Prozess in München: Schuss eines Polizisten trifft Frau in den Bauch
München - Wenn sie die dramatischen Ereignisse noch einmal schildern muss, kommen Hanna F. (51, Name geändert) noch immer die Tränen.
Die Frau war am 23. September 2020 bei einem Einsatz der Polizei, der aus dem Ruder lief, von einem Polizisten in den Bauch geschossen worden. Sie soll ihn und seine Kollegen mit dem Messer bedroht haben. Eine überzogene Reaktion, man hätte sie anders überwältigen können, findet Hanna F. – und hat den Freistaat verklagt. Jetzt wurde ihr Fall am Landgericht verhandelt.
Psychischer Ausnahmezustand: Ärztliche Behandlung eskaliert
Nach Polizeiangaben hatte der Ehemann der 51-Jährigen in der Nacht den ärztlichen Bereitschaftsdienst aufgrund eines psychischen Ausnahmezustandes seiner Frau zu ihrer Wohnung im Münchner Süden angefordert. Der kam auch bald.
Doch irgendetwas lief bei der Behandlung schief. Der Arzt wollte der Frau ein Beruhigungsmittel geben. Doch die wehrte sich dagegen. Der Mediziner habe sie nicht einmal nach möglichen Allergien gefragt, keine Anamnese bei ihr gemacht, wollte ihr aber trotzdem eine Spritze geben, begründet Hanna F. jetzt ihre Weigerung von damals.
Sie habe dann den Arzt mit einem Messer aus der Wohnung vertrieben. Der Mediziner alarmierte die Polizei. Dem Ehemann war es inzwischen gelungen, seine Frau zu beruhigen. Vor Gericht erklärt die Klägerin, dass sie auch selber die Polizei alarmiert habe.
Polizist feuert Schuss auf Frau ab
Doch als die Polizei mit sechs Beamten anrückte, eskalierte die Situation. Die Frau soll erneut zu einem Messer gegriffen haben und auf die Polizisten zugegangen sein. Die wichen in dem engen Flur der Wohnung zurück, zwei hätten dann ihre Dienstwaffe gezogen. Strittig ist in dem Verfahren unter anderem, ob die Frau vor dem Schuss noch von den Beamten aufgefordert wurde, das Messer wegzulegen, man sonst von der Schusswaffe Gebrauch machen werde.
Ein Polizeibeamter gab in der Situation einen Schuss ab, der die Klägerin aus kurzer Distanz im Bauch traf und schwer verletzte. Eine Woche lag die Frau im Koma. Vor Gericht berichtet Hanna F., dass das Projektil immer noch in einem Knochen stecke. Und da wohl bleiben müsse, weil eine Operation an der Stelle zu riskant sei.
Sie habe unter anderem eine Niere verloren und sei auch psychisch noch sehr angeschlagen. Von dem Geschehen hatte sie anfangs keine Erinnerung. Die sei erst bei einer Therapie wieder hochgekommen.
Klägerin fordert 300.000 Euro Schmerzensgeld
Der Schuss sei nicht erforderlich gewesen, argumentiert die Klägerin, außerdem hätte zunächst ein Warnschuss abgegeben werden müssen.
Hanna F. macht Schmerzensgeldansprüche in Höhe von mindestens 300.000 Euro geltend. Ihr soll es auch darauf ankommen, dass der Freistaat nicht ungeschoren davonkomme, sondern ein Schuldeingeständnis abgebe. Ein Vergleich kam bei der Verhandlung nicht zustande. Das Verfahren wird fortgesetzt.