Paris unter Schock - München fühlt mit
München - Loris ist extra mit dem Zug nach München gefahren. Eineinhalb Stunden lang. „Ich wollte Kontakt zu Frankreich haben“, sagt er leise, „zu meinem Land.“ Die Hände tief in den Taschen seines Anoraks vergraben steht der 18-Jährige am Sonntagvormittag vor dem Französischen Generalkonsulat in der Heimeranstraße. Nachdenklich betrachtet er die Kerzen, Blumen und Schilder vor dem Eingang. „Unser tiefes Beileid – Unmenschlichkeit darf niemals siegen“, steht auf einem, unterzeichnet von den „Anwohnern der Schwanthalerhöhe“.
OB Reiter: „Wir müssen mehr denn je zusammenstehen“
„Ich bin zwar aus Südfrankreich, aber meine Schwester, viele Freunde und Kommilitonen leben in Paris“, sagt der schmale Teenager, der derzeit in Bayern Freiwilligendienst beim Deutsch-Franzözischen Jugendwerk leistet. „Zum Glück geht es allen gut.“ Nächste Woche wird Loris in sein Heimatland zurückkehren. „Ich bin unendlich erleichtert, meine Familie wiederzusehen“, sagt er und lächelt. „Was da passiert ist, ist so bizarr, so befremdlich. Ich bin fassungslos. Aber ich befürchte, dass wir uns an diese Bedrohung gewöhnen müssen. Das ist einfach die Zeit, in der wir leben. Es ist noch nicht vorbei.“
"So viele Menschen zu töten – das ist doch Wahnsinn"
In München leben etwa 10 000 Franzosen. Vor ihrer Auslandsvertretung haben sich am Sonntag in diesem Moment etwa 30 Menschen eingefunden, darunter Werner Brandl. Der 73-Jährige kniet vor einer Laterne mit dem Eiffelturm darauf, neben die jemand eine Kerze im Maßkrug gestellt hat und drapiert davor eine Schleife in den Farben der Trikolore, die der Wind wieder verweht.
Paris und München in Trauer vereint. Dem Rentner aus Laim, der mit seiner Frau Edith (69) zum Konsulat geradelt ist, geht dieses Bild nahe. „Ich weiß nicht, was den IS umtreibt, aber das Ergebnis ist unmenschlich und bedrückend“, sagt er. „Wer sind diese Manipulateure mit der teuflischen Fähigkeit, junge Familienväter zu Selbstmordattentätern auszubilden?“
"Dass es bei uns geschehen kann, haben wir 1980 beim Oktoberfest-Attentat gesehen"
Jacqueline Orizabel (35) und ihre Freunde hat der Terror von Paris verunsichert. „Das ist alles so schrecklich und so unendlich traurig. Ich weiß natürlich, dass Deutschland zu den sichersten Ländern der Welt gehört“, sagt die Guatemaltekin, die in München lebt. „Trotzdem haben wir heute überlegt, ob wir überhaupt rausgehen sollen. Wir haben Angst.“ Auch eine Anwohnerin ist beunruhigt: „Dass so etwas auch bei uns geschehen kann, haben wir 1980 beim Oktoberfest-Attentat gesehen“, sagt sie.
Wie geht es mit Europa nach der Terror-Nacht von Paris weiter?
Etwas abseits der Menge steht Nadeschda. Sie stammt aus Russland und hat bereits gestern Blumen und Kerzen gebracht, um ihr Mitgefühl auszudrücken. Die Anschläge von Paris haben in ihr die Erinnerung an die Geiselnahmen im Moskauer Dubrowka-Theater 2002 und in der Schule von Beslan 2004 wachgerufen. Sie hat Tränen in den Augen.
„Ich war zwei Mal in Paris und habe die Stadt sehr lieb gewonnen“, sagt sie. „So viele Menschen zu töten – das ist doch Wahnsinn, eine Katastrophe. Europa ist zum Kriegsschauplatz geworden.“
Am frühen Nachmittag kommt hoher Besuch: Ministerpräsident Horst Seehofer trägt sich in das Kondolenzbuch des Generalkonsulats ein.
In den Abendstunden gab es am Pariser Platz einer Trauerfeier für die Opfer des Terrors.
Die Bilder von der Trauerfeier sehen Sie in der oben angelegten Bildergalerie