Halbzeit-Bilanz der Oktoberfest-Macher: Unser neues Wiesn-Gefühl
München - Nach drei Jahren Pause hat das Mega-Volksfest den Neustart gewagt. Doch wie ist es, dieses Post-Pandemie-Oktoberfest? Welche erste Bilanz ziehen Wirte, Schausteller und Besucher? Ein Blick auf ein Fest, das sich anders und ruhiger, aber eben auch deutlich entspannter anfühlt.
"Ich sehe überall glückliche Gäste"

Clemens Baumgärtner (CSU), Wiesnchef: "Mein Gänsehaut-Moment war der Anstich. Als der Oberbürgermeister angezapft hat, da wusste ich: Jetzt geht es wirklich los, der Zug ist in Gang gesetzt und er wird nicht mehr stehenbleiben. Mein Fazit nach der ersten Woche: Ich bin top-top-top-super-zufrieden! Ich finde, nach drei Jahren Pause hat es überraschend wenig Probleme und Bedarf für Nachjustierungen gegeben. Ich sehe überall glückliche Gäste, wir haben wieder viele Besucher aus dem Ausland. Mich freut sakrisch, dass wieder so viele Amerikaner da sind, das zeigt doch auch das Vertrauen in die Sicherheit unseres Fests. Ja, es sind weniger Gäste hier, aber was wäre denn, wenn es so viele wären wie 2019? Dann würden wieder manche schimpfen, dass es überall zu voll sei. Entscheidend ist, wie zufrieden die Leute sind. Und sie sind sehr zufrieden. Alle freuen sich, dass die Wiesn überhaupt wieder stattfindet."
"Die Wiesn macht mir richtig Spaß"

Paulina (25), Polizeimeisterin: "Ehrlich gesagt war ich bisher kein großer Fan. 2019 war ich zum ersten Mal auf der Wiesn. Das war ein privater Ausflug. Der Job auf der Wiesnwache, den ich in diesem Jahr zum ersten Mal übernommen habe, hat mir aber ein völlig neues Bild von der Wiesn verschafft. Ich habe viele neue und interessante Dinge kennengelernt. Inzwischen bin ich ein echter Wiesnfan. Mir macht die Arbeit auf dem größten Volksfest der Welt Spaß. Vor allem, wenn das Wetter schön ist und die Leute gut drauf. Ich würde auch gerne privat mal über die Theresienwiese bummeln, allerdings lässt der Schichtplan dazu wenig Gelegenheit. Ich bin an allen 17 Tagen mit meinen Kollegen auf dem Oktoberfest. Wegen Corona mache ich mir wenig Gedanken. Ich bin geimpft, zudem können wir uns jeden Tag auf der Dienststelle testen lassen."
"Ein bisschen ist es wie eine Sucht"

Irene und Alfred Oberlader, Wurstbraterei Oberlader: "Jeden Tag haben wir in den Postkasten geschaut, ob die Zulassung für die Wiesn schon da ist. Als klar war, dass wir wieder dabei sind, haben wir uns schon sehr gefreut, auch wenn wir nicht wussten, was dieses Jahr auf uns zukommt. Aber das geht ja allen gleich in diesen Zeiten. Seit 21 Jahren sind wir mit unserem Stand auf der Wiesn. Das Flair ist einfach einzigartig. Ein bisschen ist es auch wie eine Sucht. Da denken wir, das war das letzte Jahr, diesen Wahnsinn tun wir uns nimmer an. Und dann sind wir doch wieder da und es ist toll. Heuer sind die Leute überwiegend freundlich. Es sind schon weniger Besucher, dafür ist es entspannt. Unsere Stammkunden freuen sich, dass wir wieder da sind – und wir auch. Bei uns arbeitet die ganze Familie mit, dann sind wir beinander, das hat Tradition."
"Mein Herz hat direkt jubiliert"

Matthias Niederländer (52), Karussellbetreiber: "Seit 37 Jahren bin ich mit der Krinoline auf der Wiesn. Als klar war, dass sie wieder stattfindet, hat mein Herz direkt jubiliert und es hat gekribbelt bis in die Haarspitzen. Dieses Jahr hat die Wiesn so eine Leichtigkeit. Das Publikum ist sehr entspannt, es sind weniger Betrunkene unterwegs. Es ist richtig schön. Klar, das Wetter könnte besser sein, dann wären es wohl mehr Besucher. Aber diejenigen die trotzdem kommen, sind unverwüstlich. Die Zeit dazwischen haben wir für eine Betriebsfeier und die Karussellrenovierung genutzt. Umso schöner ist es jetzt, wieder da zu sein auf unserer Wiesn."
"Sensationell und perfekt"

Jens Fiedler (55), Unternehmensberater: "Die Wiesn heuer ist sensationell. Die Stimmung ist perfekt. Jetzt spielt auch noch das Wetter mit. Wir sind extra mit dem Bus aus Dresden angereist. Wir sind jedes Jahr dabei – immer am Freitag vom mittleren Wochenende. Und sitzen tun wir immer in der Ochsenbraterei – da schmeckt's am besten. Und die Stimmung ist dort auch immer top. Bis jetzt ist dieses Jahr alles wie immer. Ein bisschen wenig los vielleicht – aber so langsam füllt es sich. Und die meisten haben wieder tolle Trachten an. Ich finde gut, dass die Tradition bewahrt wird. Das gefällt mir."
"Man merkt schon, was einem zwei Jahre lang gefehlt hat"

Peter Bausch (40), Betreiber des Fahrgeschäfts „Top Spin No. 1“ und Sprecher der Münchner Schausteller: "Das Wiesngefühl hat für uns schon zwei Wochen vorher mit dem Aufbau angefangen. Nach der langen Durststrecke war die Freude dieses Jahr natürlich besonders groß. Endlich dürfen wir wieder ein Teil der Wiesn sein! Man merkt schon, was einem zwei Jahre lang gefehlt hat. Denn was wir machen, ist Beruf und Berufung zugleich. Meine Familie ist schon seit dem Jahr 1908 auf der Theresienwiese. Mein Urgroßvater brachte damals den Tobbogan aufs Oktoberfest. Den Top Spin betreiben wir jetzt aber auch schon seit 1990 – und wir waren die ersten auf der Wiesn damit."
Rudolf Bausch (82), Vater von Peter Bausch: "Ich kenne mich gut aus auf der Wiesn. Als kleiner Bub war ich zum ersten Mal im Jahr 1947 hier, und zwar auch zu einer besonderen Wiesn. Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Fest anders als vor dem Krieg. Von 1946 bis 1948 wurde die Wiesn nur als 'kleines Herbstfest' gefeiert."
"Es ist entspannter"

Felix Czbikla (36), Jurist: "Die Wiesn ist heuer sehr, sehr gut. Alles läuft geordnet. Mit der ganzen Security fühlt man sich sehr sicher."
Rieke Fuhrmann (32), Betriebswirtin: "Es ist heuer entspannter, weil zumindest gefühlt weniger los ist. Das ist aber auch super gut, weil man als Münchner auch mal abends spontan hergehen kann."
"Die Maschine läuft wieder an"

Hanna Sammüller-Gradl (Grüne), KVR-Chefin: "Die Maschine Oktoberfest musste nach drei Jahren natürlich erstmal wieder anlaufen, doch das tut sie jetzt. Ob die Wiesn bisher meine größte Aufgabe im Amt ist? Gar nicht unbedingt. Gewissermaßen waren die Riesen-Konzerte in Riem eine größere Herausforderung, weil das ganz neu war und wir uns nicht auf Erfahrungswerte beziehen konnten. Persönlich genießen kann ich die Wiesn bisher aber nicht. Meine Termine waren alle dienstlich, und wenn ich über das Gelände laufe, sehe ich auch überall nur meine Fragestellungen. Könnte es hier ein Gedränge geben? Sind hier genug Ordner? Solche Sachen. In der zweiten Woche will ich aber mal mit meinen Kindern rausgehen. Da freue ich mich schon drauf. Ich denke, wir fahren Wilde Maus. Das ist mir auch schon fast zu wild, aber zum Glück sind meine Kinder noch so klein, dass ihnen das noch reicht."
"Wiedersehensfreude mit den Gästen im Zelt"

Peter Inselkammer (52), Sprecher der Wiesnwirte: "Meine Freude über die Wiesn ist jedes Jahr riesig. Auch nach der langen Pause ist die Stimmung im Zelt wieder so toll wie früher. Aber in diesem Jahr ist es etwas ganz Besonderes. Denn zur Wiesnfreude ist jetzt noch die Wiedersehensfreude dazugekommen. Wir freuen uns sehr, unsere Stammgäste endlich wieder zu sehen."
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