Politik-Professor: Grüne bei Wahl in München erfolgreich - der Grund

Politik-Professor Stefan Wurster erklärt das Erfolgsrezept der Grünen, die Bedeutung des Personals – und wieso es die CSU in Großstädten schwer hat.
von  Interview: Clemens Hagen
Die bayerischen Spitzenkandidaten der Grünen, Ludwig Hartmann und Katharina Schulze, bei der Wahlparty am vergangenen Sonntag in München.
Die bayerischen Spitzenkandidaten der Grünen, Ludwig Hartmann und Katharina Schulze, bei der Wahlparty am vergangenen Sonntag in München. © Sven Hoppe/dpa

München - Stefan Wurster im AZ-Interview: Der 38-jährige Professor für Politologie forscht an der Hochschule für Politik München (HfP) der Technischen Universität München.

AZ: Herr Professor Wurster, München ist bei der Landtagswahl praktisch über Nacht grün geworden. Wie erklären Sie den phänomenalen Erfolg der ehemaligen Öko-Partei?
STEFAN WURSTER: Die Tendenz, dass die Grünen gerade in Großstädten immer stärker werden, gibt es schon länger – vor allem in Baden-Württemberg sind hier Parallelen zu den bayerischen Metropolen zu erkennen. Die Grünen sprechen eine neue Klientel an: kosmopolitisch, gut bis sehr gut gebildet und wirtschaftlich erfolgreich.

Wie schaffen die Grünen das?
Sie konzentrieren sich auf postmaterialistische Werte wie Freiheitsrechte, Liberalisierung der Gesellschaft, Klimaschutz – und nicht zuletzt haben sie sich in der Flüchtlingsfrage klar positioniert. Außerdem ist es ihnen gelungen, bei den Münchner Protesten gegen das Polizeiaufgabengesetz eine wichtige Rolle zu spielen. Diese Proteste waren in ihrer Größe schon außergewöhnlich.

Welche Rolle spielt das Personal? Katharina Schulze und Ludwig Hartmann sind gerade bei den Münchner Wählern offensichtlich hervorragend angekommen.
Das Personal spielt in der Politik natürlich immer eine große Rolle. Entscheidend ist hier die Frage, wie authentisch die Protagonisten sind. Hier muss es eine personelle und programmatische Passung geben. Das ist bei Katharina Schulze und Ludwig Hartmann der Fall. Außerdem sind beide Spitzenkandidaten auch noch selbst in München angetreten.

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"Wohlstand wird in Städten wie München beinahe vorausgesetzt"

Inwieweit beruht der Erfolg der Grünen auch auf dem Versagen der CSU?
Zuerst einmal muss man sagen, dass die Bindekraft der großen Volksparteien immer weiter abnimmt, besonders in den Großstädten mit ihrer heterogenen, ausdifferenzierten Bevölkerungsstruktur. Früher war es so, dass gerade hier die Höhergebildeten und Reicheren konservativ, also meist CSU gewählt haben. Heute, da Wohlstand in Städten wie München fast schon vorausgesetzt wird, ist das anders.

Trifft auch Ministerpräsident Markus Söder persönlich eine Teilschuld an dem schwachen Abschneiden der CSU in München?
Söders Großstadt-Strategie hat offensichtlich nicht gegriffen. Erschwerend kommt hinzu, dass er nicht immer positiv über München gesprochen hat, was sich die Menschen durchaus merken.

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"Die CSU muss sich inhaltlich wie personell anpassen"

Lassen Sie uns spaßeshalber einmal - ganz unwissenschaftlich - in die Zukunft blicken. Was müsste passieren, damit die Grünen in Bayern an die Regierung kommen?
Da ich keine Kristallkugel besitze, ist das tatsächlich schwer. Genauso schwer ist es meiner Meinung nach auch für die Grünen, in Bayern an die Macht zu kommen. Schließlich lagen sie bei der Wahl trotz aller Gewinne immer noch unter 20 Prozent. Da müsste ein spezifisch grünes Thema zum Zeitpunkt der nächsten Wahl schon alles überlagern, völlig dominant sein. Aber ich sehe die Zukunft der Grünen durchaus positiv. Sie haben jetzt fünf Jahre lang die Chance, als stärkste Oppositionspartei im Landtag ihr Profil zu schärfen – natürlich vorausgesetzt, die CSU geht, wie allgemein erwartet, mit den Freien Wählern in eine Koalition.

Den Freien Wählern liegt vor allem der ländliche Raum am Herzen. Da wird es für die CSU schwer werden, in den Großstädten an die Grünen verlorenes Terrain zurückzugewinnen, oder?
Die CSU muss sich inhaltlich wie personell anpassen – sonst sehe ich da langfristig keine Chance auf große Erfolge in den Großstädten. Im Gegenteil: In einer Parteienlandschaft, die immer bunter wird, müssen die Christsozialen aufpassen, dass sie überhaupt noch Volkspartei bleiben. Wie schnell so ein Abstieg aus dem Volksparteien-Standing geht, hat die SPD in Bayern ja gerade eindrucksvoll gezeigt. Allerdings muss ich auch sagen, dass sich die Zeit der Volksparteien dem Ende zuzuneigen scheint.

Wählerwanderung in München

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Die Wählerwanderung in München. (Zum Vergrößern bitte auf das Bild klicken.) Grafik: Statistisches Amt München

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