"Purer Autohass": Autoclub klagt gegen Pop-up-Radwege

"Mobil in Deutschland" will sich gegen die Pop-up-Bikelanes wehren - und notfalls vor Gericht ziehen. Die Grünen erschreckt das nicht. Sie kündigen an, den Radlern mehr Platz zu geben.
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Ein Pop-up-Radweg im Sommer 2020 auf der Zweibrückenstraße. (Archivbild)
Ein Pop-up-Radweg im Sommer 2020 auf der Zweibrückenstraße. (Archivbild) © imago images/STL

München - München spaltet sich immer weiter in zwei Lager. Diejenigen, die am liebsten auf jeden Parkplatz einen Baum pflanzen würden. Und diejenigen, die in dem Slogan "freie Fahrt für freie Bürger" ein Grundrecht sehen - das es zu verteidigen gilt.

Die Pop-up-Radwege sollen dauerhaft zurückkommen

Michael Haberland gehört eindeutig zur letzteren Kategorie. Er ist der Vorsitzende des Autoclubs "Mobil in Deutschland" und hat angekündigt, sich gegen die Radverkehrspläne der Stadt zu wehren. Zur Not wolle er sogar vor Gericht ziehen. Denn er findet: Den Autofahrern werde zu viel Platz weggenommen. "Das, was die Stadt gerade betreibt, ist purer Autohass", sagt Haberland.

Konkret ärgert sich Haberland über die Pläne der Stadt, dass die Pop-up-Radwege dauerhaft zurückkommen sollen. Im vergangenen Jahr hatte die Stadt auf fünf Straßen mit gelber Farbe temporäre Radwege markiert. Im Herbst baute die Stadt alle wieder ab. Inzwischen steht jedoch fest, dass sie zurückkommen sollen. Zwar entscheidet das Mobilitätsreferat darüber erst in seiner Sitzung Mitte März.

Wird den Autofahrern zu viel Platz weggenommen?

Doch Grüne und SPD sind sich einig, dass sie auf der Rosenheimer Straße, der Elisenstraße, der Theresienstraße und der Gabelsbergerstraße dauerhafte Radwege schaffen wollen. Michael Haberland, der mit seinem Verein nach eigenen Angaben fast 10.000 Mitglieder vertritt, will sich gegen diese Pläne wehren.

"Das Rad ist kein Massenverkehrsmittel. Auch, wenn sich das die Grünen noch so sehr wünschen." Den Autofahrern werde durch die neuen Radwege unverhältnismäßig viel Platz genommen, findet Haberland. "Tausende Autofahrer werden in den Stau gezwungen. Während man vielleicht 250 Radler glücklich macht." Das widerspreche seinem Verständnis von Freiheit. Haberland geht davon aus, dass er mit dieser Argumentation auch vor Gericht Erfolg haben könnte und verweist auf Berlin.

Ähnlicher Fall in Berlin

Tatsächlich klagte in der Hauptstadt ein AfD-Abgeordneter gegen die Pop-up-Radwege. Zunächst sah es so aus, als ob er damit Erfolg haben könnte. Doch vor Kurzem entschied ein Gericht in zweiter Instanz, dass die Radwege rechtens sind und bleiben dürfen. Ob München eine Klage fürchtet, will Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) nicht kommentieren. Auf eine Anfrage der AZ verweist er lediglich auf die Stadtratssitzung Mitte März, bei der die Radwege Thema sind.

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"Wer Radwege sät, wird Radfahrer ernten"

Gudrun Lux, eine Grünen-Stadträtin, die sich für Radverkehr einsetzt, findet jedoch klare Worte: "Herr Haberland kann noch so viel klagen und zetern. Wir werden dem Auto Platz wegnehmen." Die Verkehrswende sei ein zentrales Wahlversprechen gewesen - und dem fühle sie sich verpflichtet. "Das erklärte Ziel ist, dass mehr Leute Rad fahren - und der Verkehr folgt dem Angebot. Sprich: Wer Radwege sät, wird Radfahrer ernten." Dass daran etwas dran sein könnte, zeigt eine Verkehrszählung der Stadt: Bevor es die Pop-up-Bike-Lane gab, fuhren in der Elisenstraße 1.800 Radler täglich. Danach waren es mit 3.500 mehr als doppelt so viele. Das gilt auch für die Theresienstraße, wo früher nur 900 Radler am Tag unterwegs waren. Und später 2.000.

"Wir werden in der ganzen Stadt noch deutlich mehr Radwege schaffen", sagt Lux. Denn die Stadt arbeite auch daran, den Radentscheid umzusetzen. 160.000 Münchner hatten in einem Bürgerbegehren dafür unterschrieben, dass das Radnetz ausgebaut und dass die Wege breiter und sicherer werden sollen. Und dazu, meint Lux, hat sich sogar die CSU bekannt.

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  • Radl Rainer am 01.03.2021 10:58 Uhr / Bewertung:

    Ich lebe seit 2000 in der Stadt und die Anzahl an aggressiven und zumindest zeitweise unzurechnungsfähigen Autofahrer hat sich vermutlich verzehnfacht.

    Alle Agressionen, Frust und Selbsthass scheint sich aufs Pedal auszuwirken, die Autofabrik, die wie ein Krebsgeschwür expandiert, tut ihre Sache dazu.

    Wer München noch immer für eine schöne, moderne Stadt hält, war lange nicht mehr in Wien, Zürich, Amsterdam, Kopenhagen, New York City.

    Absolut lächerlich wofür hier Leute ihre Autos verwenden, wenn ich in 10 Minuten mit dem Rad durch die gesamte Innenstadt fahren kann.

  • Mobilitätsfreund am 01.03.2021 09:43 Uhr / Bewertung:

    Die Schweiz und Österreich sind da schon weiter und dürfen über die sozialisierten Kosten des Kfz-Verkehrs sprechen und jetzt handeln: Die Rückführung der sozialisierten Kosten an den Kostenverursacher Kfz-Verkehr.
    In Deutschland verweigern sich CDUcsuFDPFW sich diesen Zahlen.

    Schweiz:
    "(...) Demzufolge gab etwa die Stadt Genf dreimal mehr Geld für den Autoverkehr aus, als sie durch Steuern und Gebühren von den
    AutofahrerInnen einnahm; eine vierköpfige Genfer Familie subventionierte den Autoverkehr – allein auf kommunaler Ebene und ohne Berücksichtigung der Umweltkosten – mit über 800 Franken pro Jahr. Die Klage der Autolobby, ihre Schützlinge würden vom Staat
    gemolken, ist auch schon mehr als ein halbes Jahrhundert alt. Sie ist derart falsch, dass man sich wundert, dass sie in öffentlichen Diskussionen immer noch aufkommt. (...).
    Quelle: Static, Wochenzeitung, Schweiz

  • Bob2 am 01.03.2021 17:21 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Mobilitätsfreund

    Jedes Mal das gleiche Märchen? Falls es Ihnen nicht aufgefallen ist Automobilindustrie ist unser Kerngeschäft.

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