Radl-Zoff im Rathaus: Das nächste Streitpaket kommt

München - Noch 13 Tage bis zur Kommunalwahl, und wenn sich am Montag die Rathausfraktionen in ihren Sitzungszimmern treffen, wird eins der brisantesten Wahlkampfthemen wohl besonders heiß diskutiert: Die Frage, wie man sich zu den nächsten Straßenumbauplänen positionieren soll, die das Planungsreferat in der Schublade hat, um die Radlbegehren-Forderungen umzusetzen und mehr Platz für Radler zu schaffen, auf Kosten der Autofahrer.
Am Morgen soll den Rathausparteien nämlich (nach langer Geheimhaltung) offiziell die Liste der 40 Straßen vorliegen, die die Stadt noch heuer umgestalten will – mit Angaben zu Autospuren- und Parkplatzstreichungen. Dafür hatte kürzlich auf CSU-Antrag eine Stadtrats-Mehrheit gestimmt, sogar die SPD war letztlich dabei.
In den Unterlagen wird sich außerdem eine detaillierte Beschreibung des zweiten Zehner-Pakets an Straßen (von insgesamt vier Paketen) finden, die der Stadtrat absegnen soll, und bei denen dann in Kürze die Bagger anrücken werden. Dies sind die Mars-, Winzerer- und Ungererstraße, der Stiglmaierplatz, die Rosenheimer-, Martin-Luther-, Loth-, Pilgersheimer-, Gebsattel- und Stadelheimer Straße.
Die AZ, der die Unterlagen schon vorab vorlagen, zeigt hier beispielhaft drei Maßnahmen: die Mars-, Winzerer- und Ungererstraße. Und nach Anfragen am Wochenende in den Fraktionen ist klar, die Debatte wird heiß.
Einspurige Ungererstraße? "Das wäre Wahnsinn"
"Wir werden die Details erst am Montag sehen und jede Maßnahme diskutieren können", erklärt etwa Manuel Pretzl (CSU), "aber wenn die Ungererstraße mit bis zu 30.000 Autos am Tag tatsächlich nur noch einspurig sein soll, wäre das Wahnsinn. Dann ist dort ein Verkehrskollaps programmiert und wir haben Ausweichverkehr, wo wir ihn nicht haben wollen. Die Befürchtungen, die wir hegen, wären dann leider Realität."
Kritisch äußert sich auch Richard Progl (Bayernpartei): "Ich sehe überhaupt keine Notwendigkeit für diese Eingriffe", sagt er. "An der Marsstraße haben wir einen der schönsten Radlwege Münchens im Grünstreifen, an der Rosenheimer sehe ich fast nie Radler, an der Ungerer genauso. Ein Umbau stünde in keinem Verhältnis zu den vielen Autofahrern, die diese Straßen nutzen. Wir werden das ablehnen."
Stadtrat Michael Mattar (FDP) sagt auf Anfrage: "Wir tragen nur mit, was vernünftig ist. An der Lothstraße ist ja Platz, da scheint mir die Umgestaltungsplanung sinnvoll. Aber im Bereich Marsstraße fehlt mir absolut das Gesamtkonzept. Man will ja auch noch an der Nymphenburger Straße Parkflächen streichen und die Blutenburgstraße zur Fahrradstraße machen, das sind ja alles Parallelstraßen. Damit würden wir im Viertel überall den Autoverkehr behindern."
Grüne wollen früher mit Anwohnern sprechen
Die Rathaus-Grünen freuen sich über das "Tempo, das die Verwaltung jetzt bei der Planung vorlegt" – so formuliert es ihre OB-Kandidatin Katrin Habenschaden. "Wir wollen aber darauf achten, dass diesmal, anders als bei der Fraunhoferstraße, früher und besser mit Anwohnern und Gewerbetreibenden über Parkplätze und Lieferzonen gesprochen wird."
Die SPD will die "Maßnahmen selbstverständlich umsetzen", sagt ihr Verkehrssprecher Jens Röver, "der Stadtrat hat die Forderungen zum Radentscheid ja mit sehr großer Mehrheit übernommen. Uns ist aber vor allem wichtig, dass der ÖPNV dabei nicht ausgebremst wird."
Wie die Debatte ausgeht, wird der Mittwoch zeigen. Dann sollen die Pläne in den Stadtrat.
Marsstraße: Zwei Autospuren sollen für Radler weg

Rund 19.000 Autos fahren innerhalb von 24 Stunden auf der Marsstraße zwischen Pappenheim- und Arnulfstraße, hat die Stadt gezählt. Eine für Autofahrer in beiden Richtungen zweispurige Strecke, auf der man zügig Richtung Innenstadt und auch wieder heraus Richtung Mittlerer Ring fahren kann – wenn nicht gerade Baustelle oder Berufsverkehr ist.
Das Radlaufkommen ist daneben überschaubar: Nur an die 500 Radler werden innerhalb acht Stunden gesichtet. Vielleicht auch deshalb, weil es sich weiter westlich auf der Marsstraße (zumal in der aktuellen Baustellenphase) nicht eben schön oder sicher radelt. Abschnittsweise, so steht es im Radl-"Steckbrief" des Planungsreferats, sind die Radwege nicht Straßenverkehrsordnungs-konform oder nur schmal auf dem Gehweg abmarkiert.
Der Vorschlag der Stadtplaner:

Von den zwei Autospuren pro Fahrtrichtung soll jeweils eine (die jeweils rechte) abgeschafft werden. Stattdessen soll dorthin jeweils ein breiter Radlweg hinverlegt werden, optisch von der Autospur abgetrennt.
Damit fallen die Radspuren auf dem Gehweg weg – der Platz im Grünstreifen wird entsprechend breiter für die Fußgänger. Diskussionen verursachen dürfte der Vorschlag, den sogenannten "freilaufenden Rechtsabbieger" für Autos in die Arnulfstraße hinein "nach Möglichkeit" zurückzubauen und die Autos stattdessen normal an einer Ampel abbiegen zu lassen.
Winzererstraße: ohne Schrägparker

Rund 100 Parkplätze und je eine Auto- (Bus-)spur pro Richtung bietet der 400 Meter lange Abschnitt der Winzererstraße zwischen Loth- und Schwere-Reiter-Straße (ein Abschnitt des "Inneren Radlrings"). 4.200 Autos fahren hier in 24 Stunden durch, Radler werden nur wenige gesichtet (400 pro acht Stunden), die einen treten auf einem schmalen Streifen zwischen Parkplätzen und fahrenden Autos in die Pedale, in Gegenrichtung auf dem Gehsteig – nicht alles "richtlinienkonform", wie es in der Beschreibung heißt.
Der Vorschlag der Stadtplaner:

Den bestehenden Radlstreifen auf der Straße verbreitern. In Gegenrichtung die Schrägparker abschaffen oder in Längsparkplätze umwandeln. Und dort einen neuen Radweg auf der Straße schaffen.
Ungererstraße: zwei- statt vierspurig

Noch jeweils zweispurig brausen 19.000 bis 30.000 Autos auf der Ungererstraße stadtaus- und einwärts. Busse fahren auch. Praktisch für Autofahrer: Auf den drei Kilometern zwischen Münchner Freiheit und Frankfurter Ring gibt es beidseitig 450 Parkplätze.
Geradelt wird hier deutlich mehr als auf der Marsstraße, die Stadt zählt 2.000 Radler in acht Stunden. Die Radwege auf den Gehsteigen seien zwar baulich abgetrennt, aber zu schmal und "nicht richtlinienkonform", schreiben die Planer. Dabei zählt die Strecke, die zur Allianz Arena führt, zu den Hauptfahrradrouten.
Der Vorschlag der Stadtplaner:

Von zwei auf eine Autospur pro Richtung reduzieren, eventuell den Fahrbahnteiler entfernen. Die Parkplätze auf die wegfallende Fahrspur verlegen und die Radwege schön breit auf die Parkplatzspur legen. Damit bekämen auch die Fußgänger viel Platz.
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