Sauerei mit illegalen Wiesn-Reservierungen! AZ enthüllt
München - "Eine Wiesn, Marstall, Schützen-Festzelt, Winzerer Fähndl, Käfer. „Sag mir, was du brauchst, ich krieg’s.“
Klingt einfach. Dabei hat es der AZ-Reporter selbst versucht, mehrmals angefragt, per Mail und persönlich – und immer eine Absage bekommen. Aber für Andreas ist das kein Problem. Er hat gleichzeitig mit dem AZ-Reporter angefragt und prompt die gewünschte Reservierung bekommen: Zwei Tische am kommenden Wiesn-Samstag, in dem Zelt, für das der AZ-Reporter nur Absagen bekommen hat. Angefragt und ausgestellt nur ein paar Tage vorher. Auf einen vereinbarten Fantasienamen.
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Und das ist bei Weitem nicht die einzige Reservierung, die er hat. Am gleichen Tag reserviert Andreas nochmal Plätze. Wieder für den letzten Wiesn-Samstag.
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Andreas ist Profi. Er handelt seit sechs Jahren mit Wiesn-Reservierungen, hat sich hunderte Tische erschwindelt und damit enorme Summen auf dem Schwarzmarkt verdient.
Nun will der Händler aussteigen, bevor ihn die Fahnder erwischen. „Wer einmal in die Ticketmafia reinrutscht, kommt schwer raus“, sagt er. „Aber ich will es schaffen.“
Er wird nächste Woche zur Polizei gehen und sich selbst anzeigen. Und er will, dass die kriminellen Geschäfte mit den Wucher-Reservierungen ans Licht kommen. Deshalb hat Andreas, dessen richtiger Name der Redaktion bekannt ist, der AZ alles über den Wiesntisch-Schwarzmarkt erzählt.
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So teuer sind die Plätze
Reservierungen kosten dieses Jahr je nach Zelt und Tageszeit zwischen 20 und 85 Euro pro Person. Macht für einen Tisch mit zehn Leuten zwischen 200 und 850 Euro. Da sind dann neben einem Tisch für zehn Personen auch Verzehrgutscheine für jeden drin, etwa für zwei Maß Bier und ein Hendl.
Auf dem Schwarzmarkt sind die Preise natürlich wesentlich höher. Für eine Tischreservierung am mittleren Wiesn-Samstag im Schützenfestzelt werden etwa 4500 Euro verlangt. Und das sind noch die Preise, die im Netz stehen. Wenn vor Ort besonders dringend ein Tisch her muss, zahlen Kunden auch schon mal 6000 Euro für einen Abendtisch, berichtet der Händler. Und das teils rein für die Reservierung – ohne die Verzehrgutscheine.
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Für einen Doppeltisch werden also Preise über 10 000 Euro bezahlt. Sogar für Einzeltische soll schon so viel bezahlt worden sein.
Auch Andreas’ Reservierung ist wertvoll: Zwei Tische zur gleichen Zeit im gleichen Zelt tauchen am gleichen Tag bei Ebay für 3440 Euro auf – und das nicht mal mit allen Marken.
Da kommen die Plätze her
Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten: Überkontingente, Neureservierungen und Fälschungen. Letztere sind bei den Profi-Händlern selten. „Die wollen das ja jahrelang machen und keine Kunden vergraulen“, sagt Andreas.
Überkontingente kommen meistens von Firmen. „Das sind Stammgäste der Zelte, die mehr Reservierungen haben, als sie brauchen.“ Storniert werden diese Reservierungen kaum. „Dann würde die Firma ja im nächsten Jahr weniger bekommen, das will keiner. Außerdem können die Leute, die bei den Firmen für die Reservierungen zuständig sind, dann auch noch was verdienen.“
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Die dritte Möglichkeit: Reservierungen, die es noch nicht gibt. Andreas glaubt: „In jedem Zelt sind täglich noch Plätze frei, sonst ginge das gar nicht.“ Man müsse nur das Reservierungsbüro kennen, geschickt sein und sich beim dortigen Personal, den zuständigen Bedienungen sowie der Security angemessen erkenntlich zeigen, erzählt Andreas. Grundsätzlich seien alle Zelte betroffen, sagt Andreas. Sogar die Oide Wiesn: „Die Tische dort werden an Touristen verkauft, die nicht wissen, dass Sie dann nicht in einem Party-Zelt landen.“ In manchen Zelten sei es schwieriger als in anderen.
So kommen die Händler an die Plätze
Reservierungen aus Überkontingenten von Firmen landen entweder in Kleinanzeigen im Internet, wo die Händler sie kaufen, oder sie werden direkt an die Händler gegeben – denn die bauen natürlich auch Kontakte zu den Firmen auf. Allein während einem der Gespräche mit dem AZ-Reporter bekommt Andreas mehrere Anrufe mit Tisch-Angeboten.
Die neu angelegten Reservierungen bekommen die Händler über verschiedene Tricks in den Reservierungsbüros. „Zum einen geht es natürlich um Geld“, sagt Andreas. Beim Testkauf, zu dem ihn die AZ begleitet hat, legte er knapp 100 Euro Trinkgeld hin. „Das habe ich vorher in meiner Mail schon angekündigt“, sagt er und zeigt die Mail. In einer anderen Mail bedankt sich die Mitarbeiterin eines Reservierungsbüros für das Trinkgeld, das ein Kurier dabei hatte, als er die Gutscheine für Andreas abgeholt hat.
„Es ist wichtig, dass man wichtig tut“, sagt Andreas. „Namen nennen, die nach Geld und Prominenz klingen, wichtige Anlässe vorgeben oder ankündigen, viel zu konsumieren.“ Ist man hartnäckig, heiße es bald, dass das Reservierungsteam „nach ausgiebiger Recherche noch was gefunden“ habe.
Es geht ganz spontan – ein „Trinkgeld“ tut’s
Etablierte Händler bekommen am gleichen Tag noch eine Reservierung. Andreas legt dem AZ-Reporter eine solche vor: zwei Tische im Mittelschiff eines Zelts um 17 Uhr, reserviert am gleichen Tag um 15.30 Uhr. „Da hab ich im Reservierungsbüro Etiketten bekommen, die konnte ich dann auf die Tische kleben. Und dann wurde der freigemacht. Die Bedienung hat den Leuten gesagt, dass sie gehen müssen.“ Dafür habe sie ein Trinkgeld bekommen. Und falls die Leute den Tisch nicht räumen wollen? „Dann bekommen auch zwei Herren von der Security ein Trinkgeld.“
So werden die Plätze verkauft
Treffpunkte sind laut Andreas etwa die Luxushotels um den Hauptbahnhof, die Hackerbrücke und Hinterausgänge von Zelten. Hier werden die Reservierungen spontan gehandelt. Die meisten Reservierungen werden aber bei den Händlern bestellt, meist telefonisch über Kontakte von Händlern. „Verteilt werden die Reservierungen dann oft wieder über Kurierdienste, die das Geld zurückbringen“, sagt Andreas. Außerdem werden Reservierungen über andere Händler weitergereicht, dabei steigt natürlich der Preis.
Und schließlich werden Reservierungen natürlich auch noch im Internet verkauft. Der Redaktion liegen die Namen mehrerer Händler vor.
Die Verzehrgutscheine und die Einlassbändchen, die bei den Reservierungen dabei sind, verkaufen die Händler oft extra. Für ein Bändchen bekommen sie 35 bis 40 Euro, zehn Bändchen sind pro Tisch dabei, macht bis zu 400 Euro extra. Und auch die Verzehrgutscheine werden häufig separat zu Geld gemacht: „Da verkaufst du einer Bedienung einfach einen Packen Zehn-Euro-Marken für je sechs Euro, dann hast du noch zusätzlich was verdient – und sie auch, weil sie die Marken natürlich teurer abrechnen kann. Jeder ist glücklich.“
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