NSU-Prozess: Was bezweckt Zschäpe mit ihrer Aussage?

München - Die Hauptangeklagte im Münchner NSU-Prozess, Beate Zschäpe, will am Mittwoch ihr Schweigen brechen. Das kündigte die Kanzlei ihres Anwalts Mathias Grasel an. Bisher schwieg sie in dem seit zweieinhalb Jahren dauernden Verfahren. Das sind die Fragen, die sich jetzt stellen:
Warum ändert Zschäpe ihre Strategie?
Wohl deshalb, weil sie nicht mehr vom Erfolg des Schweigens überzeugt ist. Bundesanwaltschaft und Nebenkläger betonten immer wieder, die bisherige Beweisaufnahme habe die Vorwürfe gegen sie bestätigt. Prozessbeteiligte vermuten, ihr könne lebenslange Haft mit Sicherungsverwahrung drohen. Sie müsste dann damit rechnen, nie wieder in Freiheit leben zu können.
Platzt jetzt der Prozess?
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Eher nicht. Aber er könnte sehr viel länger dauern als gedacht. Die Beweisaufnahme galt bisher als annähernd abgeschlossen. Die Prozessbeteiligten erwarteten ein Urteil im kommenden Frühjahr oder Sommer. Jetzt müsste das Gericht aber überprüfen, ob Zschäpes Aussagen stimmen und welchen Wert sie haben. Große Teile der Beweisaufnahme müssen möglicherweise wiederholt, neue Beweise herangeschafft werden. Das könne noch einmal ein oder zwei Jahre dauern, ist zu hören.
Wird Zschäpe selber reden?
Nein, jedenfalls noch nicht. Am Mittwoch wird nur Anwalt Grasel das Wort ergreifen und eine Erklärung der Hauptangeklagten verlesen. Ob Zschäpe später auch selber das Wort ergreifen oder Fragen beantworten wird, war zunächst unklar.
Was sagen die anderen drei Verteidiger Zschäpes dazu?
Bekannt ist, dass Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm nach wie vor davon überzeugt sind, dass Schweigen für Zschäpe die beste Verteidigung sei. Die drei Anwälte sind auch nach wie vor gerichtlich bestellte Pflichtverteidiger Zschäpes und dürfen eigenständig agieren. Bisher äußern sie sich nicht dazu, dass Zschäpe reden will. Aber wenn sich Grasel am Mittwoch zu Wort meldet, dann könnten sie darauf reagieren.
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Kommt Zschäpes Aussage überraschend?
Nein. Bereits im Juli schrieb sie dem Gericht, sie wolle "etwas" sagen. Da versuchte sie, Stahl, Heer und Sturm als Verteidiger loszuwerden. Ähnlich hatte sie sich sogar schon kurz nach ihrer Festnahme im November 2011 geäußert. Da sagte sie einem Kripo-Ermittler, sie habe sich nicht gestellt, um nichts zu sagen. Über eine bevorstehende Aussage waren in den vergangenen Wochen immer mehr Gerüchte kursiert.
Kann Zschäpe dank einer Aussage tatsächlich mit einer milderen Strafe rechnen?
Verteidiger Grasel und die Anwälte seiner Kanzlei scheinen das zu hoffen. Sie haben angekündigt, Zschäpes Aussage werde "umfassend" sein – ein Hinweis darauf, dass sie ihr gesamtes Wissen über den "Nationalsozialistischen Untergrund", über die Morde und über die Unterstützer preisgeben will. Sollte sie nämlich nur einige ausgewählte Aspekte beichten und ansonsten weiter schweigen, wäre das juristisch "Teilschweigen" und würde ihre Lage nach einhelliger Meinung verschlechtern.