Wiesn 2014: Wirte-Wirbel und ein Skandal
München - Sie war eines der wirklich geheimsten Geheimnisse dieser Stadt, von kühnen Gerüchten umwoben und zwei Jahrhunderte lang gehütet von einem verschwiegen Kreis von Eingeweihten: die Summe, die ein Wiesnwirt verdient.
Im März 2014 wurde das Geheimnis gelüftet. Da stand der vom Promi- zum Skandal-Wirt gewordene Sepp Krätz (Hippodrom, Andechser am Dom) nämlich vor dem Landgericht München, wegen Steuerhinterziehung in gewaltiger Höhe.
Er verlor dadurch nicht nur die meisten seiner Betriebe und sein Wiesn-Zelt, sondern musste sich auch in den Geldbeutel schauen lassen. So kam raus: Krätz verdiente pro Jahr (mindestens) 3,3 Millionen Euro brutto mit dem Hippodrom. So viel Geld braucht man auch, um, wie Krätz, insgesamt rund 1,1 Millionen Euro an Steuern hinterziehen zu können. Der Wirt wurde zu 22 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.
Mit diesem Knall begann die Wiesn-Vorlaufzeit, die fortan vor allem einer prägte: Siegfried Able. Der Münchner Gastronom (Eiszauber am Stachus) hatte bisher Kalbs-Kuchl auf der Wiesn, aber mit der hatte er sich dieses Jahr gar nicht mehr beworben. Stattdessen hatte er eine Bewerbung für ein großes Wiesn-Zelt abgegeben, die ihn in die edle Riege der Wiesn-Barone katapultierte. Das Hippodrom war Geschichte, der Marstall war geboren. Eine Top-Bewerbung aus dem Stand – das provoziert.
Es gibt Gemauschel, weil Able aus dem Stand auf Platz 2 im Festwirt-Punktesystems der Stadt landet und auch schon ein Zelt bestellt hat. Das provoziert die Etablierten. Vorbereitung, sagt Able. Nicht ganz sauber, sagen andere. Die übrigen Wiesn-Wirte lassen den Neuling erst einmal auflaufen. Überhebliche Anspielungen, Spott, Vorwürfe – nicht mal in den Verein der Wiesnwirte wird Able aufgenommen. Der Wirt stänkert aber auch selber, lässt sich etwa eine Ochsenfetzen-Semmel patentieren. Je näher die Wiesn rückt, desto mehr herrscht aber Waffenruhe.
Dann, am 20. September, hat der neue Oberbürgermeister sein erstes Mal im Schottenhamel: Er nimmt den Schlegel, schlägt, zweimal, dreimal und, ja, noch ein viertes Mal. „Scheiß drauf. Wurscht!“, sagt er etwas leiser und ruft dann: „O’zapft is!“. Er ist ein bisserl unzufrieden, weil der dritte Schlag auch schon gereicht hätte. Aber mei. Es hat ja so sein müssen, dass es bei dieser Wiesn auch ums Anzapfen einen Wirbel gibt – und sei es, weil der OB sich etwas unfein ausgedrückt hat.
Einen echten Skandal deckt dann die AZ auf: die Tricks der Tisch-Händler auf dem Oktoberfest. Seit Jahren blüht das illegale Geschäft mit Tischreservierungen für die Wiesnzelte. Jetzt gelingt es der AZ mit Informationen eines Insiders, die Details der großen Sauerei mit den Wiesn-Tischen aufzuklären.
Belegt durch Dokumente und Scheinkäufe beschreibt die AZ, wie die Händler an Tische kommen und diese mit Riesen-Profit weiterverkaufen. Dabei werden bis zu 10 000 Euro pro Tisch gezahlt. Die Händler erschleichen sich Tische mit falschen Namen und haben Mitarbeiter großer Firmen als Komplizen. Steuerhinterziehung und Bestechung gehören zum Geschäft.
Die Wirte reagieren auf die Berichte der AZ: „Wir werden alles gegen diese Händler tun, was möglich ist“, sagen etwa Richard und Silja Steinberg vom Hofbräu-Festzelt. Auch Wirtschaftsreferent und damit Wiesn-Chef Josef Schmid (CSU) will gegen die illegalen Geschäfte vorgehen.
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Der Wirte-Wechsel, das Fluchen beim Anzapfen, der Skandal um die Tisch-Händler – die Wiesn 2014 hat für viel Wirbel gesorgt. Wird’s nächstes Jahr ruhiger? Als Münchner ahnt man schon jetzt: Gewiss nicht.