4.999 Euro für einen Wiesntisch? Die nächste Klage kommt
München - Man kann sich schon die Augen reiben, wenn man sich mal umschaut auf "tischreservierung-oktoberfest.de". Für die Wiesn 2022, von der noch nicht einmal klar ist, ob sie stattfinden kann (17. September bis 3. Oktober), bietet die Plattform Dutzende Festzelt-Tischreservierungen an - für den zehnfachen Preis, den sie wert sind, und mehr.

Nach Urteil: Betreiber bietet Wiesntische für andere Zelte an
Besagte Webseite, das ist die der Eventagentur S.A.M. mit Sitz in Chemnitz und München, gegen die sich die Ochsenbraterei-Wirtin Antje Schneider gerade erfolgreich vor Gericht durchgesetzt hat (AZ berichtete). Das Portal darf nun für ihr Oktoberfestzelt keine Reservierungen mehr anbieten, andernfalls droht eine Strafzahlung bis hin zu Ordnungshaft.

Das hindert den Betreiber aber nicht daran, munter weiter Tickets anzubieten - dann eben für zehn andere Oktoberfestzelte. Fürs Hofbräu-Festzelt am ersten Wiesnsamstagabend zum Beispiel kann man gerade eine Reservierung für einen "20er Doppeltisch" für den Mondpreis von 8.899 Euro kaufen.
Dafür bekomme man Plätze "für 20 Personen mit Reservierungsschreiben und Einlassbändchen/-karten", heißt es auf der Seite, inklusive Verzehrgutscheine für zwei Maß Bier und ein halbes Hendl pro Person. Zahlen muss man gleich, zum Beispiel per Paypal.
Wiesnwirtin Steinberg: "Dreister geht's überhaupt nicht"
Dazu muss man wissen: Wer bei Hofbräu-Wirtin Silja Steinberg direkt reserviert, zahlt nur für den Bier- und Hendlverzehr dieser 20 Personen. Das kostet rund 800 Euro. Womit S.A.M. beim Wiederverkauf (der laut der Vertragsbedingungen ausdrücklich nicht erlaubt ist) rund 8.000 Euro Gewinn einstreicht - und das nur für diesen einen Doppeltisch.
"Unmöglich", sagt Silja Steinberg zur AZ, "sich durch Nichtstun zu bereichern, mit solchen Summen, auf Kosten unserer Gäste. Dreister geht's überhaupt nicht."
Obendrein sind noch nicht einmal die Zulassungen der Wirte für die nächste Wiesn geklärt, weshalb Reservierungen in keinem Zelt möglich sind. Offiziell wird man sich erst im April Plätze sichern können.
Wie kommt Website-Betreiber zu den Wiesntischen?
Trotzdem: S.A.M. bietet 60 Tische und Doppeltische fürs Hofbräuzelt an, 60 fürs Paulaner Festzelt, 50 fürs Hackerzelt, 30 für die Bräurosl, je 36 fürs Marstall und Schützenfestzelt und 20 für Kufflers Weinzelt (da kostet ein 10er-Tisch 4.999 Euro).


Wie kommt die Agentur also an diese Tische, wenn sie dann wirklich bei den Wirten zu haben sein werden? Entweder über echte Einzelkäufer, die verbotenerweise weiterverscherbeln. Jedes Jahr fliegen einige auf, "die bekommen nie wieder eine Reservierung", erklärt etwa Wirtstochter Verena Able vom Marstall der AZ.
Oder, so wird vielfach gemutmaßt, über erfundene Mailadressen, die schwer zurückverfolgbar sind.
Schottenhammel ärgert sich über Wiederverkauf: "Absoluter Wucher"
Kommt dann jemand mit einer Mondpreis-Reservierung ins Festzelt und fällt dem Personal auf, hat er kein Anrecht auf den Tisch. Verena Able erinnert sich an eine Gruppe Spanier, "die hatten 2.000 Euro bei einem Wiederverkäufer für einen Tisch gezahlt. Wir wollten sie nicht so enttäuscht wegschicken, mit so einem schlechten Eindruck von München, also haben wir sie woanders untergebracht."
Nur vier der 14 großen Zelte spart S.A.M. bei seinen Angeboten aus, darunter das Löwenbräu-Festzelt. Hat Wirtin Stephanie Spendler eine Erklärung dafür? "Ich kann's mir nur so erklären", sagt sie, "dass sich herumgesprochen hat, dass ich seit 34 Jahren die Reservierungen selber mache und jeden Abend eine Begrüßungsrunde durchs Zelt mache. Ich sehe sofort, wenn da Leute sitzen, die nicht reserviert haben."
Kräftig verdienen will die Agentur aber an der Schottenhamel Festhalle. 33 Tischangebote listet die Webseite für das Zelt auf, darunter diverse "10er Einzeltische" für 4.499 Euro (eigentlicher Wert: rund 400 Euro). "Absoluter Wucher" ärgert sich Wirt Christian Schottenhamel, "für mich ist dieser Herr ein echter Betrüger, zumal der für etwas abkassiert, was es überhaupt nicht gibt". Nach Antje Schneider will nun auch er den Klageweg gehen.

Die AZ hat den Betreiber am Mittwoch am Telefon erreicht. Komme ich mit so einem Ticket wirklich ins Zelt? "Natürlich kommen Sie damit ins Zelt", sagt er. "Und wenn Sie nicht reinkommen, bekommen Sie das Geld zurück." Wie genau das funktionieren soll, wollte er lieber nicht mehr erklären.