Von iPhone bis Rollstuhl: AZ besucht Wiesn-Fundbüro
München - Die Nacht war hart. Das sieht man Kenji auch am nächsten Morgen noch an. Zerknittert und zerzaust steht der 22-Jährige am Abholschalter des Wiesn-Fundbüros. „Ich habe meinen Rucksack verloren, mit Geldbeutel und Handy drin“, sagt er im breiten kalifornischen Englisch. Das erste Mal Oktoberfest, da haben er und seine Kumpels doch ein bisserl zu tief in den Maßkrug geschaut. So ein Rucksack ist da schon schnell mal vergessen. Ob er hier gelandet ist?
„Die Leute kommen mit großen Hoffnungen“, sagt Edeltraud Dietl vom Fundbüro. 1040 Fundsachen haben sie und ihr Team heuer schon aufgenommen, fast 400 weniger als im vergangenen Jahr. Taschen, Handys und Geldbeutel, das seien die Klassiker, sagt Dietl. Die Wirte sammeln sie nach dem Zapfenstreich in den Zelten ein und geben sie gesammelt bei der Fundstelle ab. Dietl und ihre 21 Kollegen sortieren die Fundstücke und nehmen sie in ihr EDV-System auf.
Die meisten, die ihr Hab und Gut beim Tanz auf der Bierbank oder beim Schunkeln mit dem Nachbarn verloren haben, kommen gleich am nächsten Tag ins Fundbüro, so wie Kenji. Sie beschreiben das Verlorene so genau wie möglich, wo und wann sie es verloren haben. Schließlich sollen die iPhones, Schmuckstücke oder Hüte nicht an den Falschen gehen.
Manches bleibt aber lange liegen: ein Rollstuhl zum Beispiel. „Der ist seit einer Woche hier“, sagt Dietl. Manchmal wundert es sie, was Leute alles verlieren. Jacken, sogar Hosen hängen im Fundbüro. Zahlreiche Schuhe, vor allem Damenmodelle, sind in den Regalen aufgereiht. „Ich weiß nicht, ob die dann strumpfsockert heimgehen“, überlegt Dietl.
In den gut 15 Jahren, die sie hier arbeitet, hat sie Einiges gesehen: Eheringe, Batman-Kostüme oder ein Ballettröckchen waren schon dabei. Heuer liegen Bettwäsche von der Polizeigewerkschaft, eine Reitpeitsche, eine Klobürste und ein Clown-Kostüm in den Fundbüro-Schränken.
Gestern erst sei wieder etwas Kurioses bei ihnen angekommen, erzählt Dietl und schiebt eine Schublade auf. Verpackt in zwei Plastiktüten liegt dort ein Gebiss. Die Mitarbeiter im Bierzelt hätten den Zahnersatz schon in die Tüten gepackt, sagt Dietl: „Das ist wirklich nett.“ Anfassen wollen hätte sie das Gebiss eher nicht.
Angenehmer sind dann doch die normalen Fundstücke – wie Kenjis Rucksack. Den hat eine Mitarbeiterin inzwischen gefunden. Sogar das Geld, 80 Euro und 160 Dollar waren noch drin. Kenji kommt aus dem Grinsen nicht mehr raus. Er fährt heute weiter nach Italien, zu einer Hochzeit, der Zug geht in wenigen Stunden. Umso dankbarer ist der 22-Jährige – und teilt das dem Team auch überschwänglich mit: „Ihr habt mein Leben gerettet.“
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