Olympiapark München: Dieses wichtige Stück Stadtgeschichte soll auferstehen
München — Wie baut man etwas nach, das es eigentlich nie hätte geben dürfen? Ein Kirchlein, aus Kriegsschrott zusammengezimmert. Im Juni 2023 ist es nach über 70 Jahren niedergebrannt. Die Antwort ist: gar nicht. Denn Timofejs Kirchlein war ein Unikat. Es gehörte zu einem Ensemble aus einem Wohnhaus und einer Kapelle; rundherum ein herrlicher Garten. Aber es war eben auch ein Schwarzbau. Keines der Gebäude in dem kleinen Weiler im Olympiapark hat je eine städtischen Behörde genehmigt.
Erstmals nach dem Feuer vor zehn Monaten präsentieren am Mittwoch 30 Architekturstudenten der Technischen Universität ihre Ideen, wie die Einsiedelei wieder komplementiert werden und an das in Handarbeit gefertigte Kirchlein erinnert werden kann. Ausgestellt werden die 16 Modelle und Entwürfe in der Architekturgalerie im Glockenbachviertel.
Der Auftrag an die Studenten: "Das Kirchlein nicht nachahmen"
Der Titel der Ausstellung verheißt Geheimnisvolles: "Resurrectio - Die Auferstehung des Timofej Kirchleins." Der Arbeitsauftrag an die Studenten sei aber explizit nicht gewesen, das Kirchlein originalgetreu nachzuahmen. "Das wäre bei einem Schwarzbau mit krummen Wänden ja gar nicht möglich", sagt Barbara Brinkmann, die gemeinsam mit Valerie Kronauer das zugehörige Architekturseminar im vergangenen Wintersemester geleitet hat. "Die Ergebnisse sollen Diskussionsbeiträge sein, ein Gespräch über die zukünftige Gestaltung anstoßen", sagt Brinkmann.
Der russisch-orthodoxe Mönch war nach dem Zweiten Weltkrieg in die Stadt gezogen. Nach einer Marienerscheinung habe Timofej Wassiljewitsch Porchorow beschlossen, 1952 am Oberwiesenfeld sesshaft zu werden. Aus Kriegsschrott — alten Fenstern, Ziegeln, Blech — baute er erst die Kapelle, das Wohnhaus und später die Kirche. Für die Deckenverkleidung nutzte er silberglänzendes Schokoladenpapier.
Alt-OB Ude selbst hatte das Areal schon als kleiner Bub mit Freunden entdeckt
Die Arbeiten der Studierenden sind für Alt-OB Christian Ude ein bedeutender Schritt. Schon kurz nach dem Brand hatte er die Stadt dazu aufgefordert, das Kirchlein wiederaufzubauen. Es sei ein wichtiges Stück Stadtgeschichte und und für viele Neuhauser und Schwabinger ein Bezugspunkt, betonte er am Montag im Gespräch mit der AZ. Ude selbst hatte das Areal schon als kleiner Bub mit Freunden und dem Tretroller für sich entdeckt.
"Der Garten war ein Paradies. Es wuchs Obst an den Bäumen und so viel Gemüse in den Beeten, dass Timofej sich versorgen konnte". Als Politiker setzte sich Ude später immer wieder für den Erhalt des Schwarzbaus ein. Nun, 20 Jahre nach dem Tod von Timofej, ist er Schirmherr des "Ost-West-Friedensvereins", der sich um den Erhalt des Areals kümmert.
Das Kirchlein: Ein überkonfessioneller Ort in München
Die Ost-West-Friedenskirche, wie sie der Eremit getauft hatte, sollte für Frieden und Verständigung zwischen dem Westen und der Sowjetunion stehen. Das Thema sei heute "aktueller denn je" sagt Christian Ude. Und gleichzeitig sei immer klar gewesen, dass das Kirchlein ein überkonfessioneller Ort sei.
Für die Studenten war die Herausforderung, die Essenz eines solchen Ortes in neuen Entwürfen aufzugreifen und sichtbar zu machen - keine leichte Aufgabe. Deshalb habe es einen ausführlichen Termin vor Ort gegeben, sagen die Seminarleiterinnen. Dabei seien viele Fragen aufgetaucht: Soll es wieder ein überkonfessioneller Sakralbau werden? Ein Erinnerungsort, an die wunderliche Einsiedelei, ein Begegnungsort oder ein kreativer Raum für Besucher?
Dementsprechend unterschiedlich seien die 16 Entwürfe, die von den Studierenden jeweils in zweier Teams gestaltet wurden. Christian Ude durfte die Ergebnisse vorab sehen. Er möchte mit seiner Meinung der Präsentation der Studierenden aber nicht vorgreifen. "Die Ausstellung ist für mich der erste von drei Schritten: eine Ideensammlung". Als Nächstes gelte es über die Entwürfe ins Gespräch zu kommen. An dritter Stelle sieht er die Stadt am Zug, die als Bauherr eine Ausschreibung veranlassen solle, sagt Ude.
Die Ausstellung ist von 25. bis 30. April täglich von 14-18 Uhr in der Architekturgalerie in der Blumenstraße 22 zu sehen. Mehr finden Sie hier unter architekturgalerie-muenchen.de