Oktoberfest-Tradition in München fällt aus: Wiesn-Chef Baumgärtner nennt die Gründe für die Absage "schlicht Schmarrn"
München - Für die einen ist es extrem schad, die anderen machen Freudenhüpfer. Wenn am 21. September die Wiesn startet, wird es im Südteil der Theresienwiese doch kein Zentral-Landwirtschaftsfest (ZLF) geben – die sechstägige Agrarschau ist überraschend abgesagt. Das heißt aber für die Oide Wiesn (die alle vier Jahre fürs ZLF pausieren muss), dass sie heuer doch spontan stattfinden darf. Aus der Schrumpf-Wiesn wird also doch eine große, mit rund 90 Schaustellern mehr als bisher vorgesehen. Die Hälfte davon wird auf der Oidn Wiesn stehen, die andere Hälfte im restlichen Südteil der Theresienwiese, wo nun mehr Platz für Buden und Fahrgeschäfte sein wird.
"Für uns ist das natürlich wunderbar", sagt Schausteller-Sprecher Peter Bausch, "aber dass das ZLF ausfällt, ist trotzdem traurig. Wir sind da als Kinder gern hinübergelaufen, damals gab's dort noch Ochsen und Kühe anzuschauen. Jetzt fehlt da ein Stück Tradition." Es hilft aber nix: Der Bayerische Bauernverband (BBV), der das Zentral-Landwirtschaftsfest seit 1949 ausrichtet, hat diese Woche bei der Stadt abgesagt, weil das Interesse der Aussteller massiv nachgelassen hat.
2020 fiel das Zentral-Landwirtschaftsfest in München wegen Corona aus
2016 hatten noch 650 Aussteller ihre Traktor-Neuheiten und anderen Geräte aus der Land- und Forstwirtschaft auf der Theresienwiese hergezeigt, Bauern präsentierten ihre Produkte, dazu gab's viel Programm mit Blaskapellen und Trachtengruppen und einen Ball im "Festzelt Tradition", wo Bauern und Wiesnbesucher Zwiefache tanzten. 280.000 Besucher wurden damals gezählt. 2020 fiel die Messe wegen Corona aus. Heuer versuchte man einen Neustart nach acht Jahren. Aber der ging schief: Es haben sich gerade mal halb so viele Aussteller angemeldet.
"Die Entscheidung ist uns schwergefallen", sagt BBV-Generalsekretär Georg Wimmer. Eine Absage sei nach über 200 Jahren Tradition undenkbar erschienen "und sie war für uns bis vor Kurzem auch nicht absehbar". Aber man werde "mit aller Kraft" daran arbeiten, dass es zum nächsten turnusmäßigen Termin 2028 wieder ein Fest auf der Wiesn geben wird.

Warum aber haben heuer so wenige Aussteller zugesagt? Beim Bauernverband erklärt man's so: "Die Stärke des Standorts Wiesn ist gleichzeitig auch eine Schwäche." Und das habe 2016 schon für Frust gesorgt, als zum damaligen Oktoberfest die Sicherheitsvorkehrungen extrem verschärft worden waren. "Davor", sagt Verbandssprecher Markus Drexler zur AZ, "konnte man mit dem Sattelschlepper unkompliziert auf die Wiesn fahren. 2016 war der Aufwand plötzlich immens."
Oide Wiesn findet 2024 doch statt: Clemens Baumgärtner findet ZLF-Absage "befremdlich"
Aussteller mussten Namen von Fahrern vorab registrieren, Zeitfenster einhalten, alles ein hoher Aufwand mit hohen Kosten." Da sei es heute deutlich einfacher, in andere Teile Bayerns auszuweichen, wo Gewerbeschauen "auf der grünen Wiese" stattfinden. Wie beim Karpfhamer Fest mit seiner Rottalschau in Niederbayern.
Auf die Kritik wegen strenger Sicherheitsvorkehrungen angesprochen, gibt sich Wiesnchef Clemens Baumgärtner (CSU) konsterniert: "Diese Beschwerde habe ich noch nie gehört." Die Gründe für eine Absage jetzt bei der Stadt zu suchen, findet er "befremdlich". Eine Registrierungspflicht für Fahrer, die aufs Gelände wollen, gelte nur während der Wiesn – nicht während der Zeit des Auf- und Abbaus. Zu behaupten, dass der Aufwand für Veranstalter so immens sei, "ist schlicht Schmarrn". Zuvor habe der Bauernverband ja mit zu wenigen Anmeldungen argumentiert. Baumgärtner ist empört darüber, "dass sie jetzt anfangen, der Stadt das in die Schuhe zu schieben." Zudem bekäme der Veranstalter des ZLF das Gelände kostenlos von der Stadt zur Verfügung gestellt. "Die Sicherheitsvorgaben haben nicht wir uns einfallen lassen, sondern es handelt sich um eine polizeiliche Vorschrift."

Wiesn-Stadträtin Anja Berger hält Verkürzung der Schau für denkbar
Wiesn-Stadträtin Anja Berger (Grüne) hält auch für denkbar, dass die Verkürzung der Schau auf sechs Tage (statt früher neun) Aussteller abgehalten haben könnte. Wer schon angemeldet war, wie die Baywa, einer der größten ZLF-Aussteller, ist Freitagfrüh jedenfalls kalt von der Absage erwischt worden: "Die Mail vom Bauernverband kam um 7.55 Uhr", erzählt eine Baywa-Sprecherin der AZ. "Wir waren natürlich schon mitten in der Planung." Eigentlich habe man auf 3768 Quadratmetern ZLF-Fläche Maschinen wie Traktoren und Agrarroboter ausstellen und das Unternehmen präsentieren wollen. Daraus wird nun nichts.
Auf das städtische Wirtschaftsreferat, das nun eilig umplanen muss, kommt nun einiges an Arbeit zu. "Ich kümmere mich jetzt um die Ausschreibung, wir hatten ja mit einer kleinen Wiesn 2024 gerechnet", sagte Wirtschaftsreferent und Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner (CSU) noch am Donnerstagabend der AZ. "Was diese Entscheidung jetzt für mich bedeutet, ist mit stressig nicht ansatzweise gut beschrieben."

Die Schausteller reagieren noch recht entspannt
Vergleichsweise entspannt reagieren die Schausteller: Die Wiesn sei für sie "ganz klar das Schwergewicht im Jahr", sagt Schausteller-Sprecher Peter Bausch. Wobei es kein Problem sei, sich kurzfristig zu organisieren: "Die Wiesn-Zulassungen kommen sowieso immer erst um Pfingsten rum, wir sind da völlig im Zeitplan."
Ein bisschen anders sieht das Yvonne Heckl, die Kuratorin des Museumszelts: "Für uns wird's jetzt sportlich", sagt sie der AZ. Neun Monate vor Wiesn-Beginn sei man in der Regel mit der Planung schon recht weit. "Ich habe am Donnerstag bis weit nach Mitternacht E-Mails verschickt und telefoniert", erzählt sie. Eine Herausforderung sei auch, dass das Stadtmuseum, aus dem das Zelt Exponate erhält, seit diesem Jahr wegen der Sanierung geschlossen ist. Viel zu tun also für die Kuratorin - die sich trotzdem über die Nachricht freut. "Das ist ein kleines Wunder", sagt sie, "ich war sprachlos."
Wie Peter Bausch hat auch Yvonne Heckl gern das Landwirtschaftsfest besucht. "Das habe ich immer geliebt. Ich würde mir wünschen für 2028 eine gemeinsame Lösung für die Oide Wiesn und das ZLF zu finden."
Menschen soll Landwirtschaft nähergebracht werden
Ein solches Konzept begrüßt auch die Wiesn-Stadträtin. Anja Berger schwebt ein historisches Fest vor, bei dem den Menschen die Landwirtschaft nähergebracht wird. "Auf die Oide Wiesn freue ich mich sehr, weil sie etwas Zauberhaftes ist und viele Fans hat", sagt sie im AZ-Gespräch.
Auf der Oidn Wiesn, dem kleinen, nostalgischen Teil des Oktoberfests mit historischen Fahrgeschäften und Festzelten, steht seit Jahren auch das Marionettentheater. Intendant Siegfried Böhmke hat die Neuigkeiten ebenfalls am Freitagvormittag gehört - und klingt relativ entspannt. "Das kommt sehr überraschend, ist für uns aber kein großer Aufwand. Wir haben alles griffbereit", sagt er der AZ. "Und natürlich freue ich mich!"

Bewerbungsschluss für die Oide Wiesn in München der 29. Februar
Das Theater, das nun womöglich doch wieder auf der Theresienwiese stehen wird, baut die Firma Pletschacher auf - wie die meisten Zelte auf dem Oktoberfest. Ob das nun mehr Stress bedeutet? Oberbaumeister Ulrich Pletschacher gibt sich gelassen. "Wir hätten das Festzelt Tradition so oder so aufstellen müssen", sagt er.
Das Zelt war fürs Zentral-Landwirtschaftsfest eingeplant – das Marionettentheater nicht. Pletschacher sieht hier kein Problem und gibt zu bedenken, dass die Bewerbungsphase gerade erst begonnen hat. "Man weiß noch nicht, wer wirklich kommt", sagt er. Der Bewerbungsschluss für die Oide Wiesn 2024 ist am 29. Februar, zeigt ein Blick auf die aktualisierte Webseite der Stadt.
Auch das Wiesnwirtepaar Christine und Lorenz Stiftl muss nicht umplanen und freut sich: "Wir waren mit der Schützenlisl schon für das ZLF vorbereitet, auch unsere Partner, die das Bio-Gemüse und Fleisch erzeugen, stehen in den Startlöchern. Jetzt können wir unser Volkssänger Programm mit Traudi Siferlinger wieder voll ausschöpfen." Schade sei es trotzdem für die Landwirte. Stiftl: "Sie gehören einfach auch zur Oktoberfesttradition und das schon seit den Anfängen."
- Themen:
- CSU
- Oide Wiesn