Die Wiesn nachhaltiger gestalten: "Eine Haxe ist fast Körperverletzung"
München - Kein Wegwerfgeschirr, sieben Zelte haben ein Wassersparsystem. Die Wiesn gilt als Großveranstaltung mit durchdachtem Öko-Konzept. Beim Energieverbrauch und den Wiesn-Schmankerln ist bei der Nachhaltigkeit jedoch viel Luft nach oben.
Bio-regionales Essen auf der Wiesn
Koch und Berater für ethische Kulinarik, Vincent Fricke, plädiert für einen "anderen Twist". Seine Utopie für ein bio-regionales Wiesn-Essen will er mit der Stadtpolitik besprechen. Bei einem Workshop vom Nord-Süd-Forum und Misereor wurden die Ideen des Beraters für Transformation in der Gastronomie bereits diskutiert. In der AZ berichtet Fricke von seinen Ideen.
Portionsgrößen überdenken
AZ: Herr Fricke, wie werden die Speisen auf der Wiesn am schnellsten nachhaltiger?
VINCENT FRICKE: Das Wichtigste ist, die Portionsgrößen zu überdenken. Ist es sinnvoll oder fast schon Körperverletzung eine Haxe zu servieren? In meiner Zukunft werden aus zwei Hendl sechs Portionen. Das ist aufwendiger, damit es lecker aussieht. Die Keule wird ausgelöst, dazu kommt ein Flügel auch und ein Stück Brust. Man kriegt das hin, drei identische Gerichte, ohne dass jemanden etwas fehlt.

Sie beraten Wirte in Sachen pflanzenbasierter Küche, in der Fleisch eher ein Topping ist.
Bei einer reduzierten Fleischmenge am Teller von 50 oder 60 Prozent kann ich als Wirt anders einkaufen, nach dem Motto ois bio, ois bayerisch. Trotzdem beschneide ich niemanden in seinen karnivoren Bedürfnissen.
Fricke: "Ois bio, ois bayerisch - das ist ganz wichtig"
Wieso sind die Teller im Wiesnzelt eigentlich so üppig gefüllt?
Das ist ein Wirtephänomen. Meine Oma hat immer gesagt, lieber Schaden, als Schande. Als Wiesnwirt will man keine Kritikpunkte bekommen. Doch Zero Waste heißt auch Reste vermeiden - das ist meine Mission, auch in meinem Buch "Leftover".
Welche Gerichte schlagen Sie Küchen der Wiesn-Zelte vor?
Ois bio, ois bayerisch, das ist ganz wichtig. Auf der Speisekarte der Zukunft stünden bei mir Risotto mit Bergkäs. Dann ein "Möhr"-Dog, statt einem Hot-Dog, eine geschmorte Karotte in einer Laugenstange mit Weißkraut, oder eine "Bavaria-Bowl" mit Bio-Leberkäs und Brezn-Croutons. Ich möchte mit diesen Vorschlägen weg vom Suppenkoma, wie nach Knödeln mit Schwammerlsauce, wo man durch die viele Sahne quasi die Gewalt über seinen Körper verliert.
Fricke: "Traditionen leben, wenn man klug und offen mit ihnen umgeht"
Aber, was ist mit der Tradition?
Die bayerische Küche ist nicht zu fleischlastig - und: Ist Fleisch essen Tradition? Man könnte weg vom Vollfest zum Volksfest denken. Traditionen sind nicht starr, sondern leben, wenn man klug und offen mit ihnen umgeht. Es gibt diese andere Betrachtung der Wiesn weg von der Sauferei und Völlerei mehr zur Gemeinschaft.
Fricke: "Die Politik kann den Wirten Vorgaben machen"
Gibt es auf der Wiesn bereits Bio-Bier?
Nein, meines Wissens nach nicht. Die Brauereien haben sich abgesprochen. Hier gibt es ein Entwicklungspotenzial. Hacker liefert zum Beispiel dem Tollwood schon ein volksfesterprobtes Bio-Bier.
Welche Rolle spielt die Politik bei Ihrer Utopie der bio-regionalen Wiesn?
Die Politik schafft die Anreize und kann den Wirten Vorgaben machen. Die Politik hat es in der Hand, das umzusetzen, was meine Utopie bedeutet. Eine nachhaltigere Wiesn heißt, die No-Fleisch-Anteile zu erhöhen. Am besten macht die Stadt dann eine Kampagne daraus. Denn die Wiesn ist das meistkopierte Volksfest.
Letzte Frage: Was ist kulinarisch beim Oktoberfest eigentlich vegan?
Vegan gibt es fast nichts zu essen, nur die Brezn und eventuell den Kartoffelsalat mit Schnittlauch. Im Sauerkraut ist Öl und Speck, oft steckt Butter oder Sahne in den Gerichten. Aber mein Wiesn-Burger, der "Möhr"-Dog in der Laugenstange, der wäre vegan.
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