Rundgang auf der Wiesn: Wie barrierefrei ist das Oktoberfest?

Für Blinde oder Menschen im Rollstuhl gibt es auf dem Oktoberfest einige Angebote. Und noch viel mehr Hindernisse.
Carmen Merckenschlager
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In der Fischer Vroni gibt es einen rollstuhlangepassten Tisch. Wiesn-Stadträtin Anja Berger (vorne rechts) stößt mit an.
In der Fischer Vroni gibt es einen rollstuhlangepassten Tisch. Wiesn-Stadträtin Anja Berger (vorne rechts) stößt mit an. © Daniel von Loeper

München - Wer zu Fuß über die Wiesn läuft, dem fallen sie kaum auf: die kleinen Rampen an den Zelten. Wer mit dem Rollstuhl über die Wiesn fährt, für den sind sie essenziell. 

Barrierefreie Wiesn? Werner Graßl und Monika Burger schauen genau hin 

Werner Graßl und Monika Burger vom Behindertenbeirat der Stadt, Facharbeitskreis Tourismus, sind am Montag mit dem Rollstuhl auf dem Oktoberfest unterwegs. Sie wollen zeigen, wo es noch Verbesserungspotenzial gibt und wo schon auf Barrierefreiheit geachtet wird.

Monika Burger und Werner Graßl inspizieren die Wiesn jedes Jahr auf ihre Barrierefreiheit.
Monika Burger und Werner Graßl inspizieren die Wiesn jedes Jahr auf ihre Barrierefreiheit. © Daniel von Loeper

Den Rundgang gemeinsam mit Wiesn-Stadträtin Anja Berger und Stadträtin Sofie Langmeier (beide Grüne) beginnen Burger und Graßl vorm Riesenrad bei Gabriele Willenborg. 

Willenborg: "Ein Teil der Menschen wird oft einfach vergessen"

Dort gibt es extra Rollstuhlgondeln, eine kleine Rampe führt zum Einstieg. "Die ist leider ein wenig zu steil", merkt Graßl an, der seit rund 30 Jahren im Rollstuhl sitzt. Für Willenborg ist das Thema Barrierefreiheit wichtig. "Ein Teil der Menschen wird oft einfach vergessen. Wir wollen, dass sie auch Freude am Riesenrad haben können", sagt die Betreiberin.

Auch für Blinde sei das ein Erlebnis. "Da geht es um das ganze Gefühl", sagt Willenborg. Auch die Toilette am Riesenrad ist für Menschen im Rollstuhl geeignet. "Die muss von beiden Seiten anfahrbar sein. Auch Haltegriffe sind vorhanden", erklärt Monika Burger.

Schwellen an den großen Wiesn-Zelten "sind eigentlich zu steil"

Das einzige Manko: Die Toilette ist abgesperrt und nicht mit einem Euroschlüssel – einem speziellen Schlüssel, mit dem Behinderten-Toiletten europaweit geöffnet werden können – zu öffnen. Willenborg will nachbessern.

Beim Imbiss "Zum Gaumenschmaus" von Günter Bretz gibt es eine barrierefreie Essensausgabe. Auch die Rampe hat hier die richtige Steigung.
Beim Imbiss "Zum Gaumenschmaus" von Günter Bretz gibt es eine barrierefreie Essensausgabe. Auch die Rampe hat hier die richtige Steigung. © Daniel von Loeper

Seit 2007 machen Burger und Graßl ihre Inspektionen auf der Wiesn. Jedes Jahr entdecken sie Verbesserungswürdiges, laufenden Menschen fällt das kaum auf. So sind zum Beispiel die Schwellen an den großen Zelten auf den ersten Blick rollstuhlgeeignet, Graßl erklärt aber: "Die sind eigentlich zu steil." Maximal sechs Prozent Steigung solle eine solche Rampe haben. Damit er nicht mit dem Rollstuhl nach hinten umkippt, braucht er Hilfe. 

Langmeier: "Ein Teil der Gesellschaft wird unabsichtlich separiert"

"Aber es hat sich auch schon viel getan", sagt Graßl. Wichtig sei es, immer wieder aufmerksam zu machen. Das findet auch Wiesn-Stadträtin Berger, sie hat Lehramt für Förderschulen studiert: "Uns fällt das häufig nicht auf, ob etwas barrierefrei ist oder nicht. Deshalb ist dieser Rundgang so wichtig."

Ihre Stadtratskollegin Sofie Langmeier ergänzt: "Ein Teil der Gesellschaft wird unabsichtlich separiert. Deshalb ist es auch so wichtig, dass Thema immer wieder aufzubringen. Nur so wird sich etwas verbessern."

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Speisekarten in Blindenschrift, ausklappbare Tische

Ein Beispiel für funktionierende Barrierefreiheit auf der Wiesn findet sich bei Günter Bretz an seinem Imbissstand "Zum Gaumenschmaus".

An der Seite des Standls hat er ein Schild angebracht: barrierefreie Essensausgabe. Durch ein Fenster reicht er die Wurstsemmel nach draußen. Ein kleiner ausklappbarer Tisch ist neben dran angebracht. "Der hat die richtige Höhe, die Schwelle ist niedrig, der Platz ist mit einem Rollstuhlsymbol versehen", fasst Burger zusammen. Bei Bretz gibt es außerdem Speisekarten in Blindenschrift. "Ich finde das wichtig. Auf der Wiesn soll jeder eine Freude haben", sagt er.

Fischer Vroni:  In der Münchner Stubn gibt es  eine Induktionsschleife

Ein weiteres Positivbeispiel ist das Zelt "Fischer Vroni". Die Eingangsrampen sind niedrig und in der optimalen Steigung für die Rollstuhlfahrer. Noch am Eingang entdecken Burger und Graßl eine Karte, auf der auch die Rollstuhlplätze im Zelt aufgezeichnet sind.

In der Fischer Vroni gibt es einen extra Rollstuhltisch. Der ist ein wenig höher als die anderen Tische und lässt sich gut von beiden Seiten anfahren. "Den hat ein Bekannter von mir extra ausgemessen, er ist querschnittsgelähmt. Deshalb passt der so perfekt", erzählt Fischer-Vroni-Wirt Hans Stadtmüller.

Bernhard Kollmann vom Bayerischen Landesverband der Marktkaufleute und Schausteller betreibt einen Weißbiergarten und den Wiesn-Autoscooter. "Wir haben einen Wagen mit Handgas. Es kann also auch ein Rollstuhlfahrer bei uns mitfahren", erklärt er. In der Münchner Stubn gibt es außerdem eine Induktionsschleife, damit Menschen mit einer Hörbehinderung trotzdem die Musik hören können.

Monika Burger am Riesenrad. Es gibt extra Rollstuhlgondeln.
Monika Burger am Riesenrad. Es gibt extra Rollstuhlgondeln. © Daniel von Loeper

"Es gibt schon Angebote. Aber es gibt eben auch noch viel Verbesserungspotenzial", sagt Graßl. Häufig werde man als Mensch mit Behinderung einfach vergessen. Oder ignoriert. "Das sieht man sehr gut an den Parkplätzen. Immer wieder sind sie belegt, weil jemand nur ganz kurz irgendwas erledigen will. Das geht nicht", findet der ehemalige Bergsteiger.

Am Montag wird wohl nicht ihr letzter Besuch für 2022 sein. "Wir sind nie komplett privat unterwegs, weil uns immer etwas auffällt", sagt Graßl. Deshalb bleiben er und seine Kollegin dran, um die Wiesn jedes Jahr ein Stück barrierefreier zu machen. Damit sie auch Menschen mit Behinderung genießen können.

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  • Sarah-Muc am 27.09.2022 12:48 Uhr / Bewertung:

    @Sarkast
    Bravo Sarkast - so sehe ich das auch. Finden Sie, dass da zuwenig für die eigene
    Bevölkerung getan wird ? Ich versteh den Sinn der Aussage nicht so ganz.

  • Sarkast am 27.09.2022 14:34 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Sarah-Muc

    Der Sinn der Aussage ist, daß wir sog. "Behinderte" aus unserem Leben das Beste machen,
    ohne zu jammern.
    Denn es gibt schlimmere Schicksale auf der Welt.
    Wogegen mein kaputter Rücken und meine unbrauchbaren Beine ein Witz sind.
    Außerdem, unser Staat tut genug, um Menschen wie mir das Leben zu erleichtern...

  • Der wahre tscharlie am 27.09.2022 14:44 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Sarah-Muc

    Man kann doch hier schon lange beobachten, dass fast zu jedem Artikel die Aussage kommt, "es wird für die eigene Bevölkerung zu wenig getan".
    Wobei bei katzundmaus Aussage das Wort "eigene" das entscheidende Wort ist. Denn es wird wieder mal suggeriert, für "andere" würde mehr getan, als für die "eigene".

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