Schluss mit dem Gerenne! München soll zur Zehn-Minuten-Stadt werden
München - Wer am Stadtrand wohnt, der kennt das: Der nächste Supermarkt ist anderthalb Kilometer weg, die nächste Bäckerei sogar zwei – und die Apotheke? Ja, die ist ganz am anderen Ende vom Viertel.
Für viele Münchner wird der Wocheneinkauf so zu einer halben Weltreise. Doch schon in ein paar Jahren soll Schluss sein mit dem Gerenne. Das Planungsreferat will die Stadt so umbauen, dass die Geschäfte des täglichen Bedarfs überall fußläufig in zehn Minuten erreichbar sind.
Freiham gilt europaweit als Vorreiter
Bei Neubauvierteln tut man sich damit natürlich verhältnismäßig leicht. Da kann man schon auf dem Reißbrett genau festlegen, wo im besten Fall welches Geschäft angesiedelt werden sollte. In Freiham, dem größten Neubauviertel in ganz Europa, entsteht zum Beispiel gerade ein solcher Stadtteil der kurzen Wege.

Bei den alten Bestandsvierteln ist das freilich ungleich schwieriger. "Ich werbe deshalb auch immer für Nachverdichtung", sagt Stadtrat Johann Sauerer (CSU). Denn wenn irgendwo eine freie Wiese nachträglich noch bebaut wird, kann man auch dort wieder einen Supermarkt einplanen.
Standorte müssen rentabel sein
Natürlich könne man aber noch so gut planen, sagt Sauerer. Dass die Rechnung am Ende aufgehe, sei deshalb noch lange nicht garantiert. In Neuaubing-Ost zum Beispiel ist erst kürzlich die Ansiedlung eines Rewe-City gescheitert. "Die kalkulieren halt knallhart", sagt Sauerer. Und wenn sich ein Standort schon vorab als nicht rentabel erweist, lässt sich dort auch kein Supermarkt nieder – egal, wie weit es die Anwohner dann zum Einkaufen haben.
Grundsätzlich hält Sauerer die sogenannte 10-Minuten-Stadt aber für eine gute Sache. Schließlich geht es dabei um zweierlei: Natürlich sind da zum einen die kurzen Wege. Wenn man in zehn Minuten alles zu Fuß erreichen kann, bedeutet das aber auch: Die Münchner können für ihre Shoppingtouren das Auto stehenlassen. In Zeiten hitziger Debatten über Diesel-Verbote und schlechte Stadtluft ist das ein bedeutsamer Faktor.
Auch die SUV-Mommies können ihr Auto stehenlassen
Für Sauerer darf es bei der 10-Minuten-Stadt deshalb auch nicht nur um Läden und Geschäfte gehen. Es gehe insgesamt darum, den Autoverkehr einzudämmen, sagt er. Arztpraxis, Altenzentrum, Kita-Platz – alles soll im Nahbereich vorhanden sein. "Dann müssen die ganzen SUV-Mommies auch nicht mehr stundenlang mit laufendem Motor vor der Kita herumstehen", sagt Sauerer.
Bis wann genau München zu einem Nahversorgungs-Paradies umgebaut sein wird, ist noch offen. Die 10-Minuten-Stadt gehört aber zu den Visionen für die Jahre nach 2030. Bis dahin bleibt der Wocheneinkauf für manchen Münchner eben doch eine kleine Weltreise.