Interview

Schädlingsbekämpfer über Plage in München: "Tauben wollen nur fressen, fressen, fressen"

Jason Thomas Puschmann (36) ist professioneller Schädlingsbekämpfer und Hobby-Biologe zugleich. In Teil zwei des AZ-Interviews erzählt er, welche Gefahren von Tauben ausgehen – und was es eigentlich kostet, ihn zur Hilfe zu rufen.
Hüseyin Ince
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Schädlingsbekämpfer Puschmann bei der Arbeit: Erst mal checken, ob es wirklich Bettwanzen sind.
Schädlingsbekämpfer Puschmann bei der Arbeit: Erst mal checken, ob es wirklich Bettwanzen sind. © Hannes Magerstädt

AZ: Herr Puschmann. Was ist für die Menschen am gefährlichsten bei Schädlingen und Parasiten?
JASON PUSCHMANN: Mäuse und Ratten übertragen Krankheiten. Und Mäuse sind übrigens inkontinent. Sie pinkeln und hinterlassen ständig Kot. An den Spuren orientieren sie sich dann. Sehr gefährlich, weil im Kot und Urin Parasiten und Viren sind. Bekannt ist ja der Hantavirus.

Und die Taube?
Der Kot der Taube ist sehr sauer, weil die Tiere wenig trinken. Das verursacht extreme Schäden an Oberflächen, wie auf dem Lack von Autos. Da gehen wir nur mit Schutzkleidung hin. Mund, Nase, Schleimhäute bedecken. Und nur mit speziellen Reinigungsgeräten. Auf keinen Fall mit einem normalen Staubsauger Kot aufsaugen, egal ob von Tauben, Ratten oder Mäusen. Ohne die richtigen Filter bläst man sonst die Viren und Bakterien durch den Raum.

Verrückt. Tauben haben immer noch so ein gutes Image bei den Leuten.
Wir haben die Felsentaube als Brieftaube herangezüchtet. In Massen. Die hatten ja ihren Zweck. Den Sport gibt es nicht mehr. Die Taube ist noch da. Sie suchen die Nähe von Menschen. Weil da immer Essen abfällt. Und wir bieten Rückzugsräume, wie am Hauptbahnhof. Da gibt es viele Spots. Behörden und Schädlingsbekämpfer kommen nicht hinterher.

Das Lager von Schädlingsbekämpfer Jason Thomas Puschmann an der Grillparzerstraße. Das Büro ist im Hinterhof.
Das Lager von Schädlingsbekämpfer Jason Thomas Puschmann an der Grillparzerstraße. Das Büro ist im Hinterhof. © Hannes Magerstädt

Was macht man bei Taubenbefall?
Erst mal schauen, wie groß der Befall ist. Viele füttern Vögel, denken sie zumindest, aber Hauptkunden sind Tauben. Manchmal kann man regulieren, indem man die Nahrung in der Gegend reduziert. Die Taube hat nur ein Ziel: fressen, fressen, fressen. Sehr schlaues Tier.

Hier lesen Sie den ersten Teil des Interviews

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Die Leute reagieren emotional beim Thema Tauben.
Manche sagen bei meiner Arbeit, du hast doch 'nen Vogel! Wenn ich zum Beispiel Netze installiere. Mir sind auch schon Netze zerschnitten worden. Mittlerweile dokumentiere ich alles fotografisch.

Am Hauptbahnhof verenden Tauben in den Netzen.
Ich kann mir das nur so erklären, dass das Netz zu locker ist oder irgendwo Tauben eingeschlossen wurden. Sie versuchen, so lange auszubrechen, bis sie verhungern. Und dann hängen sie drin.

"Essen in der Kanalisation zu entsorgen, ist wie ein Sushiband für Ratten"

Gibt es bei Schädlingen eine Art Hotspot?
Jeder hat seinen eigenen. Bettwanze ist im Bett, die Schabe da, wo es feucht und warm ist, die Maus dort, wo das Essen herumliegt, am besten mit Versteckmöglichkeiten.

Wie locken Sie die Tiere?
Die Schabe lockt man mit einer Klebefläche mit Lockstoff in der Mitte. Mäuse kommen zu Getreideköder, wenn der angenagt ist, dann wissen wir, okay, da ist ein Nager. Was viele nicht wissen: Die Zähne bei Mäusen und Ratten wachsen die Zähne das ganze Leben lang. Sie müssen deshalb an irgendwas nagen, um die Zähne regelrecht abzuschleifen.

Damit sie also nicht zu lang werden?
Damit sie nicht irgendwann sogar über den Kopf wachsen. Spannend oder?

So wie Sie reden, studieren Sie am Ende doch noch Biologie.
Wer weiß. Die Tiere sind so faszinierend. Wussten Sie, dass eine Ratte drei Tage am Stück schwimmen kann, ohne unterzugehen oder auch mehrere Minuten tauchen kann?

Das war mir nicht klar. Viele Leute spülen Essen in den Abfluss. Was halten Sie davon?
Das ist wie ein Sushiband für Ratten. Wenn die sieht, aus dem Loch kommt dauernd Essen, dann denkt die sich: Das schau ich mir genauer an. Und wenn Steigrohre keine Rückschlagklappen haben, dann stehen sie plötzlich in der Wohnung, auch in oberen Stockwerken. Die chillt da ein paar Tage, frisst, was sie findet und ist wieder weg.

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"Wenn Mäuse und Ratten die Wahl haben zwischen Salami, Käse und Nutella, werden sie immer Nutella nehmen"

Was kann ich denn als Laie bei Ratten und Mäusen machen, wenn ich nicht gleich den Schädlingsbekämpfer holen will?
Was will der Mensch? Sie rausbegleiten? Dafür gibt es Lebendfallen. Für alle anderen Fälle kauft man die Schlagfalle und klebt ein Stück Nutella drauf.

Nutella?!?
Ja.

Ich dachte immer: Käse.
Das ist alt. Mit Käse fängt man keine Maus mehr. Jeder Schädlingsbekämpfer hat ein Nutellaglas im Auto.

Warum kommen die nicht mehr zum Käse?
Vielleicht hat früher die Maus genommen, was sie bekam. Ich kann versichern: Wenn sie die Wahl haben, zwischen Nutella, Salami und Käse, dann nehmen die immer Schokoaufstrich.

Würde es auch ein Schokoriegel tun?
Bestimmt. Hatte mal einen Kunden aus dem Spielhallensektor. Hauptproblem war der Grünstreifen mit Rattenbefall. Die Population war so groß, dass sie tagsüber herumliefen, rund um die Mülltonne dort. Sehr ungewöhnlich. Ratten sind eigentlich extrem lichtscheu. Jetzt stand da die Türe manchmal zum Lüften offen und die rannten sofort rein. Da helfen eigentlich nur noch Schlagfallen.

Gibt es Giftköder?
Ja, aber wenn die Tiere irgendwo verwesen, hat man den nächsten Schädling. Die Fliege.

Die Stubenfliege?
Ganz genau. Ein unterschätzter Schädling. Sie hat eine externe Verdauung. Sie spuckt ständig aus. Wenn sie vorher auf einem Hundehaufen war oder auf einem Kadaver, fliegt dann auf Ihr Steak...

Das ist echt ekelhaft gerade. Hinter Ihnen ist ein Plakat mit Dutzenden Schädlingen.
Das ist nur ein kleiner Auszug. Die Hausratte zum Beispiel. Die läuft immer auf den Leitungen, die sucht man nicht am Boden, dafür an Leitungen entlang. Die kommen eher zu Trockenobst. Da sind auch noch Käfer, Fliegen, Schaben. Es gibt auch relativ ungefährliche Tiere, wie die Bernsteinschabe. Die ernährt sich von pflanzlichen Resten. Ist für den Menschen unbedenklich, überträgt keine Krankheiten. Manchmal fliegt sie in einen Rollladenkasten und wird von der Wespe gefressen.

"Auch nach einem Atomkrieg würde es wahrscheinlich Schaben noch geben"

Schaben gelten als widerstandsfähig.
Sie haben sich gut angepasst. Die werden uns noch alle überleben. Auch nach einem Atomkrieg würde es die noch geben.

Wie geht man gegen die vor?
Insektizide, die für Menschen nicht gefährlich ist. Fraßgel zum Beispiel. Sie fressen sich auch oft gegenseitig, wenn man ihnen das Essen wegnimmt. Dann vergiften sie sich auch gegenseitig. Kaskadeneffekt! Auch Ratten fressen sich gegenseitig.

Empfinden Sie Ekel oder Angst gegenüber irgendeinem dieser Tiere?
Nein gar nicht, nur großen Respekt. Und immer vorsichtig sein. Es wäre ja fatal, wenn ich Bettwanzen bekämpfe und dann welche mitschleppe. Man muss auch aufpassen, Ratten nicht zu sehr in die Enge zu treiben.

Dieses Plakat über Schädlinge hängt bei Puschmann im Büro. Er kann stundenlange über die Schaben, Ratten und Co. erzählen.
Dieses Plakat über Schädlinge hängt bei Puschmann im Büro. Er kann stundenlange über die Schaben, Ratten und Co. erzählen. © Hannes Magerstädt

Warum?
Dann schalten die auf Gegenangriff. Wenn die einen beißt, hat man ganz schnell eine Blutvergiftung. Sie hat Unmengen an Bakterien im Mund, dadurch, dass sie ja in der Kanalisation lebt.

Weitere Gefahren?
Wenn ein Wespennest gereizt wird, kommen die im Schwarm heraus und greifen an. Eine markiert dich, dann stechen alle auf dich ein. Bei 40.000 Stichen kann es schon zum Herzversagen kommen.

"Pharaoameisen können theoretisch Keime übertragen"

Auf dem Plakat sind auch Ameisen. Warum sind sie Schädlinge?
Die Pharaoameise zum Beispiel. Sie geht an eiweißhaltige Nahrung. Im Krankenhaus geht sie an Wundverschlüsse. Kurz gesagt, sie gehen ans Fleisch.

Die würden Gewebe abknabbern?
Ganz genau. Sie können auch Keime übertragen. Sie können sich auch ins Gebäude fressen. In Isolierplatten bauen die Nester hinein.

Wie viel kostet eigentlich so ein Einsatz der Firma Puschmann?
150 Euro für die Analyse. Wir schauen aber auch kostenfrei über unsere Handynummer per Whatsapp auf Fotos, die uns jemand schickt. Vorausgesetzt sie oder er ist aus München. Sonst ufert das aus. Bettwanzenbekämpfung fängt bei 350 Euro an.

Was sagt eigentlich Ihre Partnerin zu Ihrem Job?
Tatsächlich gut, solange es nicht um Maden geht. Sie findet es spannend, ist selbst Programmiererin. Das ist natürlich nicht immer so. In jungen Jahren hatte ich zwei Vogelspinnen. Und meine damalige Freundin kam nicht so gut klar. Sie bestand darauf, dass ich meine Hände wasche, bevor ich zu ihr komme. Und zu mir kam sie nie.

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  • Witwe Bolte am 18.02.2025 09:39 Uhr / Bewertung:

    "Danke" für den Grusel-Artikel. Albträume sind ab jetzt garantiert. 😱

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