Politisch wie lange nicht: So lief der CSD-Samstag in München

Der CSD stand in diesem Jahr ganz unter dem Motto "Queerer Aktionsplan Bayern jetzt!" und war so politisch wie schon lange nicht mehr.
Ruth Frömmer
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Laut Veranstalter waren rund 180 Gruppen zu dem bunten Umzug beim CSD angemeldet.
Laut Veranstalter waren rund 180 Gruppen zu dem bunten Umzug beim CSD angemeldet. © Uwe Lein/dpa

München - Der Christopher Street Day steht für queere Politik und vor allem für friedliche, bunte Ausgelassenheit auf den Straßen. Das ganze Jahr über freut sich die LGBTIQ*-Gemeinschaft immer darauf. In diesem Jahr waren sowohl die Verantwortlichen des CSD als auch die Polizei in München im Vorfeld etwas angespannt. "Aber wir sind gut vorbereitet", sagt Polizist Jochen Geißer der AZ.

Er begleitet den CSD schon seit Jahren. Aber in diesem Jahr war zu erwarten, dass es ein bisserl voller wird. Zum einen hatten sich über 180 Gruppen für die große Polit-Parade angemeldet (2022 waren es rund 140). Deshalb war zu erwarten, dass auch auf den Straßen mehr Besucher als sonst auf den Straßen feiern. Zum anderen habe die Debatte um eine Drag-Lesung in der Stadtbibliothek gezeigt, "dass sich die Gesellschaft wieder mehr aufzuspalten scheint", so CSD-Sprecher Conrad Breyer.

CSD-Parade in München: Mehr als eine halbe Million Personen unterwegs

Um kurz nach zwölf startet die große Parade dann vom Mariahilfplatz aus über die Reichenbachbrücke zum Gärtnerplatz und über die Müller- und die Frauenstraße – wegen der Baustelle am Sendlinger Tor dieses Mal in einer leicht veränderten Route – Richtung Maximilianstraße.

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Insgesamt 60.000 Teilnehmende und 460.000 Besucher waren laut Polizei am Samstag auf den Straßen unterwegs. Um die vielen Menschen etwas zu verteilen gab es neben der Hauptbühne am Marienplatz und den vielen bunten Ständen in der Fußgängerzone erstmals auch eine Feierzone am Odeonsplatz und vor der Oper, und nicht wie sonst am Rindermarkt.

München: Vor allem viele Jugendliche feiern am Pride-Samstag

Angeführt wurde der Zug wie jedes Jahr von OB Dieter Reiter (SPD), dieses Mal begleitet von Andreas Forsthuber von der Koordinierungsstelle LGBTIQ*, Brini Olsen von United Queens of Munich, der Zweiten Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) und Heinz Bänziger, der stellvertretend für seinen Ehemann Thomas Niederbühl (Rosa Liste) mitmarschierte, und dem Rathaus Protokollchef Tobias Wenger.

CSD-Parade 2023

Am Straßenrand winkten ihnen Tausende zu, tanzten zur Musik, die aus den Trucks schallte, und waren bester Laune. Auch viele Familien mit ihren Kindern waren unterwegs und vor allem: viele, viele Jugendliche. Die tummelten sich auch in der Fußgängerzone und besuchten die Stände von Parteien, Unternehmen und queeren Vereinen, stellten Fragen oder nahmen sich Aufkleber und Sticker mit.

Am CSU-Stand begrüßten Susanne Hornberger, Manuel Pretzl und Clemens Baumgärtner die Menschen und verteilten fröhlich Kondome, Prosecco und Gummibärchen. Und das, obwohl der CSD der Partei in diesem Jahr wegen der Haltung ihrer zur Drag-Debatte verwehrte, mit einem Truck auf der Politparade mitzufahren.

Von links: Clemens Baumgärtner, Kristina Frank und Manuel Pretzl
Von links: Clemens Baumgärtner, Kristina Frank und Manuel Pretzl © CSU

Einige Besucher waren überrascht, dass die CSU beim CSD vertreten ist

Aber das war am Samstag Schnee von gestern am CSU-Stand. "Die Stimmung hier ist hervorragend, wir haben schon tolle Gespräche geführt", sagt Susanne Hornberger, Direktkandidatin für den Bayerischen Landtag, der AZ. Während Stadtrat Manuel Pretzl überprüft, ob das Mädchen, das gerade einen Prosecco verlangt, auch schon 16 Jahre alt ist, erzählt Hornberger, dass einige Besucher durchaus überrascht waren, dass die CSU überhaupt auf dem CSD vertreten sei. "Aber das ist eine Selbstverständlichkeit", so Hornberger weiter, "die CSU steht schließlich das christliche 'Leben und Leben lassen', für Liberalitas Bavariae."

Dieter Reiter muss CSD-Rede aus Termingründen absagen

Am Stand der Rosa Liste ist es etwas ruhiger. "Aber all unsere Wahlplakate sind schon weg", erzählt Hannelore Rohrbach. Ihr Parteikollege Andreas Klose ergänzt: "Mir ist aufgefallen, dass extrem viele junge Leute zu uns kommen. Das Interesse ist groß, und das nicht nur bei queeren Jugendlichen."

Die diesjährige CSD-Parade steht unter dem Motto "Queerer Aktionsplan Bayern jetzt!"
Die diesjährige CSD-Parade steht unter dem Motto "Queerer Aktionsplan Bayern jetzt!" © Bernd Wackerbauer

Ein paar Meter weiter steht die SPD mit ihrem Stand. "Bei uns wird nicht viel diskutiert", sagt Barbara Likus. Man möchte die Leute auf die queeren SPD-Kandidaten hinweisen. Manche Jugendliche wollen wissen, welche Rechte die SPD verteidige und dann antworte sie: "Queere Rechte sind ganz normale Menschenrechte, und die verteidigen wir sowieso."

Am Nachmittag hält die inzwischen ziemlich heisere Katrin Habenschaden schließlich die Eröffnungsrede des Pride-Wochenendes – stellvertretend für Dieter Reiter, der aus Termingründen absagen musste.

Ricarda Lang und Kevin Kühnert als Überraschungsgäste beim CSD

Habenschaden begrüßt die vielen Menschen herzlich, spricht aber auch kritische Punkte an. Sie mache sich Sorgen, so die Grünen-Politikerin. Vor ein paar Tagen hatten Unbekannte eine Bar im Glockenbachviertel mit homophonen und antisemitischen Parolen beschmiert. Die AfD stellte Drags auf ihren Wahlplakaten als Pädophile dar. "Und warum? Weil sie Kindern Geschichten über Vielfalt vorlesen wollten."

Als Überraschungsgäste forderten in rot-grüner Koalition Ricarda Lang (Grüne) und Kevin Kühnert (SPD) schließlich gemeinsam und lautstark den queeren Aktionsplan, den Bayern als einziges Bundesland noch nicht hat.

Um diesen Aktionsplan ging es auch in einer Diskussionsrunde auf der Community-Bühne in der Kaufinger Straße. Dort stellte sich zunächst CSU-Politikerin Ulrike Scharf den Fragen des Moderators Bernd Müller – und wurde erst einmal ausgebuht..

CSU plant 700.000 für queeren Aktionsplan ein

Zum Thema Selbstbestimmungsgesetz seien noch einige Fragen offen, weicht sie der ersten Frage des Moderators nach ebendiesem aus. "Aber wir haben ein erfolgreiches queeres Netzwerk auf den Weg gebracht", so Scharf. Demnächst werde man einen runden Tisch einführen, auf dem ausführlich über das Thema Aktionsplan gesprochen werden soll.

Aber das Thema Respekt finde sich ohnehin im Grundsatzprogramm der CSU, "und zwar auf Seite 19", wird die Politikerin konkret. "Offen aufeinander zugehen" und "miteinander sprechen" liege der CSU auch am Herzen. "Wir wollen Leben und Leben lassen", so Scharf, "und wir starten mit dem Aktionsplan", verspricht sie. Dafür habe ihre Partei 700.000 Euro Budget eingeplant und zwei Stellen geschaffen.

Ganz so konkret und politisch geht es am Samstag nicht überall zu. An den Ständen wird gefeiert, getanzt und viel umarmt. Alles in allem also doch eine große Demonstration der bunten Vielfalt in unserer Stadt.

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11 Kommentare
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  • glooskugl am 26.06.2023 10:45 Uhr / Bewertung:

    Wäre nur die AZ so politisch wie der CSD ,dann könnten die Leser auch ihren Unmut über den Osten unseres Landes äußern der immer mehr zur Kraftquelle der AfD verkommt.

  • Max Merkel am 26.06.2023 10:40 Uhr / Bewertung:

    Mich hat mehr gefreud was in Sonneberg passiert ist. Die Ganzen Mainstream Hetzereien waren erfolglos. Dementsprechend die Gesichter der Fernsehmoderatoren.

  • 30 in Bayern am 26.06.2023 17:31 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Max Merkel

    Hm, das einzig Schöne, was in Sonneberg am Wochenende passiert, wäre subjektiv wohl, dass die Sonne geschienen hat. Sonst aber ja wohl wirklich nichts.

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