NSU-Prozess: „Gerichtssaal viel zu klein“

Am 17. April beginnt in München das Verfahren gegen fünf mutmaßliche Neonazi-Terroristen. Die Plätze könnten im Losverfahren vergeben werden – auch ein Public Viewing ist denkbar
Christian Pfaffinger |
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Der untere Bereich im Schwurgerichtssaal wird für Prozessbeteiligte reserviert sein. Journalisten und Zuschauer müssen sich die 100 Plätze auf der Galerie teilen.
imago Der untere Bereich im Schwurgerichtssaal wird für Prozessbeteiligte reserviert sein. Journalisten und Zuschauer müssen sich die 100 Plätze auf der Galerie teilen.

München - Noch knapp sieben Wochen, dann stehen fünf mutmaßliche Rechtsterroristen in München vor Gericht. Die Anspannung vor dem Prozess ist groß, das Interesse daran riesig. Und der Saal, in dem verhandelt wird, ist zu klein. Viel zu klein.

Zehn Menschen sollen die mutmaßlichen Mitglieder der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) ermordet haben. Am 17. April beginnt nun der Prozess gegen Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Komplizen am Oberlandesgericht München.

Nur wenige, die zusehen wollen, werden das auch können. Der Schwurgerichtssaal A101 ist der größte Verhandlungssaal, den das OLG hat. Aber der Platz reicht nicht. Der untere Publikumsbereich ist für die Nebenkläger und ihre Anwälte reserviert. Wie viele der Nebenkläger kommen, weiß das Gericht noch nicht. Die Plätze werden ausgebaut, Tische dazugestellt, Steckdosen angebracht.

Journalisten und Zuschauer sitzen auf der Galerie. 50 Plätze gibt es dort für die Öffentlichkeit, 50 für die Presse. Und wo noch ein Stuhl hinpasst, wird einer hingestellt. Doch Politiker klagen: Für diesen Prozess ist das trotzdem viel zu wenig.

„Der NSU-Prozess ist ein Jahrhundertprozess und in seiner Bedeutung nur vergleichbar mit den RAF-Prozessen“, meint SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz. Er schimpft: „Das ist ein eindeutiges Versagen der bayerischen Justiz.“ Bayerische Politiker wie die Grünen-Rechtsexpertin Susanna Tausendfreund fordern, den Prozess zu verlegen.

Bereits im November suchten Politiker und das Gericht nach einer Alternative. Einige forderten, einen Raum im Stadtgebiet anzumieten, etwa den Sophiensaal in der Oberfinanzdirektion, wo sonst Konzerte gespielt werden. „Absurd“ nennt Justizsprecher Hans-Kurt Hertel das. „Wir könnten die Sicherheit dort nicht gewährleisten.“ Auch eine Verlegung in die JVA Stadelheim sei ausgeschlossen. „Das ist Zukunftsmusik“, sagt Hertel. Dort werde ein großer Saal gebaut, der sei aber erst ab 2015 fertig. So lange will niemand warten.

„Allen ist bewusst, dass der Saal zu klein ist“, sagt Hertel. „Das ist höchst unbefriedigend“. Aber es gebe eben keine Alternative. Die Plätze werden dann nach dem „Prioritätsprinzip“ verteilt. Das heißt: Wer zuerst kommt, darf rein. Die Grünen-Politikerin Susanna Tausendfreund befürchtet ein Chaos – und dass Rechtsextreme die Plätze für sich reservieren könnten. „Ich traue der rechten Szene zu, dass sie schon lange vor dem Prozess das Justizgebäude belagert.“

Dann drohen Bilder wie Anfang Januar am Münchner Amtsgericht: Mitglieder der rechten Szene behinderten im Prozess gegen zwei Neonazis Journalisten bei der Arbeit. Sie beschmierten Kameraobjektive und rempelten Fotografen und Journalisten an. Organisierte rechtsextreme Gruppen könnten die Einlass-Strategie beim NSU-Prozess ausnutzen, um möglichst viele Plätze zu besetzen.

Damit das nicht passiert, fordert Grünen-Politikerin Tausendfreund: „Die Plätze müssen anders vergeben werden. Ein Losverfahren wäre besser.“ Am OLG sieht man die Gefahr, weiß aber keine Lösung. Justizsprecher Hertel sagt: „Es ist denkbar, dass eine Gruppe versucht, sehr früh da zu sein und so die Plätze für sich zu reservieren. Ein Losverfahren ist nach derzeitigem Stand aber trotzdem nicht geplant.“

Eine Idee für mehr Plätze hat der SPD-Landtagsabgeordnete Horst Arnold: Eine Live-Übertragung des Prozesses in einen Zuschauerraum im Gerichtsgebäude. „Das muss datenschutzrechtlich klar geregelt werden, aber dann wäre eine Art Public Viewing vielleicht eine Lösung.“

Lesen Sie hier: Manfred Götzl: Der Richter für alle Fälle

 

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