Interview

Moderator Stefan Schneider vor dem Wiesn-Abschluss in München: "Die ganz wilden Sachen spar' ich mir mittlerweile"

Stefan Schneider, der ehemalige Stadionsprecher des TSV 1860, moderiert in der Bräurosl den letzten Oktoberfest-Abend. Ein Gespräch über Wiesngefühl, Routine und die Stimmung in München in diesem Jahr.
Carmen Merckenschlager
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Am Dienstagabend geht die Wiesn zu Ende. Stefan Schneider moderiert den letzten Abend: "Das ist emotional sehr tief."
Am Dienstagabend geht die Wiesn zu Ende. Stefan Schneider moderiert den letzten Abend: "Das ist emotional sehr tief." © Sigi Müller

München - Stefan Schneider (61) ist eines dieser Unikate, die München zu bieten hat. Er war Stadionsprecher des TSV 1860, moderierte bei diversen Radiosendern und seit 2008 den letzten Wiesnabend in der Bräurosl. Die AZ trifft Schneider natürlich dort.

Bei schönstem Wiesnwetter im Biergarten. Immer wieder wird er angesprochen: "Sie waren doch der Stadionsprecher?" Am Nebentisch prostet man Schneider zu: "Auf die Löwen!" Mit seinem Mineralwasser prostet er zurück: "Auf die Löwen. Halleluja", sagt Schneider.

AZ: Herr Schneider, wie sieht es mit Ihrem Wiesngefühl 2023 aus?
STEFAN SCHNEIDER: Richtig guad! Es war ja zwei Jahre Pause, letztes Jahr waren wir sehr konzentriert darauf: Wie ist es? Was hat sich verändert? Fühlt es sich anders an? Man war vielleicht zurückhaltend oder direkt ein bisschen abgelenkt, weil nach Corona alles wieder so neu war. Jetzt sind wir wieder mehr im Genießermodus. Ich habe mir überlegt nach 25 Jahren Oktoberfest – irgendwann ist's ja vielleicht auch mal gut –, dass gerade dieses Jahr das Gefühl wieder ganz besonders ist. Die Leute haben sich am Samstag immens gefreut. Dieses ganz positive Münchner Lebensgefühl war spürbar. Und das gibt es so komprimiert eigentlich nur auf der Wiesn.

Moderieren auf dem Münchner Oktoberfest: Seit 25 Jahren am schönsten Arbeitsplatz der Welt

Sie sind ja jetzt auch schon eine Weile dabei.
Ich glaube, das ist mein 25. Jahr, dass ich hier arbeite. Ich habe angefangen auf dem Oktoberfest mit dem Radio. In einer Zeit, in der das kein Mensch gemacht hat. Und dann die letzten 15 Jahre das Opening hier mit den jeweiligen Wiesnwirten. Heute mit Peter Reichert, früher mit Schorsch Heide. Und natürlich das Finale mit dem Oberbürgermeister.

Für Stefan Schneider ist es das 25. Jahr auf der Wiesn.
Für Stefan Schneider ist es das 25. Jahr auf der Wiesn. © Sigi Müller

Arbeiten auf der Wiesn: Der schönste Arbeitsplatz der Welt – oder sehnen Sie sich danach, mal privat herzukommen?
Mir bleibt schon Zeit, mal alleine herzugehen und die Wiesn zu genießen. In der Sonne sitzen, vor der Bräurosl. Wir kennen uns hier. Auch die Moderatoren, die auf der Wiesn arbeiten, es sind ja nicht so viele. Des ist der Alex Onken im Paulaner für münchen.tv oder Kollege Tilmann Schöberl für den BR. Das Besondere am Oktoberfest als Arbeitsplatz ist, dass man weiß: Das ist deine Stadt. Wenn du ein Teil davon sein darfst – so seh ich das und so sehen das auch meine Kollegen – ist das ein Privileg und man ist dankbar, hier arbeiten zu dürfen. Mei, bei einer Radiostation moderierst schnell mal. Aber auf dem Oktoberfest, das ist eine andere Hausnummer. Weil ich das ja auch so gerne mag. Und in der Bräurosl ist der Anteil an Münchner Gästen sehr hoch. Da geh ich rein, man grüßt sich, redet mit den Leuten. Dafür bin ich dankbar.

Was ist für Sie das Schönste auf der Wiesn?
Ich war schon auf der Oidn Wiesn und bin Calypso gefahren. Das war recht lustig. Die ganz wilden Sachen spar' ich mir mittlerweile. Das war früher mehr. Wenn ich rausgehe auf das Oktoberfest, geh ich zum Max. Der ist ein Freund von mir. Er arbeitet in Hochreiters Haxnbraterei. Da hol ich mir eine Haxnsemmel, danach eine Tüte Mandeln. Dann passt's für mich auch schon. Wenn ich privat hier bin, gibt es irgendwo noch ein Weißbier für mich – und dann ist mein Wiesntag wunderbar.

Stefan Schneider brachte zusammen mit Angermeier die Tracht auf die Wiesn zurück

Sie haben gesagt, Sie schauen auch gerne einfach nur den Leuten zu?
Die Münchner haben sich so fesch in der Tracht rausgeputzt. Auch wenn ich gestehen muss, ich bin kein ganz harter Trachten-Verfechter. Ich finde das in Ordnung, wenn die Mädels zu einem Dirndl Sneaker anhaben. Ich ziehe ein Trachtenhemd, ein Gilet und eine Trachtenjoppen an. Aber ich trage auch gerne Jeans und Sneaker. Die Kombination finde ich mehr münchnerisch, als wenn ich in der Plastikhose in Pink komme. Übertrieben gesagt. (lacht)

Vor 25 Jahren war das mit der Tracht ja noch ganz anders. So gut wie niemand trug Dirndl oder Lederhose.
Vor 30 Jahren habe ich bei einer Programmsitzung bei Radio Energy gesagt: Lasst uns doch vom Oktoberfest senden. Da habe ich sehr viele ungläubige Blicke geerntet. Ich war damals Promotionchef, mein damaliger Chef meinte nach dem Meeting: "Was genau haben Sie vor?" Ich hab ihm erklärt, dass ich gerne am Abend jeweils zwei Stunden aus dem Bierzelt senden würde – um so das Oktoberfest zu den Menschen nach Hause zu bringen. Die privaten Radiostationen hatten nicht so viel Geld. Deshalb musste ich einen Sponsor suchen. Dann kam Dr. Munz nach München. Den hab ich 1992 kennengelernt. Besser bekannt ist der den Leuten als Chef von Angermaier Trachten, Axel Munz. Mit ihm hab ich mich hingesetzt, und er hatte die Idee für ein Komplett-Set – Hemd, Hose, Haferlschuhe zusammen für 199 Mark. Wir waren ja selber mit Jeans und T-Shirt auf der Wiesn. Wenn man sich Bilder von 1989 anschaut: Da ist kein Mensch in Tracht. Außer der Trachtenzug.

Also haben Sie sich gegenseitig geholfen? Heute tragen fast alle eine Tracht.
Der Angermaier meinte, er würde so gerne die Tracht zurück auf die Wiesn bringen. Da hab ich gesagt, ich brauche einen Sponsor. Standleitungen und so Geschichten waren damals furchtbar teuer. Aber so konnte ich 1992 zum ersten Mal Schneiders Wiesn-Radio machen. Das war ein Riesen-Erfolg. Auch für den Angermaier. Er ist viele Jahre Sponsor geblieben. Jeden Abend haben wir Gäste gehabt, alles, was halt damals so angesagt war: Erkan und Stefan zum Beispiel. Oder Politiker wie Christian Ude. Auf was ich heute noch stolz bin: Damals gab es nur eine Währung, wenn es um Prominentenberichterstattung ging. Und das war Marie Waldburg von der Abendzeitung. Die war zwei, drei Mal bei uns im Studio und hat in der Sendung live erzählt, was in den anderen Zelten los ist und was die Prominenten so machen. Das war für uns eine Riesennummer.

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Schneider über die Moderation auf dem Oktoberfest: Harte Arbeit und Erfahrung

Wenn wir zum letzten Abend in der Bräurosl gehen, was ist der Unterschied, in einem Bierzelt zu moderieren – im Vergleich zu Eishockey oder Fußball?
Das ist nur einmal im Jahr und es hat die ganz große Emotion. Wenn da drin 6000 oder 7000 Sterndlwerfer leuchten, die Trompeter "Il Silenzio" spielen und der Bürgermeister und der Festwirt winken; dann weiß man, es ist vorbei. Das ist emotional sehr tief. Ein Abend, auf den man sich Jahr für Jahr freut.

Müssen Sie sich darauf vorbereiten? Oder ist das Routine?
Ich habe natürlich eine gewisse Routine. Aber: Wie alles, was lässig aussieht, dahinter steckt immer Erfahrung und Arbeit. Man sollte schon so weit vorbereitet sein, dass man weiß, von was man da spricht. Zum Beispiel, dass die Bräurosl 122 Jahre auf dem Oktoberfest ist, oder dass es die 188. Wiesn ist. Die Eckpfeiler der Moderation hab ich da dabei. Alles andere ist relativ frei. Weil du nicht weißt, was der Bürgermeister erzählt oder der Brauereichef Andi Steinfatt. Die Erfahrung hilft, aber es ist nicht so leicht, wie es aussieht.

Das Oktoberfest ist für manchen Sportler sogar ein Grund, bei einem Münchner Sportverein zu unterschreiben

Haben Sie schon mal negative Erfahrungen auf der Wiesn gemacht?
Hier ist es lustig, wenn man einen guten Schwips hat. Aber manche knocken sich komplett aus und legen den Anstand völlig ab. Man muss nicht unbedingt irgendwo liegen und rumreiern. Und schon gleich gar nicht respektlos irgendwelche Mädels auf der Wiesn anlallen. Aber das gibt's halt mal. Nicht alle rechnen damit, dass ihnen 13,8 Prozent Stammwürze die Füße wegreißen. Aber es hält sich doch in Grenzen. Das sieht auch die Polizei so: Wenn man die Rechnung aufmacht, wie viele Leute hier sind und was im Verhältnis an Schlägereien, Alkoholgeschichten und Straftaten passiert, ist die Verhältnismäßigkeit schon sehr gut.

Wie oft sind Sie hier?
Ich moderiere drei Mal. Beruflich habe ich noch ein paar Termine. Ich bin zum Beispiel von Red Bull München eingeladen. Dann natürlich zum TSV 1860 München. Zwei, drei Mal gehe ich dann gegen Mittag noch privat, wenn die Sonne scheint. Dann war ich sieben bis acht Mal heraußen. Ich gehe dann mal drei Stünderl. Im Bierzelt muss man ja so schreien, und ich muss ja wieder moderieren. Dann mach ich da ein bisschen langsam.

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"Egal ob in Spanien, Italien oder im hintersten Zipfel der USA: Jeder kennt das Oktoberfest in München"

Eingeladen beim TSV 1860: Da gibt es sicher auch die ein oder andere Anekdote?
Ich habe früher, wenn neue Spieler da waren – aus Spanien oder Italien – denen oft das Oktoberfest gezeigt, wir sind auch mal gefahren. Da hatten wir viel Spaß. Das Schöne hier: Jeder – auch beim Eishockey, die amerikanischen Importspieler – kennt das Münchner Oktoberfest. Egal ob in Spanien, Italien oder im hintersten Zipfel der USA. Jeder Spieler, egal ob Eishockey oder Fußball, ich glaube, das ist für manche sogar ein Grund, bei einem Münchner Sportverein zu unterschreiben. Für die ist das was ganz Besonderes. Leute aus der ganzen Welt kommen hierher, teilweise mit dem Flugzeug. Ich bin ein Schwabinger, ich schwing mich halt auf mein Radl. Nach elf Minuten bin ich da.

Ihr Fazit zu dieser Wiesn?
Eine absolute Paradewiesn. Letztes Jahr musste man auf die Wiesn wie zum Ski-Lift. Wenn man was angezogen hat, was nur ein bisschen nach Wiesn aussah, war man quasi schon krank. Umso schöner ist es dieses Jahr für alle Beteiligten gewesen. Ich habe besonders viele Münchner Familien mit Kindern gesehen. Das war eine Wiesn fast so, wie man sie noch von früher kennt.

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