Schwarzfahr-Verdacht: Polizisten sollen jetzt zahlen

Es geht um den Vorwurf, Polizisten hätten ihre Fahrkarte beim MVV benützt, ohne zu bezahlen. Jetzt reagiert die Polizei und treibt die ausstehenden Beiträge ein.
von  rah
"Marken unrechtmäßig benutzt: Münchner Polizisten unter Schwarzfahr-Verdacht" - So berichtete die Abendzeitung in der Wochenendausgabe exklusiv über die Vorgänge bei der Münchner Polizei.
"Marken unrechtmäßig benutzt: Münchner Polizisten unter Schwarzfahr-Verdacht" - So berichtete die Abendzeitung in der Wochenendausgabe exklusiv über die Vorgänge bei der Münchner Polizei. © dpa/AZ

München - Der AZ-Bericht, wonach Münchner Polizisten jahrelang auf Kosten der Steuerzahler beim MVV schwarzgefahren sein sollen, hat im Präsidium für ziemlichen Wirbel gesorgt. Die meisten der verdächtigten Beamten haben inzwischen die ausstehenden Monatsbeiträge für ihre Sondertickets bezahlt. Einige haben Widerspruch eingelegt.

Lesen Sie hier: Polizisten unter Schwarzfahr-Verdacht

Ein verärgerter Polizist hatte die AZ darüber informiert, dass Kollegen so genannte Sondertickets nutzen, ohne zu bezahlen. Die Sache flog auf, als der MVV Ende 2011 neue Plastikkarten in Umlauf brachte. „Es wurden gewisse Unstimmigkeiten festgestellt“, erklärte gestern ein Polizeisprecher.

59 Beamten sollen betroffen sein. Der Informant der AZ berichtet von 120 Fällen. Die Betroffenen behaupten, sie hätten die Karten abgegeben.

4152 von rund 6000 Polizisten im Präsidium nutzen derzeit eine Sondernetzkarte. Der Freistaat schießt pro Ticket 39,52 Euro zu. Die Beamten müssen lediglich monatlich 21,93 Euro aus eigener Tasche zuzahlen. Zum Vergleich: die Isarcard Gesamtnetz kostet im Monat 128,10 Euro.

Die Münchner Stadträtin Ursula Sabathil forderte als Reaktion auf den AZ-Bericht, allen Münchner Polizisten eine Freifahrt zu spendieren (AZ berichtete). Bisher dürfen das nur Polizisten in Uniform.

Von den 59 Polizisten, die im Zusammenhang mit den Sondertickets überprüft wurden, haben inzwischen 56 die vom Präsidium geforderte Summe bezahlt. Drei der Beamte wehren sich, sie haben Widerspruch eingelegt. Man gehe davon aus, dass die Betreffenden aus Nachlässigkeit nicht bezahlt hätten, erklärte ein Polizeisprecher.

Der Polizist, der sich an die AZ gewendet hatte, berichtete dagegen, im Präsidium sei massiv Druck auf die Betreffenden ausgeübt worden. Man habe ihnen vorgeworfen, sie seien Schwarzfahrer.

 

AZ-Meinung Pro & Kontra: Die AZ-Redakteure Willi Bock und Tina Angerer über die Forderung von Stadträtin Ursula Sabathil, Polizeibeamte sollten auch außerhalb der Dienstzeit gratis fahren.

Pro:

Stimmt, Erzieherinnen verdienen wenig, Friseurinnen noch weniger. Die Ersteren können noch ein verbilligtes Jobticket bekommen, die anderen müssen den teuren MVV ganz allein bezahlen. Und die schlecht bezahlten Polizisten sollen ganz umsonst fahren können?

Ja.

Das ist ungerecht – und doch richtig. Denn eines der brennendsten Themen in München ist das Sicherheitsgefühl. Bei allen Umfragen zum MVV steht das ganz oben. Doch niemand hat das Geld, um rund um die Uhr noch mehr Wachpersonal auf die Straßen und zum MVV schicken zu können. Da sind Polizisten wichtig, die sich auch in ihrer Freizeit einsetzen: Mit Zivilcourage und für Menschen in Not. Stimmt, bei vielen Zwischenfällen sind sie auch nicht vor Ort. Oft aber wohl, und dann fühlen sich alle sicherer. Und wenn der MVV für sie gratis ist, fahren Polizisten mit ihren schmalen Gehältern sicherlich noch mehr damit.

Willi Bock

 

Kontra:

Polizisten sollen generell kostenlos U-Bahnfahren, weil sie schlecht verdienen? Da müssten wahrlich viele, die wichtige Jobs haben, subventioniert werden. In Uniform fahren sie bereits kostenlos, jetzt sollen privat auch noch die 20 Euro pro Monat zu viel sein. Zum Vergleich: Im normalen Leben zahlt selbst ein begünstigter Azubi nur für den Innenraum 49.90 Euro. Und der Steuerzahler, der den Polizisten-Bonus schon jetzt zahlt, schluckt jedes Jahr Preiserhöhungen.

Was das Sicherheitsgefühl angeht: In Zivil macht ein Polizist erstmal keinem ein sicheres Gefühl. Im Ernstfall muss er so oder so eingreifen – und tut das hoffentlich auch mit Ticket.

Müssten nicht auch Ärzte oder Krankenschwestern kostenlos fahren, weil sie im Ernstfall helfen? Und wenn wir Polizisten in dunklen Parks brauchen, zahlen wir ihnen dann die Joggingschuhe, damit sie privat dort laufen und ein Auge auf die anderen haben? Das kann keine Lösung sein.

Tina Angerer

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