch an der Stadtspitze."

OB Dieter Reiter äußert sich nach der Krause-Nominierung nicht

Pretzl beobachtet bei Krause ein "forsches Auftreten" und "parteipolitische Manöver" – nicht nur gegen den Koalitionspartner, sondern auch gegen den OB. In der "Süddeutschen Zeitung" hatten Krause und Fuchs kritisiert, dass der SPDler Dieter Reiter immer mehr Richtung CSU abdrifte. 

Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) will seinen neuen Stellvertreter erst nach der Wahl kommentieren. Die SPD-Fraktion will am Dienstag beraten und sich dann äußern. Dass die SPD den Vorschlag der Grünen ablehnt, gilt als unwahrscheinlich. Er persönlich geht davon aus, dass die SPD Krause wählt, sagt Fraktionschef Christian Müller. Doch entscheiden muss das die Fraktion.

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Lehnt sie ab, bedeutet das einen Bruch des Koalitionsvertrages. Dort ist geregelt, dass die Grünen einen Vorschlag für das Amt des Zweiten Bürgermeisters machen dürfen. Dass sich Grüne und SPD aufgrund dieser Personalie so zerstreiten, dass die Koalition auseinanderfällt? Das wird wohl nicht passieren – sagen auch andere SPDler und Vertreter der CSU.

Dass die SPD erst beraten will, sieht Krause gelassen: Die ersten Gespräche mit den beiden Fraktionschefs der SPD seien nett und partnerschaftlich gewesen, sagt er. "Ich glaube, sie waren einfach auch sehr überrumpelt und wollen sich einmal sortieren, kann ich schon verstehen."

Nicht nur wegen Habenschaden: Grünen-Fraktion muss sich neu aufstellen

Tatsächlich kam alles plötzlich: Habenschaden galt bis Anfang der Woche als die aussichtsreichste Kandidatin der Grünen für die OB-Wahl 2026. Sie war schon 2021 angetreten, als die Grünen als stärkste Fraktion wurden. Habenschaden schaffte es zwar nicht in die Stichwahl, war aber in den vergangenen dreieinhalb Jahren auf so vielen Terminen präsent, dass sich so mancher SPDler Sorgen machte. Bis vor ein paar Monaten gingen alle davon aus, dass Reiter wegen der Altersgrenze nicht mehr kandidieren darf. Dann kippte der Freistaat diese plötzlich. Und für Habenschaden sanken die Chancen, erste grüne Oberbürgermeisterin zu werden. Jetzt wechselt sie zur Bahn. 

Die Grünen-Fraktion muss sich in den nächsten Wochen neu aufstellen. Denn Habenschadens überraschender Abschied ist nicht die einzige Veränderung: Julia Post wechselt in den Landtag, Hannah Gerstenkorn übernimmt eine Arztpraxis. Für die beiden kommen Andreas Voßeler und Ursula Harper neu in den Stadtrat. Unklar ist noch, wer für Habenschaden in den Stadtrat nachrückt. Thorsten Kellermann wäre der Nächste auf der Liste, allerdings hat er laut den Grünen noch nicht bestätigt, ob er das Amt auch antreten will.

Und wer wird Fraktionschef bei den Grünen in München?

Und dann müssen die Grünen noch einen neuen Fraktionschef bestimmen. Noch habe die Fraktion nicht über seinen Nachfolger gesprochen, sagt Krause. Es muss übrigens nicht zwingend ein Mann sein. Festgelegt haben die Grünen nur, dass auf jeden Fall eine Frau in der Doppelspitze vertreten sein muss. Es könnte also neben Mona Fuchs noch eine zweite Frau den Fraktionsvorsitz übernehmen.

Wird Clara Nitsche neue Fraktionschefin der Grünen in München?
Wird Clara Nitsche neue Fraktionschefin der Grünen in München? © Andreas Gregor/Grüne München

Denkbar ist, dass die Wahl auf Clara Nitsche fällt. Sie ist bereits stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Mit Mitte 20 ist sie die Jüngste im Stadtrat und noch eine, die man eher dem Linkenflügel zuordnen kann. Nitsche hat Soziale Arbeit studiert, setzt sich für Geflüchtete, Obdachlose und Frauen ein – und das ausgesprochen fleißig

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76 Kommentare
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  • Plato's Retreat am 15.10.2023 08:41 Uhr / Bewertung:

    Es gibt bei der AfD - so wie bei anderen Parteien auch - viele Glücksritter, Postenschieler und Gescheiterte.

    Herrn Lambrou zähle ich ausdrücklich nicht dazu.

  • AufmerksamerBürger am 13.10.2023 22:59 Uhr / Bewertung:

    Alles sehr gut, die Leute haben es so gewählt und gewollt

  • Geradeaus-Denker am 15.10.2023 00:06 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von AufmerksamerBürger

    Stimmt !

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