Die Telefonberatung sucht neue Mitarbeiter: Die AZ hat Infofon besucht
München - Ich werde gemobbt“, „Meine Mutter hat mich rausgeschmissen“, aber auch: „Wann fährt mein Bus?“ Wenn beim Infofon das Telefon klingelt, kann das Gesprächsthema fast alles sein. Es ist kurz nach 18 Uhr, für die Beraterinnen Coco (22) und Lisa (20) ist der Abend noch jung. Bis 22 Uhr werden sie in dem kleinen Büro sitzen und Fragen von Gleichaltrigen am Telefon beantworten.
Seit 1997 gibt es das Infofon, ein Beratungsangebot von Jugendlichen für Jugendliche. Sieben Tage die Woche, vier Stunden lang sitzen zwei junge Ehrenamtler abends im etwas kargen, aber gemütlichen Telefonraum. Die Projektidee: Jugendliche sprechen über ihre Probleme lieber mit Gleichaltrigen als mit Erwachsenen. Ein Anruf beim Infofon ist für sie ein erster, relativ einfacher Schritt, sich auszusprechen.
„Sofort ein Problem zu lösen, ist ja ziemlich unmöglich, wir sind ja auch eine Erstberatung“, sagt Lisa. Seit 2012 ist die 20-Jährige bei der Telefonberatung dabei, eine Freundin hat sie auf die Idee gebracht.
Bei ihrer Kollegin Coco war das ähnlich, hat aber eine lustige Vorgeschichte: Als Kind hat sie Hörspiele der Detektivserie TKKG gehört, in einer Folge arbeitet eine der Figuren bei einer Telefonseelsorge. „Und ich hab mir gedacht: Hey, das will ich auch mal machen.“
Wenn Coco das erzählt, muss sie lachen. Sie lacht ohnehin viel, gerne und laut. Warum auch nicht? Die Arbeit beim Infofon macht ihr Spaß – selbst wenn sie mitunter auch mit schwereren Problemen konfrontiert wird.
Neben den Klassikern wie Schulstress oder Liebeskummer geht es immer häufiger um Wohnungsnot. „Das ist gerade ein großes Thema“, sagt Coco: Jugendliche, die daheim rausfliegen, auf der Straße stehen und nicht wissen, wie sie im teuren München wieder ein Dach überm Kopf finden sollen.
Wichtig ist, das alles nicht mit nach Hause zu nehmen.
Meistens klappt das ganz gut: „Man denkt schon noch darüber nach, aber man lernt, sich davon zu distanzieren“, sagt Lisa. Dabei hilft, dass sie und Coco mit einem Pseudonym telefonieren. Das schafft Abstand.
Manchmal ist es trotzdem schwer. Besonders, wenn es um Selbstmord geht. In den vier Jahren, die Coco berät, hatte sie vier solcher Anrufe. Diese Gespräche müssen die Jugendlichen zwar sofort abgeben – an einen Sozialpädagogen, der die jungen Berater während der Infofonzeiten unterstützt. Ganz einfach ist es trotzdem nicht, erzählt Coco: „Es ist schon beklemmend.“ Denn meistens umkreisen die jungen Anrufer das Thema erst lange, bevor sie sich offenbaren. „Es fühlt sich schon etwas unfertig an, dann das Gespräch abzugeben, andererseits: ich bin dafür nicht ausgebildet.“
Für die Infofon-Berater wäre das zu viel Verantwortung, erklärt Geschäftsführerin Karen Zeidler: „Das wollen wir den Jugendlichen nicht antun.“ Bei anderen Themen sei das Team jedoch fast nie überfordert – obwohl die jüngsten gerade mal 16 und die Ältesten um die 23 Jahre alt sind.
Das liegt an der dreimonatigen Ausbildung, die jeder Interessierte machen muss, bevor er ans Telefon gelassen wird. Im März gibt es eine neue Runde, einmal pro Woche werden Themen wie Gesprächsführung, Jugendschutz oder Sexualkunde vermittelt.
Mitmachen darf jeder zwischen 16 und 21 Jahren. Was man mitbringen sollte? „Lust, sich sozial zu engagieren“, sagt Zeidler. Während der Ausbildung würden die meisten eh schnell merken, ob das Infofon etwas für sie ist.
Dabeibleiben würde sich aber lohnen, sagt Coco: „Kein Anruf ist wie ein anderer, es ist immer spannend.“
Beratung täglich 18-22 Uhr unter Telefon: 121 500 00, Infos zur Ausbildung unter Telefon: 18 95 07 917
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