"Nur Geldmacherei": Händler in der Innenstadt in München gegen neue Garagen für Autos
München - Eigentlich arbeitet die Stadt schon seit längerem darauf hin, die vielen Autos von den belebten Straßen der Innenstadt fernzuhalten. 2020 beschloss man mehrere Maßnahmen: Unter anderem stiegen die Parkgebühren, Stellplätze wurden zugunsten von Fuß- und Radverkehr reduziert und die Dienerstraße wurde für den privaten Autoverkehr gesperrt. Auch das Tal soll, so will es die Stadtpolitik, langfristig zu einer Fußgängerzone oder zumindest zu einem stark verkehrsberuhigten Bereich werden.
Das Konzept autofreie Altstadt ist also mitten in der Umsetzung. Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU) hält das allerdings für keine gute Idee, wie er kürzlich in einem AZ-Interview sagte: "Die Stadt muss sich fragen: Nehme ich dem Individualverkehr noch das Letzte zum Atmen? Es gibt halt Menschen, die mit dem Auto in die Stadt fahren." Anstatt Parkplätze zu streichen, sollte man lieber Garagen schaffen und so die Zahl der Stellplätze erhöhen, so Baumgärtner. Konkret brachte er eine Tiefgarage zwischen Viktualienmarkt und Isartor ins Spiel.

Viele Händler in der Umgebung halten davon wenig – sowohl von einer neuen Parkgarage in einer Gegend, in der es ohnehin bereits unzählige gibt, als auch vom Konzept der autofreien Altstadt. Einige fürchten gar um ihre Existenz, sollte die Innenstadt einmal komplett für Autos gesperrt werden, darunter Christian Maier von Leo's Obststandl am Viktualienmarkt. In direkter Nähe eine weitere Garage zu bauen, die die bereits bestehende an der Schrannenhalle ergänzen würde, helfe dann auch nichts mehr: "Das ist nur Geldmacherei."
Autofreie Altstadt in München: Umstrittene Maßnahmen und Händlerbedenken
Eine autofreie Altstadt wäre aus Maiers Sicht eine Dummheit: "Damit könnte man unseren Markt kaputtmachen." Denn praktisch hält der 51-Jährige das Konzept für nicht umsetzbar: Viele seiner Kunden kommen mit dem Auto, sagt der Händler – der Transport mit den Öffentlichen sei nicht machbar, wenn man viel einkaufe. "Wer fährt denn mit drei Kilo Spargel in der U-Bahn heim?" Viele kämen zudem nicht nur zum Obst- oder Gemüsekaufen, so Maier, sondern verbinden ihren Besuch.
"Die gehen auch noch zum Metzger oder holen Blumen." Das alles nach Hause zu bringen, sei eine Herausforderung. "Man kann halt nicht alles mit dem Radl machen." Maier fürchtet, dass viele Kunden sich eine andere Einkaufsmöglichkeit suchen würden, wenn sie mit dem Auto nicht mehr in die Stadt kämen oder nicht mehr in der Nähe parken könnten. "Die gehen dann in die Supermärkte, die große Parkplätze haben."

Auch im Hackenviertel war vor Jahren die Ausdehnung der Fußgängerzone im Gespräch. Händler wie Sanita Berbic, Filialleiterin des kleinen Ladens "Wolltanke" in der Kreuzstraße, hoffen, dass es bei einer bloßen Idee bleibt: "Autofrei ist blöd. Mit unseren Öffentlichen ist man aufgeschmissen." Gerade, wenn man aus dem Umland in die Stadt wolle, sei man oft aufs Auto angewiesen.
In letzter Zeit habe man das wieder deutlich gemerkt, sagt Berbic: Erst der immer wiederkehrende Lokführerstreik, dann die witterungsbedingte Einstellung des Betriebs bei Schnee und Eis. Die Wollverkäuferin hat beobachtet, dass viele mit dem Auto in die Parkhäuser fahren und gleich mehrere Dinge in der Stadt erledigen. Noch eine Garage, wie Baumgärtner vorschlägt, findet auch Berbic unnötig. "Es sind schon genug da."
Händlerstimmen zur autofreien Innenstadt in München: Zwiespältige Meinungen
Wenn man überhaupt nicht mehr mit dem Auto in die Stadt fahren dürfte, befürchtet die Händlerin, dass weniger Leute kommen, wie sie sagt. Wobei sie auch glaubt: "Wer wirklich mit dem Auto kommen will, der kommt auch mit dem Auto." Die Leute würden sich dann eben einen Umweg suchen, der Verkehr verlagere sich nur. Berbic sieht daher keinen Nutzen in weiteren autofreien Zonen: "Wir haben eh schon viele Fußgängerbereiche."

Auch Michaela Furthmann vom Blumenladen "Fleurs Dekoration und Floristik" in der Hackenstraße findet das Konzept der autofreien Altstadt problematisch: "Es wird immer schwieriger, in die Innenstadt zu kommen." Insbesondere am Wochenende kämen viele mit dem Auto, auch bei den Minustemperaturen der vergangenen Wochen hätten zahlreiche Kunden ihr erzählt, dass sie das Auto in der Nähe stehen hätten.
Furthmann sieht wie Leo Maier vom Viktualienmarkt ebenfalls die Problematik des Transports. "Die Kaufkraft ist einfach stärker, wenn man mit dem Auto da ist." Sonst überlege man sich halt doch zwei Mal, ob man dieses oder jenes noch mitnehme, wenn man die Waren durch Züge und Haltestellen schleppen müsse. Zudem könne man Blumen im Auto auch besser transportieren, ohne sie zu zerdrücken, wenn es in der U-Bahn mal voll ist.
Vorbild Bad Tölz: Begeisterung für autofreie Innenstadt
Doch nicht alle Händler sind gegen die autofreie Innenstadt, manche würden sich durchaus darüber freuen. So wie Susanne Hofmann vom Tölzer Kasladen am Viktualienmarkt: "Eine Fußgängerzone hat immer einen Mehrwert. Das ist schön zum Flanieren." Die 60-Jährige kommt aus Bad Tölz, "das ist eine der schönsten Städte". Das liegt auch an der pittoresken Marktstraße: 1985 sollte diese in eine Fußgängerzone umgewandelt werden, erinnert Hofmann sich. "Da haben auch alle geschimpft." Nach einem vorerst halbjährigen Versuch wollte aber niemand mehr die Autos zurück.
Susanne Hofmann hat selbst ein Auto, wie sie sagt. "Aber in der Innenstadt fahre ich nur mit dem Rad." Die Käsehändlerin ist überzeugt, dass man im Münchner Zentrum ein ausreichendes Mobilitätsangebot habe. "Hier fährt so viel: Bus, U-Bahn, S-Bahn." Wenn gar nichts mehr fahre, könne man sich immer noch einen E-Roller leihen, wie Hofmann erst kürzlich ausprobiert hat.
Ihre Kunden kommen kaum noch mit dem Auto, sagt die Händlerin. Das liege weniger daran, dass sie keinen Parkplatz fänden, immerhin gebe es in der Nähe mehrere Parkhäuser. Die sind aber teuer: Vor Kurzem war Hofmann mit einer Freundin einen Kaffee trinken, berichtet sie, "der hat vielleicht sechs Euro gekostet". Ihre Freundin habe im Parkhaus aber fast 15 Euro an Gebühren gezahlt. Susanne Hofmann glaubt, dass es für die Zukunft ein neues Konzept braucht – weg vom eigenen Auto, hin zu Leihfahrzeugen. Auch Lastenräder zum Mieten kann sie sich gut vorstellen: Damit könnte man ihrer Ansicht nach auch größere Einkäufe transportieren.
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