"Ein absoluter Skandal": Reaktionen aufs Galeria-Aus am Münchner Hauptbahnhof

München - Unter den 47 Filialen, die Galeria Karstadt Kaufhof schließen wird, befindet sich auch eine in München. Das Warenhaus "München Bahnhof" direkt am Bahnhofsplatz macht dicht – und das schon zum 30. Juli 2023, wie aus der Streichliste des Konzerns hervorgeht.
Nicht nur für die Mitarbeiter und Kunden dürfte die Nachricht der vielen Schließungen überraschend gekommen sein. Auch für Wolfgang Fischer von Citypartner, dem Verband der Innenstadthändler, kam die Kahlschlags-Meldung sehr plötzlich, wie er im Gespräch mit der AZ berichtet. "Wir waren durchaus hoffnungsvoll für die Innenstadt-Standorte", sagt er weiter. "Gerade weil auch aktuell der Umbau des alten Traditionshauses läuft."

Für das Gebäude in bester Innenstadtlage gibt es große Pläne: Während der denkmalgeschützte vordere Teil derzeit kernsaniert wird, ist das Einkaufen im hinteren Teil des Baus derzeit noch möglich. Hier war und ist jedoch ein Neubau mit einer Mischnutzung geplant. "Corbinian" heißt das Großprojekt – bislang war geplant, dass es neben einem Kaufhaus auch Büroflächen und frei zugängliche Flächen geben soll.
Fischer: Es braucht ein "zeitgemäßes Konzept-Update" fürs Warenhaus
Nach dem Kaufhof am Stachus macht nun also auch der Karstadt, der nur wenige Minuten zu Fuß entfernt ist, dicht. Ein Zeichen, dass das Konzept Warenhaus (in München) ausgedient hat? "Nein", sagt der Citypartner-Chef: "Wir sehen trotz der Hiobsbotschaft für das Konzept Warenhaus durchaus eine Zukunft. Auch wenn vielleicht künftig nicht mehr alles unter einem Dach ist." Zukunftspotenziale sieht er vor allem deshalb, weil die Warenhäuser noch immer teilweise Sortimente haben, die es sonst in der Stadt vielleicht gar nicht mehr zu kaufen gibt. Mit einem "zeitgemäßen Konzept-Update" sehe er durchaus Chancen, wie Fischer der AZ erklärt.

Doch eine Chance wird der Karstadt am Bahnhof mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr bekommen. Für die Gewerkschaft Verdi "ein absoluter Skandal", wie Hubert Thiermeyer von Verdi Bayern der AZ sagt.
Die Gewerkschaft möchte die Filiale unbedingt erhalten. "Das Traditionshaus am Bahnhof hat gerade nach dem Umbau eine strahlende Zukunft und wird ein guter Ort für die Münchnerinnen und Münchner, wir müssen nur dafür kämpfen", so Thiermeyer, der René Benko, dessen Immobilienunternehmen Signa das Gebäude gehört, scharf kritisiert. "Benko hat alle Entscheidungen selbst in der Hand. Er will scheinbar leichtes Geld mit einer Luxus-Büro-Immobilie machen, das wollen wir nicht zulassen."

Söder und Aiwanger kritisieren Kaufhof-Kahlschlag
Kritik gab es einen Tag nach Bekanntwerden der Schließungswelle auch von der Bayerischen Staatsregierung. Es bleibe ein "fader Beigeschmack", dass neben den vielen Ankündigungen und Hoffnungen doch die Sicherung der Immobilien das wichtigste Ziel gewesen sei, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Die Übernahme sei seinem Gefühl nach "nicht mit vollem Herzen" betrieben worden.
Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) kritisierte – mit Blick auf Filialen, für die es in der Vergangenheit bereits Hilfen gegeben hatte – dass nicht die richtigen Schritte von der Konzernführung gemacht worden seien. "Es gehören bei einer Hilfsaktion auch zwei Seiten dazu. Nicht nur der Helfende, sondern eben auch der, dem geholfen worden ist. Und das wurde eben zu einem Teil enttäuscht."
ÖDP-Antrag: Geflüchtete in ehemaligen Karstadt unterbringen
Auch im Stadtrat ist die angekündigte Karstadt-Schließung bereits Thema. In einem Antrag der ÖDP/München-Liste wird Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass das Gebäude "nicht zu einem anonymen Bürokomplex verkommt". Als mögliche Nutzungsoptionen nennt die Fraktion neben sozialem Wohnungsbau oder Seniorenwohnen auch die Möglichkeit, Geflüchtete im Gebäude unterkommen zu lasen. Dazu sollen der ansässige Handel und die Gastro einen Teil der Fläche zu möglichst niedrigen Mieten nutzen können.
"Wir müssen verhindern, dass die Innenstadt immer weiter ausstirbt. Darum wollen wir dafür sorgen, dass die Investoren nicht nur ihre eigenen Interessen verfolgen. Sie müssen auch das Wohl der Münchner:innen und die soziale Verantwortung im Blick behalten", sagt Fraktionschef Tobias Ruff.
Was letztendlich ins Gebäude am Bahnhofsplatz 7 kommen wird, ist aktuell noch unklar. Fischer jedenfalls denkt im AZ-Gespräch auch an die Vergangenheit zurück. "Viele nennen es ja immer noch den Hertie", sagt er. "Das Haus gab es seit 1905 und war früher mal das zweitgrößte Warenhaus in Deutschland – nach dem KaDeWe."
Vier Karstadt/Kaufhof-Filialen in München bleiben bestehen
Warum es genau diese Filiale in bester Lage für die Schließung getroffen hat, kann auch Fischer nicht sagen. Die Landeshauptstadt steht jedoch noch halbwegs gut da, wie er erklärt: "Im Gegensatz zu anderen Städten, wo es teilweise nur ein Warenhaus gibt, muss man für München sagen, dass es in der Stadt ja noch eine ganze Reihe von anderen Magnethäusern gibt." Galeria Karstadt Kaufhof hat nach der Schließung noch vier weitere Filialen in München: am Marienplatz, im Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) und in den – wie Fischer sagt – "Stadtteilzentren" am Rotkreuzplatz und in Schwabing.
Auch die bisherigen Kunden werden sich nach der Schließung umgewöhnen müssen. Fischer geht davon aus, dass viele von ihnen künftig in der Filiale am Marienplatz einkaufen werden, der ein oder andere wohl auch in den anderen verbleibenden Filialen.
Fischer glaubt nicht mehr wirklich daran, dass die Filiale noch gerettet werden kann. "Die Hoffnung stirbt zuletzt, ein Fünkchen Hoffnung gibt es schon, da drücken wir auch alle die Daumen", sagt er – auch wenn er sich nicht allzu viele Hoffnungen mache...