Prozess in München: Angeklagter bewirft Richter mit Akten

Der Mann steht wegen schwerer Stalking-Vorwürfe vor Gericht. Dort kommt es unvermittelt zum Eklat: Er wirft einen Aktenordner auf den Vorsitzenden – und trifft. Die Reaktion fällt bemerkenswert aus.
John Schneider |
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Er bleibt trotz allem gelassen: Richter Gilbert Wolf (linkes Bild). Nach der Ordner-Attacke: Verteidigerin Annette von Stetten und Peter R. (48) in der Verhandlungspause.
Er bleibt trotz allem gelassen: Richter Gilbert Wolf (linkes Bild). Nach der Ordner-Attacke: Verteidigerin Annette von Stetten und Peter R. (48) in der Verhandlungspause. © jot

München - Seine Wut musste sich wohl irgendwie Luft machen. Dass Peter R. (Name geändert) verbal gerne und kräftig und meist unter der Gürtellinie austeilt, war bekannt. Doch bei der Verhandlung am Dienstag geht der 48-Jährige noch weiter. Viel zu weit. Nach einer wüsten Schimpftirade gegen einen Zeugen, der ihm nicht passt, nimmt der schizophrene Mann einen Aktenordner und wirft diesen gezielt auf den Vorsitzenden Richter der Strafkammer; er trifft ihn am Körper.

Gilbert Wolf bleibt gelassen. Die überaus ruhige Antwort des Zwei-Meter-Juristen auf den Angriff: „Wollen Sie den Ordner zurück?“

Aber Peter R., der auch seine Verteidigerin Annette von Stetten mit unflätigen Beschimpfungen überzieht, will in diesem Moment nur noch eins: Zurück in die Verwahrkammer des Justizzentrums, raus aus diesem Prozess. Bei der Fortsetzung der Verhandlung nach einer kurzen Pause bleibt sein Platz auf der Anklagebank leer.

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Massives Stalking

Vorgeworfen wird dem 48-Jährigen, dass er eine ehemalige Jugendfreundin über Jahre massiv gestalkt habe. Die Frau (47) bricht im Zeugenstand in Tränen aus, als sie von den Nachstellungen berichten soll. Laut Anklage musste sich die 47-Jährige in Behandlung begeben und Psychopharmaka einnehmen. Sie habe sich von Peter R. bedroht gefühlt und sogar Selbstmordgedanken gehegt.

Wie es dazu kam: Die beiden hatten sich laut Anklage vor etwa 30 Jahren kennengelernt und angefreundet. Die Freundschaft endete 1992, weil Peter R. mehr wollte, sein Opfer aber nicht.

Was dann folgte, muss die Hölle gewesen sein, wenn die Vorwürfe der Ermittler stimmen: Peter R. soll in der Nacht bei ihr angerufen, ihr nachts aufgelauert, Tür und Fahrradschlösser mit Kleber verklebt und das Haus ihrer Eltern beschmiert haben.

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Nach einer Ruhephase flammte sein Interesse 2003 erneut auf. Die Frau erwirkte ein Kontaktverbot – gegen das er mehrmals verstieß. 2014 dann die jüngste Eskalation: Damals wurden nun nicht nur die Frau, sondern auch sein Betreuer und dessen Anwaltskollegen wüst beschimpft.

Peter R. bestreitet das. Im Gegenteil, die Aussagen der Zeugen machen den psychisch kranken Mann zunehmend wütend. Bis es nach zwei Stunden Verhandlung zum Eklat und dem Ordner-Wurf kommt.

Der Prozess wird bis November ausgesetzt. Bis dahin soll ein Gutachten über den gesundheitlichen Zustand des Opfers erstellt werden. Dass sich Peter R. bis dahin wieder beruhigt, ist nicht gesichert.

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