Münchner Infektiologe über Wiesn 2022: "Ein Infektions-Risiko-Ereignis"

Nächste Woche will die Stadt München entscheiden, ob das Oktoberfest dieses Jahr stattfinden kann. Die Zeichen stehen auf Wiesn. Wie gefährlich wird das? Ein Infektiologe aus München schätzt die Lage ein.
von  AZ/dpa
Abends einfach nur zur Wiens über die Theresienwiese schlendern – wird das 2022 wieder möglich sein? Wie hoch ist das Risiko, sich mit dem Coronavirus anzustecken?
Abends einfach nur zur Wiens über die Theresienwiese schlendern – wird das 2022 wieder möglich sein? Wie hoch ist das Risiko, sich mit dem Coronavirus anzustecken? © imago/Arnulf Hettrich

München - Der Münchner Infektiologe Christoph Spinner sieht bei einem möglichen Oktoberfest 2022 durchaus eine gesteigerte Infektionsgefahr. "Wenn die Wiesn so stattfindet, wie wir sie kennen, ist sie natürlich ein Infektions-Risiko-Ereignis", sagte Spinner der Deutschen Presse-Agentur.

Trotz Infektionsrisiko: Münchner Infektiologe sieht keinen Grund für Wiesn-Absage

Er sehe jedoch keinen Grund, das Oktoberfest wegen Corona erneut abzusagen. Schließlich sei niemand gezwungen, das Volksfest zu besuchen. Nächste Woche will die Stadt München entscheiden, ob die Wiesn stattfindet. Zwei Mal hintereinander war das größte Volksfest der Welt mit seinen rund sechs Millionen Besuchern wegen der Pandemie abgesagt worden.

Sollte es grünes Licht geben, gelte für diejenigen, die auf die Wiesn gehen: "Die Übertragungswahrscheinlichkeit dort ist zwar hoch. Aber wir werden Schritt für Schritt dahin kommen, dass wir Großveranstaltungen wieder mit gutem Gefühl zulassen können", sagte Spinner, der Pandemie-Beauftragter des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München ist. "Wir sind in einer Phase, in der der Staat entscheiden muss, wo er noch eingreifen muss und will."

Zunehmender Immunschutz senkt Corona-Gefahr

 

Die Gefahr, an Covid-19 zu sterben, sei inzwischen geringer als bei der Virusgrippe. In den Kliniken würden immer weniger Patienten vorrangig wegen Corona behandelt. "Das klinische Bild hat sich verändert." Gründe seien die geringere Krankheitsschwere bei Omikron sowie zunehmender Immunschutz in der Bevölkerung. Rund 80 Prozent der Menschen seien geimpft oder hätten eine Infektion durchgemacht.

Sollte die Wiesn nur für Geimpfte und Genesene zugänglich sein, würde das zunächst das Infektionsrisiko direkt auf dem Volksfest senken. Jedoch besteht hiervon unabhängig auch eine Infektionsgefahr für die Umgebung - vor allem durch Reisende. Jeder könne sich durch eine Impfung vor einem schweren Erkrankungsverlauf schützen. "Ich unterstütze sehr stark die These, dass wir mit dem Virus leben lernen müssen." Dazu gehörten dann auch wieder Großveranstaltungen.

"Die Pandemiesituation hat sich nachhaltig geändert."

Es sei zwar nicht ausgeschlossen, dass sich irgendwann eine neue gefährlichere Variante ausbreite. "Selbst wenn sich das Virus verändert, haben so viele Menschen inzwischen Kontakt zu dem Virus gehabt, so dass sich eine stabil höhere Immunkompetenz etabliert hat. Die Pandemiesituation hat sich nachhaltig geändert."

Münchner Mediziner rät: "Wenn Sie Corona vermeiden wollen, gehen Sie nicht auf die Wiesn"

Es gehe weiter darum, vulnerable Gruppen besonders zu schützen und Therapien für diejenigen anzubieten und weiterzuentwickeln, bei denen der Schutz durch die Impfung nicht ausreichend oder gar nicht greife. Was das Oktoberfest betrifft, rät der Mediziner: "Wenn Sie Corona vermeiden wollen, dann gehen Sie lieber nicht auf die Wiesn."

Nicht zuletzt grassierte auch früher - bedingt durch die großen Menschenansammlungen und die Enge in den Bierzelten - die sogenannte Wiesn-Grippe: Ärzte registrierten zur Volksfestzeit und danach im Raum München erhöhte Zahlen von grippalen Infekten.

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