Neues Denkmal: Als Nicht-Jüdin ein Zeichen setzen
München - Es ist heute ganz besonders wichtig, sein Gesicht zu zeigen und zu seiner Meinung zu stehen", findet Isabell Gruber. Die Kunsthistorikerin (35) bezeichnet sich als eher introvertiert. Sich öffentlich zu zeigen falle ihr nicht leicht. Ihre Gestalt ist zart, helle Haut, feines blondes Haar und ausdrucksstarke Augen. Sie wirkt zurückhaltend, aber keineswegs unsicher. Im Gesprächsverlauf ist zu spüren, dass sie genau weiß, wofür sie einsteht, und bereit ist, dafür etwas zu wagen.
Solidarität als Nicht-Jüdin
Gruber möchte der jüdischen Gemeinschaft als Nicht-Jüdin ihre Solidarität aussprechen, wie sie betont. Einer der Motivationsgründe, warum sie sich entschieden hat, ein Erinnerungszeichen für den jüdischen Kunsthistoriker August Liebmann Mayer an der Martiusstraße 8 in Schwabing zu initiieren, das heute eingeweiht wird.
Seit 2018 werden diese Denkmäler in Form einer Tafel oder Stele in der Stadt angebracht. Sie erinnern an Menschen, die zwischen 1933 und 1945 von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden. Sie werden an ihrem Wohnort platziert, um ihr Schicksal wieder präsent zu machen.
Öffentlicher Raum als wichtiger Ort für Auseinandersetzung
"Gerade der öffentliche Raum ist ein wichtiger Ort für die Auseinandersetzung mit der Geschichte und für Diskussion. Öffentliche Denkmäler sind für jeden zugänglich. Egal, ob interessiert oder nicht, jeder kann auf sie stoßen. Anders als im Museum", sagt Gruber.
Momentan ist sie Doktorandin am Lehrstuhl für jüdische Geschichte und Kultur der Ludwig-Maximilians-Universität. Sie promoviert zum Thema "Erinnern an zerstörte Synagogen in Deutschland durch Denkmäler im öffentlichen Raum".
August Liebmann Mayer war Professor an der LMU
Das Schicksal von August Liebmann Mayer begegnete ihr während ihres Berufslebens und berührte sie stark. Der anerkannte Experte für spanische Malerei arbeitete an der Alten Pinakothek und hatte eine außerordentliche Professur an der LMU.
Auf öffentliche Diffamierung folgt Emigration nach Paris
Bereits 1931 wurde er von seinen Kollegen mit unberechtigten Vorwürfen öffentlich diffamiert. Das führte dazu, dass Liebmann Mayer seine Professur freiwillig niederlegte. Mit seiner Familie emigrierte er nach Paris, dann nach Toulouse und Nizza.

1944 wurde er schließlich in Monte Carlo verhaftet und nach Auschwitz deportiert, wo er ermordet wurde. "Es hat mich ganz besonders bewegt, dass er trotz der hohen Anerkennung, die er genoss, nicht gerettet werden konnte, dass ihm die Flucht nicht gelang", sagt Isabell Gruber.
Seine Tochter Angelika Mayer hat überlebt, sie ist heute 91 Jahre alt und lebt in den USA. "Wir hatten auch schon E-Mailkontakt", erzählt Gruber. Mit der jüdischen Religion und Kultur ist sie erstmals an der Schule in Kontakt gekommen. Sie besuchte das Luitpold-Gymnasium, welches auch israelitische Religionslehre als Unterrichtsfach anbietet.
Jüdische Freunde weckten Interesse
"Ich hatte viele jüdische Freunde, und das hat mein Interesse geweckt", erinnert sich Gruber. Während des Studiums der Kunstgeschichte verbrachte sie ein Auslandsjahr in Paris. Dort stieß sie auf das Jüdische Museum und bewarb sich spontan für ein Praktikum.
"Dieses Praktikum war für mich ausschlaggebend. Ich hatte dort eine wunderbare und spannende Zeit. Der Austausch mit den Menschen war unheimlich wertvoll", erzählt die junge Doktorandin. Sie begann, Hebräisch zu lernen, verfasste ihre Abschlussarbeit über das Werk des israelischen Bildhauers Dani Karavan, der begehbare Kunstwerke mit historischem Bezug im öffentlichen Raum schuf.
Begegnungen mit Menschen aus jüdischer Gemeinde waren "sehr inspirierend"
Auf die Frage, was sie denn so sehr an der jüdischen Kultur fasziniert und warum sie sich mit solcher Hingabe damit beschäftigt, findet Isabell Gruber keine konkrete Antwort. Das Interesse sei einfach in ihr gewachsen, sie könne nicht richtig beschreiben, warum. "Auf jeden Fall waren die Begegnungen mit den Menschen aus der jüdischen Gemeinschaft für mich sehr inspirierend."
Die persönliche Begegnung ist auch ein wichtiges Thema für Isabell Gruber. Sie möchte nicht nur wissenschaftliche Arbeiten verfassen, die von ausgewählten Menschen gelesen werden. Sie wolle sich für die Gesellschaft und den Erhalt der Demokratie einsetzen. Und für sie gehöre es dazu, sich mit der eigenen Meinung zu zeigen.
Aktiver Einsatz gegen Antisemitismus ist wichtig
"Das macht mich zwar angreifbar, aber es ist unheimlich wichtig", sagt Gruber. Regelmäßig besucht sie Demonstrationen gegen Antisemitismus. "Es ist schade, aber häufig ist die Beteiligung nicht sehr groß. Wir sollten viel häufiger auf die Straße gehen, auch wenn das bedeutet, dass wir uns mit Andersdenkenden konfrontieren müssen." Persönliche Begegnung, in der realen Welt und jenseits der Sozialen Medien. "Da kann ich nicht zusehen und mich nur um mein Leben kümmern." Heutzutage erfordert es Mut, seine Haltung gegen Antisemitismus in die Öffentlichkeit zu tragen. Anschläge und Attacken mit antisemitischem Hintergrund haben sich in den vergangenen Jahren gehäuft.
Erinnerungszeichen als Teil öffentlicher Begegnung
"Umso wichtiger ist es, Gesicht zu zeigen", wiederholt Isabell Gruber, "ich habe keine Angst. Taten wie in Halle zeigen, dass der Antisemitismus wieder zunimmt. Da kann ich nicht einfach zusehen und mich nur um mein eigenes Leben kümmern." Nicht nur die Anschläge, auch die Tatsache, dass eine Partei wie die AfD gewählt wird, sei ein Hinweis auf die Entwicklung. Das Erinnerungszeichen ist für sie ein Teil dieser öffentlichen Begegnung. Sie verstehe die Menschen nicht, die der Meinung sind, das Dritte Reich habe nichts mit ihnen zu tun: "Wir haben alle etwas damit zu tun, die Demokratie heute zu erhalten."