Riesenbaustelle Zweite Stammstrecke in München: Der Deutschen Bahn droht jetzt eine Mega-Strafe
München - Zeit und Kosten – beides läuft beim Bau der Zweiten Stammstrecke davon. Das ist spätestens seit 2022 klar, als öffentlich wurde, dass sich die Fertigstellung vom ursprünglich angedachten Termin im Jahr 2028 auf 2035 (oder sogar bis 2037) verschiebt und dass sich die Kosten auf sieben Milliarden Euro fast verdoppeln.
Zweite Stammstrecke in München: Das droht der Deutschen Bahn bei weiteren Verzögerungen
Was passiert, wenn es noch teurer wird und noch länger dauert? Das haben der Freistaat, die Deutsche Bahn und das Münchner Rathaus nun neu geregelt. Wie Greenpeace erfahren hat und wie eine weitere Quelle der AZ bestätigt, akzeptiert die Bahn einen "Verspätungszuschlag". Wenn die Bahn nicht bis zum 1.1.2038 fertig wird, muss sie 75 Millionen Strafe zahlen.
Die Bahn will sich auf eine AZ-Anfrage hin nicht konkret zu dem Vertrag äußern. Sie verrät nur, dass neben der Projektfinanzierung auch ein "effektives Baucontrolling" seitens des Freistaats gesichert werde.
Ex-Bürgermeister Josef Schmid: "Es sind wesentliche Verbesserungen erreicht worden"
Greenpeace lehnt den Bau der Stammstrecke ab, weil sie zu viele Gelder binde und der Bau eines Tunnels noch dazu klimaschädlich sei. Stattdessen sollte sich die Bahn nach Ansicht der Umweltschützer lieber auf die Elektrifizierung und den Netzausbau in der Fläche konzentrieren. Nicht zur Debatte steht der Bau der Zweiten Stammstrecke hingegen für die CSU. Der Landtagsabgeordnete und ehemalige Münchner Bürgermeister Josef Schmid (CSU) hat in einem Arbeitskreis das neue Vertragswerk mit verhandelt.
Für ihn ist er ein Erfolg, es seien wesentliche Verbesserungen erreicht worden. Er bezeichnet es als "historisch", dass die Bahn ihren Vertrag überhaupt anpasste. Das habe es noch nie gegeben, sagt Schmid. "Wir haben ein Stück weit Vorsorge getragen, dass es zu keinen weiteren Verzögerungen und Teuerungen kommt." Schließlich hat der Freistaat die Möglichkeit bekommen, die Baustelle mehr zu überwachen und erhält regelmäßige Berichte.
Auch die Stadt München muss sich am Bau der Stammstrecke beteiligen. 2012 hat die Stadt zugestimmt, dass sie rund 113,7 Millionen aus einem Flughafendarlehen für die neue Röhre ausgibt. Nicht eingeplant war damals, dass auch ein neuer U-Bahnhof am Hauptbahnhof gebaut werden sollen – nämlich für die neue Linie U9. Diese soll Sendling und Schwabing miteinander verbinden und die Stammstrecke entlasten.
Zweite Stammstrecke: München muss sich nicht an künftigen Kostensteigerungen beteiligen
Der Vorhaltebaukörper für den späteren U-Bahnhalt am Hauptbahnhof muss jetzt gebaut werden. Diesen Baukörper in das Projekt zu integrieren, löste jedoch weitere Kosten aus. Auch diese Finanzierung haben Bahn, Freistaat und die Stadt München nun neu geregelt. Wie aus einer nicht-öffentlichen Sitzungsunterlage hervor geht, muss die Stadt nachträglich an den Freistaat 50 Millionen Euro dafür zahlen, die U9 in die Planungen einzupassen.
Außerdem muss sich die Stadt an Kosten beteiligen, nicht konkret dem Vorhaltebauwerk oder der Stammstrecke zugerechnet werden können, weil sie am Ende beiden Maßnahmen nutzen. Dieser Betrag ist auf 77 Millionen gedeckelt. Ein Stadtrat, der allerdings nicht zitiert werden will, sieht es als Erfolg, dass die Stadt Pauschalen heraushandelte. Es stand nämlich auch im Raum, dass sich die Stadt an zukünftigen Kostensteigerungen beteiligen muss.
Bahn wird wohl versuchen, viele Millionen bei der Stadt München einzuklagen
Den Vorhaltebahnhof muss die Stadt allerdings selbst zahlen. Mit rund 300 Millionen Euro wird bisher gerechnet. Einen Kostendeckel gibt es hier nicht. Außerdem erhebt die Bahn weitere Forderungen: Weil durch den U-Bahnhof in Zukunft weniger Verkaufsfläche zur Verfügung steht, fordert die Bahn 100 Millionen Euro Entschädigung für den Mietausfall.
So geht es aus der nicht-öffentlichen Sitzungsunterlage hervor. Die Stadt geht davon aus, dass die Bahn versuchen wird, die Summe einzuklagen. Nach einer rechtlichen Prüfung rechnet die Stadt aber mit einem Erfolg, sollte es zu einem Verfahren kommen. Der Stadtrat hat in einer nicht-öffentlichen Ausschusssitzung dem Vertrag zugestimmt. Auch ein Vertreter der Opposition zeigte sich zufrieden. In der Vollversammlung muss der Stadtrat der Entscheidung noch zustimmen.