NSU-Prozess: Das Gericht spielt Lotto

Jetzt werden die Presseplätze beim NSU-Prozess nach dem Losverfahren vergeben. Auch die Abendzeitung muss nun um ihren vormals sicheren Platz bangen
Nina Job |
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München - Im ersten Durchgang gewannen die schnellsten, dieses Mal entscheidet das Los. Nach der heftigen Kritik an der Platzvergabe im NSU-Prozess und einer höchstrichterlichen Watschn hat der Vorsitzende Richter Manfred Götzl am Freitag eine Verfügung erlassen, die das Akkreditierungsverfahren für die 50 Journalisten-Plätze im Saal 101 völlig neu regelt.

Nun werden vier Plätze an türkische Medien vergeben – acht der zehn NSU–Mordopfer stammten aus der Türkei. Außerdem bekommen ein griechischer und ein persischer Berichterstatter je einen Platz. Der Hintergrund: Der Ermordete Theodoros Boulgarides aus München war Grieche. Bei einem Sprengstoffattentat der NSU 2001 in Köln wurde eine Deutsch-Iranerin (19) im Geschäft ihrer Eltern schwer verletzt.

Die Abendzeitung, die im ersten Akkreditierungsverfahren einen Platz sicher hatte, muss sich nun durch die neue Regelung mit allen Tageszeitungen Deutschlands, die sich vor Ort selbst ein Bild machen wollen, um einen von acht Plätzen bewerben. Die Medien werden am 29. April per Los im Oberlandesgericht (OLG) ausgelost.

Damit dabei alles seine Richtigkeit hat, wird ein Notar die Ziehung überwachen. Das Medien-Lotto findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Die neue Regelung im Detail: Das Gericht hat die Medien in drei Gruppen eingeteilt. Fünf Plätze werden an in- und ausländische Nachrichtenagenturen vergeben. Zehn Plätze gehen an deutschsprachige Medien mit Sitz im Ausland und fremdsprachige Medien. 35 Plätze schließlich werden an weitere deutsche Medien vergeben.

In dieser Gruppe gibt es Kontingente für öffentlich-rechtliche und private TV- und Radiosender (insgesamt zehn Plätze) sowie vier Plätze für wöchentlich erscheinende Publikationen. Die Reaktionen Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), bewertete das Losverfahren als positiv. Es stehte für die „notwendige Offenheit und Transparenz“, sagte sie. Auch Ismail Erel, Vizechefredakteur der türkischen Zeitung Sabah, begrüßt das neue Verfahren. „Es ist fair, es ist transparent.

Lesen Sie hier den AZ-Kommentar: Platzvergabe im NSU-Prozess - Watschn weitergegeben

 

Da fragt man sich natürlich: Warum nicht gleich so“, sagte er. „Ich denke, dass jeder jetzt die gleichen Chancen hat.“ Im ersten Anlauf hatten türkische Medien keinen Platz bekommen. „Sabah“ hatte vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt und Recht bekommen. Nach der höchstrichterlichen Entscheidung hätte das OLG aber auch die Möglichkeit gehabt, für ausländische Medien einfach drei weitere Plätze zu schaffen. Die Deutsche Journalisten-Union hält die neue Platzvergabe für nachvollziehbar, aber nicht „den großen Wurf“. Chefin Cornelia Haß: „Das Gericht hat die Chance verpasst, den Prozess in einen Nebenraum zu übertragen.“

Nebenklagevertreterin Angelika Lex, die die Witwe Boulgarides vertritt, schlug vor, auch die Zuschauerplätze zu verlosen. Am 6. Mai soll der verschobene Prozess beginnen. Doch schon droht neuer Ärger. Ein Journalist, der bereits einen Platz hatte, kündigte rechtliche Schritte an, wenn das Los nun gegen ihn entscheiden sollte.

 

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