Neues Projekt: Arbeitslose sollen Rentnern helfen

Josef Schmid (CSU) will gehbehinderte Senioren beim Bus- Tram- oder U-Bahnfahren begleiten lassen. Wie das Projekt läuft und wer den Service in Anspruch nehmen kann.
von  Irene Kleber
Gar nicht so einfach, mit einem Rollator allein einen Bus zu erklimmen. Dabei sollen künftig Arbeitslose helfen.
Gar nicht so einfach, mit einem Rollator allein einen Bus zu erklimmen. Dabei sollen künftig Arbeitslose helfen. © dpa

Josef Schmid mag einfach nicht mehr zuschauen: Wenn ältere Damen sich mit ihrem Gehstock nur mühsam auf der U-Bahnrolltreppe halten können. Senioren mit den Ticketautomaten nicht klarkommen. Oder sich kaum über den Marienplatz trauen, weil da mal wieder Schnee liegt. Und weit und breit ist keiner da, der helfen mag.

Jetzt hat der Münchner  CSU-Bürgermeister, der auch Wirtschaftsreferent ist, mit seinen Verwaltungsleuten eine Idee geboren: Warum nicht ganz offiziell eine Helfertruppe installieren, die Münchens Senioren, die sich beim Gehen schwer tun, in U-Bahnen, Bussen und Trams durch die Stadt begleitet – und wieder nach Hause?

Bestehend aus: Langzeitarbeitslosen, Sozialhilfeempfängern und Rentnern, die noch gut zu Fuß sind.

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„München inklusiv“ nennt er das Pilotprojekt, das er am Dienstag im Wirtschaftsausschuss des Stadtrats vorstellen will.„Ich bin begeistert davon, weil wir damit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“, sagt Schmid. "So eine Truppe hilft älteren Münchnern, sich noch aktiv in der Stadt zu bewegen." Und der Job selbst gebe Menschen, die im ersten Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar sind, wieder eine sinnvolle Aufgabe. „Warum sollen die Leute sich von Maßnahmentraining zu Maßnahmentraining quälen, wenn sie auch sofort etwas anpacken können, was wir in der Stadt dringend brauchen?“

Wie soll die Helfer-Truppe aussehen?

Die Kern-Mannschaft (die man an einer Dienstkleidung erkennen soll) besteht aus 25 Leuten: Sieben Langzeitarbeitslose ab 55 Jahren aus dem Kundenstamm des Jobcenters, dazu neun Sozialhilfeempfänger und neun Rentner, die sich ehrenamtlich engagieren wollen. Die Helfer sollen die gehbehinderten Münchner ausschließlich begleiten. „Körperliche Hilfen oder auch das Tragen der zu Begleitenden sind ausgeschlossen“, heißt es in der Stadtratsvorlage.

Wer kann sich helfen lassen?

Den Service buchen können alle Münchner, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind – sofern sie in der Lage sind, den Auftrag selber anzumelden und sich mit oder ohne Gehhilfe selbständig zu bewegen. Demenzkranke und hochgradig Körperbehinderte können demnach nicht begleitet werden.

Wie läuft der Service ab?

Spätestens am Vortag der Fahrt meldet der Senior den Service in einer Servicezentrale an, die in der Nähe des Hauptbahnhofs oder beim Stachus eröffnet werden soll. Die Begleiter holen den Bedürftigen zum vereinbarten Zeitpunkt ab (in der Regel vor der Wohnungstür oder auch im Heim) und begleitet ihn zum Ziel. Je nachdem, wann der Senior zurückfahren will, übernimmt dann ein anderer Helfer, so der Plan.

Wann kann man die Begleiter buchen?

Voraussichtlich ab Juli – von Montag bis Freitag von 8 bis 18 Uhr. Allerdings nicht an Feiertagen und Wochenenden.

Wie läuft die Ausbildung?

Zwei Monate lang, voraussichtlich ab diesem März, werden die künftigen Begleiter in der Servicezentrale für ihre neuen Jobs geschult. Sie lernen, die MVV-Pläne mit allen Bus-, Tram- und U-/S-Bahnlinien zu durchblicken, mit den Ticketautomaten und Preisen souverän umzugehen und sollen freilich vor allem „Schlüssel- und Sozialkompetenzen“ trainieren.

Danach gehen sie zum Üben erstmal zu zweit auf Begleit-Tour. Das Ziel: Jeder Vollzeitarbeiter übernimmt dann vier Touren pro Tag. Aussuchen soll die Helfer der Projektträger – dafür schlägt die Verwaltung den Katholischen Männerfürsorgeverein vor.

Was verdient ein Helfer?

„Ob es auf einen Mindestlohn von 8,50 Euro oder eine andere Variante hinausläuft, wissen wir noch nicht“, sagt Josef Schmid. „Das wird auch davon abhängen, wie hoch die Verwaltungskosten ausfallen.“

Was kostet das Projekt?

Für die erste, zweijährige Laufzeit kalkuliert Schmid mit 971 232 Euro. 78 200 Euro soll das Jobcenter übernehmen, 48 935 Euro das Sozialreferat, 45 840 Euro die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG), 1500 Euro sollen als Spenden dazukommen. Der größte Posten, 796 757 Euro, soll aus dem Münchner Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogramm finanziert werden.

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Den Anstoß zu dieser Idee hatten übrigens im Oktober 2013 die CSU-Stadträte Georg Kronawitter und Eva Caim gegeben. Die wollten ursprünglich Leih-Rollatoren, -Elektromobile oder -Erwachsenen-Dreiräder in der Altstadt aufstellen, damit Gehbehinderte, die aus Bus, Tram oder S-Bahn steigen, für den Restweg zum Arzt oder zum Einkaufen kostenlose Gehhilfen vorfinden.

Zu kompliziert für ältere Kunden, zu schlecht handhabbar und in der Wartung zu teuer, findet aber die Verwaltung. „Außerdem ist es schöner, wenn Bedürftigen von Menschen geholfen wird und nicht von Geräten“, findet Schmid. Dass der Antrag morgen im Ausschuss durchgewunken wird, ist absehbar. Die SPD jedenfalls will zustimmen. Fraktions-Chef Alexander Reissl: „Ob sich das Projekt langfristig bewährt, wird sich dann ja zeigen.“     

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