Rentnergang: Haft in Stadelheim hat ihn krank gemacht

Die „unrechtmäßige U-Haft“ in Stadelheim habe seinen Gesundheitszustand weiter verschlechtert, sagt Gerhard Fleischner (73). Er beteuert seine Unschuld und verlangt 200 000 Euro vom Freistaat.
John Schneider |
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Im Justizpalast: Gerhard Fleischner (l.) bekommt Unterstützung von Justizopfer Gustl Mollath.
Im Justizpalast: Gerhard Fleischner (l.) bekommt Unterstützung von Justizopfer Gustl Mollath.

München Als Gerhard Fleischner (73) die Geschichte seiner Leiden als Untersuchungshäftling in Stadelheim beendet, brandet Applaus unter den Zuhörern auf. Doch wir sind nicht in einem Theater oder bei einem Spiel des FC Bayern. Sondern im Gerichtssaal 28 des Justizpalastes. Dementsprechend schlecht kommt der Beifall an. Der Richter droht bei weiteren Kundgebungen dieser Art aus dem Zuhörerraum mit Ordnungsgeld. Das wirkt. Der Rest der kurzen Verhandlung am Landgericht läuft ohne Störungen ab.

Der Kläger ist einer der fünf Verdächtigen, die im Jahre 2009 einen Anlageberater entführt haben sollen und in den Medien als „Rentnergang“ für Schlagzeilen sorgten (siehe Kasten). Vier von ihnen wurden 2010 rechtskräftig verurteilt – darunter die Ehefrau von Fleischner. Das Verfahren gegen Gerhard Fleischner selbst wurde eingestellt. Weil der Mann weder verhandlungs- noch haftfähig war. Trotzdem hatte er zuvor fast acht Monate in Stadelheim in U-Haft gesessen.

Dafür will Fleischner jetzt Geld sehen. Er macht Schadenersatz – und Schmerzensgeldansprüche in einer Größenordnung von 200 000 Euro gegenüber dem Freistaat geltend. Wegen behaupteten unrechtmäßigen Vollzugs der Untersuchungshaft trotz bestehender Haftunfähigkeit. Und der gesundheitlichen Folgen. Sein Gesundheitszustand – Fleischner ist Diabetiker und herzkrank – habe sich in der Stadelheimer Haft weiter verschlechtert.

Aber es geht ihm auch um seinen Ruf. Er fühlt sich als Justizopfer. Das habe schon mit dem Ort seiner Verhaftung begonnen. Er wurde rufschädigenderweise direkt vor seiner Arztpraxis in Hausham verhaftet: „Ich bin im Landkreis bekannt, war unter anderem Präsident im Faschingsverein.“

Ich will nicht alt und krank sterben - da brachte sie ihr Ehemann um

Um seinen Ruf zu retten, hat er bereits seine Sicht des Kriminalfalls in Buchform („Die Rentnergang vom Chiemsee“) veröffentlicht. Darin beteuert er seine Unschuld. Beistand bekommt er beim Prozess von anderen Menschen, die sich von der Justiz ungerecht behandelt fühlen. Der vielleicht prominenteste Unterstützer ist Gustl Mollath.

Am Mittwoch sind vor allem die Umstände seiner Inhaftierung das Thema. Fleischner kritisiert, dass er aufgrund seiner Herzinsuffizienz ein „Hochrisikopatient“ war, der niemals hätte eingesperrt werde dürfen. Zum Beleg hat er Aufzeichnungen über seine gesundheitliche Entwicklung und Zeitungsartikel über seine Krankheit mitgebracht.

Die Bedingungen in Stadelheim seien zudem menschenunwürdig gewesen, moniert der Kläger. Er habe sein Zimmer mit fünfen teilen müssen. Sein Insulin musste er bei Dunkelheit spritzen. Ruhe herrschte praktisch nie. Therapieangebote für den kranken Mann? Fehlanzeige, sagt Fleischner.

Wie es ihm denn heute gehen, will der Richter wissen. „Ich stehe hoch unter Medikamenten“, erklärt Gerhard Fleischner. Für sein Herz habe eine helfende Maschine eingebaut werden müssen.

Der Freistaat beruft sich auf Verjährung, bestreitet eine Pflichtverletzung und eine menschenunwürdige Unterbringung. Der Kläger habe an Therapien nicht mitgewirkt. Zudem habe er keine Rechtsmittel eingelegt.

Tatsächlich wird die Kammer unter dem Vorsitz von Frank Tholl zuallererst zu prüfen haben, ob die Ansprüche vielleicht bereits verjährt sind. Seine Entscheidung will das Gericht am 16. März bekanntgeben.

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