Polizei nennt Zahlen: Festgeklebte Klima-Aktivisten müssen bis zu 1.500 Euro Gebühr zahlen

Jörg Alt hat sich bei einer Klima-Aktion am Stachus auf den Asphalt geklebt. Nun soll er sich am Polizeieinsatz beteiligen – das findet er unverhältnismäßig.
von  Michael Schleicher
Jesuitenpater Jörg Alt bei seinem Klebe-Protest am Stachus im vergangenen Oktober.
Jesuitenpater Jörg Alt bei seinem Klebe-Protest am Stachus im vergangenen Oktober. © imago/aal.photo

München - Für einen Jesuitenpater und Klimaschützer aus Nürnberg hat seine Beteiligung an einer Klima-Aktion in München nun Folgen: "250 Euro möchte die Polizei München für drei Minuten Aufwand, um mich von der Straße zu lösen. Whow. Der Stundensatz ist höher als der meiner Rechtsanwaltskanzlei", schrieb Jörg Alt vergangene Woche auf seinem Twitter-Kanal.

Protestaktion in München: Verkehr am Stachus blockiert

Am 28. Oktober vergangenen Jahres hatte der 61-Jährige an einer Protestaktion der Gruppe "Scientist Rebellion" in München teilgenommen. Mehr als zehn Personen hatten den Verkehr am Stachus blockiert, zwei klebten sich mit einer Hand auf der Straße fest – einer von ihnen war Jörg Alt.

Nachdem die Polizei ihn von der Straße gelöst hatte, wurde Alt von Beamten weggetragen.
Nachdem die Polizei ihn von der Straße gelöst hatte, wurde Alt von Beamten weggetragen. © imago/aal.photo

Anfang Februar bekam Alt einen Brief des Münchner Polizeipräsidiums. Darin wurde er aufgefordert, schriftlich Stellung zu nehmen, dass man ihm 250 Euro in Rechnung stellen wolle, so Alt zur AZ. Bei der Summe handelte es sich nicht um die Strafe für die Aktion an sich – sondern um eine Art Aufwandsentschädigung für den Polizeieinsatz. Die eigentliche Strafe – es geht um 40 Tagessätze – soll demnächst vor Gericht verhandelt werden.

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In dem Schreiben ist festgehalten, dass Alt zwischen 13.29 Uhr und 13.32 Uhr von der Straße gelöst wurde. Als der Brief eintraf, war der 61-Jährige nicht in Nürnberg, die Frist für eine Stellungnahme lief Mitte Februar ab. Alt kritisiert: "Wäre aus dem Umschlag hervorgegangen, dass eine Terminsache enthalten ist, hätten mein Mitbewohner ihn geöffnet und nachgeschaut."

Müssen nun alle Klimaaktivisten solch eine Gebühr bezahlen? Und immer pauschal 250 Euro? Die AZ hat bei der Münchner Polizei nachgefragt.

Das entscheidende Kriterium ist die Anwendung des unmittelbaren Zwangs, teilt ein Polizeisprecher mit. "Das Polizeipräsidium München ist dazu verpflichtet, von allen Aktivisten Kosten zu erheben, sollte die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen sie erforderlich gewesen sein."

Polizei: Gebühr zwischen 36 und 1.500 Euro möglich

"Unmittelbaren Zwang" kann die Polizei anwenden, "wenn andere Zwangsmittel nicht in Betracht kommen oder keinen Erfolg versprechen oder unzweckmäßig sind", heißt es im Bayerischen Polizeiaufgabengesetz (Artikel 75). Die Gebühr dabei betrage nicht immer 250 Euro, sondern richte sich individuell nach dem Aufwand. Rechtliche Grundlage ist die Polizeikostenverordnung (§ 1 Nr. 8 PolKV). Diese sieht bei unmittelbarem Zwang zwischen 36 Euro bis 1.500 Euro vor. "Die geforderte Gebühr in Höhe von 250 Euro liegt deutlich im unteren Viertel des gesetzlichen Rahmens", so der Polizeisprecher. 

Je höher der Aufwand, desto höher falle die Gebühr aus. "Dies umfasst sowohl den konkreten Arbeitsaufwand des Lösens von der Fahrbahn als auch den globalen Aufwand für die entsprechenden Sicherungsmaßnahmen vor Ort, die Bereitstellung von Lösungsmitteln und besonders geschultem Personal", so der Polizeisprecher.

"Bis zum heutigen Tage wurden in diesem Zusammenhang 13 Leistungsbescheide durch das Polizeipräsidium München zugestellt", sagte der Sprecher in dieser Woche. Die Gesamtsumme beläuft sich seinen Angaben zufolge auf 3.250 Euro. Zehn weitere Verfahren mit einer Gesamtsumme von 2.750 Euro befänden sich "in der Anhörungsphase".

Finanzamt leitet Vollstreckungsmaßnahmen ein

In Bayern ist das Finanzamt dafür zuständig, die entsprechenden Vollstreckungsmaßnahmen einzuleiten, die Polizei selbst ist dabei nicht mehr involviert. "Sobald dem zuständigen Finanzamt ein Vollstreckungsersuchen der Zentralen Bußgeldstelle zugeht, wird das Vollstreckungsverfahren eingeleitet und es werden geeignete Vollstreckungsmaßnahmen zur Einziehung der rückständigen Forderungen ergriffen", teilte eine Sprecherin des Finanzamts der AZ mit. Besagte Maßnahmen könnten demnach eine Forderungspfändung oder auch der Einsatz des Vollziehungsbeamten sein.

Alt fragte sich, ob die Polizei bei Großereignissen ebenfalls eine Beteiligung an den Einsatzkosten erhebt – wie zum Beispiel bei Fußballspielen, der Wiesn oder der IAA.

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Die Polizei antwortete ihm auf Twitter – und nennt abermals die Anwendung von unmittelbarem Zwang als entscheidend: "Grundsätzlich sind die Einsätze der bayerischen Polizei kostenfrei. Es gibt Ausnahmen, die abschließend gesetzlich geregelt sind (z. B. Fehlalarm). Bei Anwendung von unmittelbarem Zwang gegen Einzelpersonen ist eine Kostenerhebung gesetzlich vorgeschrieben."

Alt: "Meine Bereitschaft zu bezahlen, ist aktuell eher niedrig"

Wie es im Fall von Jörg Alt nun weitergeht, ist noch unklar. "Ob die Polizei nach der ganzen Twitter-Diskussion jetzt einen Kostenbescheid erlässt, wird man sehen müssen", sagte er zur AZ. "Angesichts der Ungleichbehandlung und Unverhältnismäßigkeit meiner Sache im Vergleich zu Randalierern oder Großveranstaltungen bin ich etwas verärgert." Seine Bereitschaft, die 250 Euro zu zahlen, ist "aktuell eher niedrig". Gegen die eigentliche Strafe, den Strafbefehl à 40 Tagessätze, hat er auch Widerspruch eingelegt.

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