OEZ-Amoklauf: Dieser Mann fuhr freiwillig zum Großeinsatz

Helfen, auch wenn man selber Angst hat: Ein ehrenamtlicher Sanitäter schildert, wie er den Amoklauf erlebte.  
von  Annika Schall
Die Waffe ganz nah: Bilder wie diese sind bei vielen Rettungskräften wie Stefan Vinzenz noch heute präsent.
Die Waffe ganz nah: Bilder wie diese sind bei vielen Rettungskräften wie Stefan Vinzenz noch heute präsent. © AZ-Montage/imago/Bieber/ho

Helfen, auch wenn man selber Angst hat: Ein ehrenamtlicher Sanitäter schildert, wie er den Amoklauf erlebte.

München - Seit 17 Jahren ist Stefan Vinzenz ehrenamtlich bei den Johannitern als Sanitäter tätig, doch einen Einsatz wie den am Abend des 22. Juli hat auch er noch nicht erlebt.

Die Schicht des Speditionskaufmanns hat gerade begonnen, als er über die Leitstelle von der "Großlage" am OEZ erfährt. Von mehreren Toten und Verletzten ist die Rede. "So etwas kennt man in München sonst nicht, da fragt man sich schon, was da jetzt gerade passiert", so Vinzenz.

Der 38-Jährige fährt zu dem Einkaufszentrum. An der Ecke Georg-Brauchle-Ring und Hanauer Straße versammeln sich die Rettungsdienste. Von hier aus wird Vinzenz die nächsten Stunden sein Team koordinieren und sicherstellen, dass Verletzte im Ernstfall auch vor Ort versorgt werden können.

Den ganzen Abend über ist Vinzenz in unmittelbarer Nähe zum Tatort.

Auch er hört von einem möglichen Terroranschlag und von mehreren mutmaßlich flüchtigen Tätern.

Wie sicher die Umgebung des Einkaufszentrums zu diesem Zeitpunkt ist, weiß er nicht. "Natürlich hat man da gewaltige Angst", sagt Vinzenz.

Als Ehrenamtler muss er nicht bleiben, hätte sich jederzeit ablösen lassen können, "aber das wäre für mich nicht in Frage gekommen", sagt Vinzenz bestimmt. Bis um 1 Uhr nachts macht er so seinen Dienst vor Ort.

Improvisierter Behandlungsort vor einer Tankstelle

Zum improvisierten Behandlungsort auf dem Vorplatz einer Tankstelle kommen in dieser Nacht keine Verletzten. Stattdessen wird sie zur Anlaufstelle für all die Menschen, die vom Tatort fliehen konnten und nun nicht wissen, wohin mit sich. Obwohl er keine Menschen mit äußeren Verletzungen sieht, nimmt der Einsatz auch den erfahrenen Sanitäter sehr mit. "Das geht einem schon sehr nah, zu sehen, was ein Einzelner anrichten kann", sagt er.

Der 38-Jährige hat seitdem viel über die Amoknacht gesprochen. "Das Reden hat mir sehr geholfen", sagt Vinzenz. Vergessen kann er, wie wahrscheinlich viele Münchner, die in dieser Nacht am OEZ waren, die Eindrücke nicht so bald: "Ich denke immer noch daran, wenn ich in der Nähe unterwegs bin."

Daran, sein Ehrenamt aufzugeben, hat der 38-Jährige trotz der Eindrücke der Amoknacht nie gedacht. Vinzenz sagt: "Die Flinte ins Korn zu werfen, stand nie zur Diskussion. Ich möchte das so lange machen, wie es geht."

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