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"Schichtl" Manfred Schauers Jugend in den 60ern: Verführen mit kirchlichem Segen

In unserer Serie erzählen Münchner Persönlichkeiten, wie sie die 1960er Jahre in der Stadt erlebt haben. Heute: der Schausteller Manfred Schauer.
Ruth Frömmer
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Manfred Schauer hat sich als Teenager ein Schlagzeug zusammengespart. Mit seiner Band spielte er dann besonders gerne für die Mädchen auf.
Manfred Schauer hat sich als Teenager ein Schlagzeug zusammengespart. Mit seiner Band spielte er dann besonders gerne für die Mädchen auf. © Fotos und Repro: privat, Daniel von Loeper

München - "Ich war nicht nur in den 60ern, sondern auch bei den Sechzgern, und zwar als Ringer", erzählt Manfred Schauer, wenn man ihn nach diesem besonderen Jahrzehnt in München fragt. Aber der Mann, den heute alle als den Schichtl von der Wiesn kennen, war nicht nur sportbegeistert, sondern liebte auch die Musik und "an der Isar flacken".

Aufgewachsen ist er an der Großmarkthalle. Geboren 1953, haben ihn seine Eltern schon als kleinen Buben morgens um fünf mit zu ihrem Obststand genommen und in eine Ecke im Büro im Alten Kontorhaus zum Schlafen gelegt. Mit sechs Jahren ist er dann immer um acht in die Gotzinger Schule gegangen.

"Beim Ringen lernt man zwei Dinge fürs Leben: Verlieren und Fallen"

Schauer war immer gerne an der Großmarkthalle - die damals noch recht anders ausgeschaut hat. "Das Ganze war mit seinen Standln so behelfsmäßig aufgebaut wie ein afrikanisches Dorf."

Manfred Schauer heute in der Gaststätte an der Großmarkthalle.
Manfred Schauer heute in der Gaststätte an der Großmarkthalle. © Daniel von Loeper

In den Schulferien hat er seit seinem zwölften Lebensjahr bei seinen Eltern gearbeitet. "Ich hab das immer gern gemacht! Die Großmarkthalle war damals noch ein Refugium für sich", erinnert sich Schauer. Mit 13 hat er dort nach der Arbeit schon die Dreieinhalbtonner bewegt und so Autofahren gelernt. Und keiner hat ihn dabei beobachtet. Der Großmarkthalle ist Manfred Schauer noch lange treu geblieben. Er machte sich später mit einem Großhandel für Tannengrün einen Namen.

Gegenüber vom Alten Kontorhaus war früher eine Tankstelle. Daneben immer eine Gaststätte. Heute ist es die "Gaststätte Großmarkthalle" von Ludwig Wallner und seiner Schwester Gabi Walter.

Manfred mit seiner Mama bei seiner Konfirmation.
Manfred mit seiner Mama bei seiner Konfirmation. © Fotos und Repro: privat, Daniel von Loeper

Dort erzählt Schauer bei ein paar Weißwürsten, wie er sich einst über die Eröffnung des Südbads gefreut hat. Mit sechs Jahren lernte er dort schwimmen, und zwar richtig gut: "Wenn ich ins Wasser bin, san die Krokodile abg'haut", erzählt der 69-Jährige und lacht.

"Mit 14 war ich einmal mit meinem Papa im Circus Krone bei den Catchern", erzählt Schauer. Das hat den Knaben so beeindruckt, dass er bei München 1860 mit dem Ringen anfing. Auf der anderen Seite liebte er auch, mit seinen Spezln am Plateau an der Großhesseloher Brücke an der Isar zu sitzen.

Der jugendliche Manfred nimmt einen Ring-Gegner bei einem Wettkampf auf die Schulter.
Der jugendliche Manfred nimmt einen Ring-Gegner bei einem Wettkampf auf die Schulter. © Fotos und Repro: privat, Daniel von Loeper

Seine Freunde haben da auch angefangen zu rauchen "und andere lustige Ware inhaliert" Schauer nicht, ihm war der Sport wichtiger. "Auch beim schönsten Sonnenschein bin ich immer in die Auenstraße zum Ring-Training gegangen."

Ois, bloß ned langsam: "Mädchen, hier kommt eure Evolution!"

Weit ist er in seiner vierjährigen Ringer-Karriere nicht gekommen, aber die Erfahrungen bei den Sechzgern möchte er nicht missen: "Was man beim Ringen lernt, ist Verlieren und Fallen." Ansonsten brauchte ein Teenager in den 60er Jahren viel Zeit für die anderen Freuden der Jugend.

Die Beatles waren dem 13-jährigen Schauer noch suspekt, die Stones sowieso. "Von den Eltern hab ich gehört, das sind Pilzköpfe, die machen nur yeah yeah und das habe ich ihnen geglaubt. Weil Vorurteile ersparen einem das Nachdenken." Heute weiß er: "Es gibt nichts Besseres als die Beatles." Damals hörte er eben Schlager von Connie Froboess.

"Bei manchen Chor-Mädels hast du gemeint, du bist in einer Model-Agentur", schwärmt Schauer noch heute.
"Bei manchen Chor-Mädels hast du gemeint, du bist in einer Model-Agentur", schwärmt Schauer noch heute. © Fotos und Repro: privat, Daniel von Loeper

Später wollte der Teenager Manfred dann aber auch in einer Band spielen. Also hat er sich ein Schlagzeug zusammengespart, "und dann haben wir bei uns im Keller Musik gemacht: Beat und Rock'n'Roll - ois, bloß ned langsam!" Diese Devise verfolgt der Schauer bis heute.

Die Musik öffnete ihm damals aber auch ganz subtil den Weg zum anderen Geschlecht. "Ende der 60er Jahre haben wir mit unserer Band Free Fox in der Kirche Jazz-Gottesdienste gespielt", erzählt Schauer. Dort hat sich die Band vom Pfarrer in Solln (dahin waren seine Eltern inzwischen gezogen) schriftlich bestätigen lassen, dass Free Fox brave Buben im Namen des Herrn sind.

In seiner Jugend genoss Schauer das Leben, die Mädchen, Wurstsalat und mit 16 dann auch Bier

Mit diesem Schrieb in der Hand hat die Band sich dann Mädcheninternate von Bad Tölz bis Vilshofen ausgesucht und dort aufgespielt. "240 Madln und wir fünf Typen. Da sind wir hingefahren unter dem Motto: Hier kommt eure Evolution", schwelgt Schauer noch heute.

Politisch war Schauer in den 60er Jahren nicht. Für die Schwabinger Unruhen war er mit 15 noch zu jung. "Aber laut elterlichem Dekret war ich dagegen und empört", so Schauer heute, "ich war Eltern-opportun als Lebensmittelabhängiger, der auch an Taschengeld interessiert war."

Verstanden hat er die Studentenproteste gegen die Rechtsobrigkeit erst viel später. In seiner Jugend genoss Schauer lieber das Leben, die Mädchen, Wurstsalat und mit 16 dann auch Bier.

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Auch die Wiesn spielte damals noch keine große Rolle in seinem Leben. "Da ist man mit der Familie hingegangen", so Schauer. Noch heute hat er eine Narbe am linken Auge, weil er es schon als kleiner Bub immer eilig hatte und zu früh aus der Gondel des damaligen Fahrgeschäfts Zeppelin ausgestiegen und gestürzt ist. "Im Schichtl war ich aber noch nie in meinem Leben, bis ich ihn gekauft habe."

Von der 1960er-Wiesn hat Schauer noch heute eine kleine Narbe

Als Teenager ist er auch ab und zu allein mit der Tram aufs Oktoberfest gefahren. Einmal haben ihm seine Eltern fünf Mark gegeben. Die ersten 50 Pfennig hat er in den Rotor investiert. Das Fahrgeschäft gibt es noch heute. Man steigt in einen großen Zylinder, der sich dreht, und dank Fliehkraft bleibt man an der Wand kleben. An dem Tag hat sich Schauer so lange im Kreis gedreht, bis ihm schlecht wurde. Seine restlichen 4,50 Mark investierte er dann in ein Taxi nach Hause.

Es macht Spaß, Manfred Schauers Geschichten über die 60er Jahre zu hören. Die vielen Erlebnisse im Sportverein, an der Isar, beim Musizieren und an der Großmarkthalle haben ihn geprägt. Dass aus dieser bunten Mischung Jahre später dann ein Varieté-Theater geworden ist, klingt logisch. Wie schön, dass er die Münchner in diesem Jahr wieder mit seinen Geschichten verlocken kann, wenn es auf der Wiesn heißt: "Auf geht's beim Schichtl!"


Haben Sie auch noch Fotos aus Ihrer Kindheit in der Stadt in den 1960er Jahren? Mailen Sie uns die Bilder und Ihre Erinnerungen dazu an lokales@az-muenchen.de, Betreff: 60er Jahre

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  • Hel am 19.07.2022 18:30 Uhr / Bewertung:

    "Verführen mit kirchlichem Segen"...
    Das ist absolut niveauloses Clickbaiting!

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