Handel mit Wiesn-Reservierungen: Das sagen die Wirte

Es ist kein sauberes Geschäft, das da mitunter abgezogen wird mit den Tischreservierungen auf der Wiesn. Wer dahinter steckt, was die Reservierungs-Händler verdienen und wie die Wirte reagieren, lesen Sie hier.
Das sind die Kunden
„Meine Kunden waren vor allem Münchner Firmen, die spontan noch Plätze gebraucht haben“, sagt Andreas. „Das fängt beim Kleinbetrieb an und hört bei Banken auf.“ Auch in München ansässige Behörden und an eine Abteilung eines Ministeriums habe er schon Tische verkauft.
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Natürlich kaufen auch Privatleute für sich und ihre Spezln Tische, auch Touristen. „Italiener sind die Besten, die wollen unbedingt rein ins Zelt.“
Das sind die Händler
Es gibt große, offizielle Händler wie „tab ticketbroker“ aus Berlin, die gewerblich Tischreservierungen auf dem Oktoberfest verkaufen. Das läuft laut „ticketbroker“ offiziell auf Rechnung. Trotzdem werden enorm hohe Summen kassiert.
„Extras“ wie etwa das Aussuchen eines Reservierungsbereichs im Zelt kosten gleich mal 420 Euro zusätzlich. „Und die meisten gewerblichen Händler verticken zusätzlich privat auf Ebay“, sagt Andreas. Offenbar auch der Chef von „tab ticketbroker“. Angebote unter seinem Namen liegen der Redaktion vor.
Größer ist allerdings der Schwarzmarkt der Händler. Andreas kennt sie fast alle persönlich, die Szene ist überschaubar. „Es gibt nur ein knappes Dutzend Händler, die dick im Geschäft sind und das im großen Maßstab machen.“
Manche haben sich ein spezielles Schwarzmarkt-Segment ausgesucht: „Ein Händler hat etwa ein Reisebüro und verkauft von dort aus Plätze vor allem an Russen, ein anderer vertreibt vor allem an Amerikaner.“
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100 000 Euro pro Wiesn: Das verdienen Händler
Normalerweise kosten Reservierungen pro Tisch zwischen 200 und 850 Euro. Die Gewinnspannen für die Händler sind trotz dieser Preise enorm: „Wenn ich für die Reservierung eines Mittagstisches 250 Euro zahle, kann ich ihn für 1500 Euro weiterverkaufen“, sagt Andreas. Und schon hat er 1250 Euro verdient – mit nur einem Tisch. „Pro Wiesn habe ich insgesamt immer um die 60 000 Euro verdient. Andere haben noch mehr Tische und verdienen über 100 000 Euro“. Netto – denn versteuern tun das die Schwarzmarkt-Händler freilich nicht.
So machen sich die Händler strafbar
Das ist Steuerhinterziehung und damit eine Straftat. Ab einer gewissen Höhe der hinterzogenen Steuern und je nach Vorstrafen (die sind bei einigen Händlern durchaus vorhanden) wird das nicht mehr mit einer Geldstrafe, sondern mit Knast bestraft.
Außerdem steht in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Festzeltbetreiber, dass Reservierungen nur für den Besteller und dessen Gäste gelten und nicht weiter verkauft werden dürfen. Die Händler betrügen also ihre Kunden.
Das könnte man dagegen tun
Weniger Reservierungen heißen nicht weniger Gewinn für die Händler, im Gegenteil, sagt Andreas: „Seit die Stadt die Reservierungen knapper gemacht hat, verdienen die Händler noch mehr, weil das Angebot knapper ist.“
Trotzdem, die Händler bewegen sich nicht (nur) wie häufig behauptet in einer rechtlichen Grauzone, in der sie nicht angreifbar sind, findet Andreas: „Wenn die Wiesnwirte wollten, könnten sie dafür sorgen, dass die dubiosen Geschäfte mit den Wiesnreservierungen aufhören.“ Allein im Onlinehandel: „Die Wirte können mit ihren Markenrechten gegen die Verkäufe, etwa bei Ebay, vorgehen. Und auf den Reservierungen sind ja oft die Nummern sichtbar. Warum werden diese Reservierungen nicht einfach storniert und dem ursprünglichen Käufer erstattet?“
Ein dritter Weg wäre der direkte Kontakt mit den Betrügern: „Es wäre leicht, sich mit den Händlern zum Scheinkauf zu treffen, sie anzuzeigen und ihnen ein Wiesnverbot zu erteilen.“ Einige Händler seien ohnehin in den Reservierungsbüros bekannt.
Offenbar wolle sich aber niemand ein Geschäft kaputt machen, glaubt Andreas. Nach dieser Veröffentlichung in der AZ will er deshalb sein Insider-Wissen auch der Stadt und den Ermittlungsbehörden zur Verfügung stellen. Auch mit Wirten will er sprechen und sich entschuldigen.
So reagieren die Wiesn-Wirte
Der Sprecher der Wiesn-Wirte, Toni Roiderer, sagt: „Bei mir gibt es das nicht, diese Vorwürfe sind lächerlich und unverschämt. Und bei meinen Kollegen kann ich mir das auch nicht vorstellen.“ Die Wirte würden gegen den Handel vorgehen, hätten nun aber nicht genug Zeit, jede einzelne Auktion im Internet zu kontrollieren.
Trotzdem würde man jedes Jahr mehrere Händler erwischen. Außerdem sei die Zahl der Betrugsfälle im Vergleich zu den Reservierungen gering. „Die Zahl der Tische auf dem Schwarzmarkt liegt im Vergleich zur Gesamtanzahl im Promillebereich.“ Im Schützen-Festzelt schließt man sich dem Wirtesprecher an.
Verena Able, Reservierungsleiterin im Marstall-Festzelt, sagt, sie tue viel gegen den Schwarzhandel: „Wir versuchen herauszufinden, welche Gäste ihre Reservierungen weitergeben und wer dahinter steckt – und gehen dann auch gerichtlich dagegen vor.“ Man habe das Zelt markenrechtlich schützen lassen, außerdem seien bereits Reservierungen wegen des Verdachts auf unerlaubten Handel storniert und Scheinkäufe getätigt worden. „Wir werden das alles nach der Wiesn in Ruhe aufbereiten.“
Das Hofbräu-Team will mit dem Insider zusammenarbeiten
Für Michael Käfer spricht seine PR-Expertin Marion Weiß mit der AZ. Sie sagt: „Das Team der Käfer Wiesn-Schänke tut alles, um Betrüger zu erwischen. Wenn wir Hinweise auf kriminelle Händler erhalten, gehen wir sofort dagegen vor.“
Sehr ausführlich und offen nehmen Richard und Silja Steinberg, die Junior-Generation der Wirte im Hofbräu-Zelt, Stellung zu den Informationen der AZ. Sie sagen: „Uns ärgert der Betrug. Wir wollen alles dagegen tun, was möglich ist.“
Erst vor wenigen Tagen hat die Reservierungsleiterin des Hofbräu-Zelts, Angela Ofenstein, zwei niederländische Händler überführt, die sich recht dumm angestellt hatten.
Meistens sei es schwieriger, erzählt sie: „Wir schauen die Online-Auktionen durch und stornieren alle Reservierungen, bei denen Nummern ersichtlich sind. Aber das ist oft undurchsichtig: Es gibt Zwischenhändler, Tische werden gestückelt oder gesammelt angeboten, Namen sind häufig gefälscht. Wir können Reservierungen aber nicht nur persönlich gegen Ausweis ausstellen, weil Kunden von außerhalb dann extra anreisen müssten.“
Zu den Vorwürfen sagt sie: „Es gibt kurzfristig immer mal Tische, vor allem unter der Woche und mittags. Die kriegt man aber nicht für ein Trinkgeld, sondern wenn es eben gerade was gibt.“ Über die ganze Wiesn würden für 80 000 Reservierungen im Hofbräu-Zelt insgesamt 1600 Euro Trinkgeld gegeben. Ein Trinkgeld von 100 Euro sei eine Ausnahme.
Die Wirte-Familie will nun mit Hilfe des AZ-Informanten so viele Händler wie möglich überführen. Andreas hat der AZ ein Treffen mit den Wirten zugesagt.