Synagoge in der Reichenbachstraße: "So original wie möglich"
München - Diese Synagoge hat eine Geschichte vor den brutalen Novemberpogromen - und eine sehr lange Nachkriegsgeschichte in München: Die kleine Rachel und der junge Ron hatten in ihrer Jugend in den 50er Jahren in der Synagoge im Hinterhof der Reichenbachstraße 27 feste Sitzplätze.
Synagoge in der Reichenbachstraße: Denkmal und Baustelle
Wenn die beiden Münchner Juden den hellen Raum heute betreten, schauen sie dorthin: Rachel Salamader blickt hinauf zur Frauenempore, Ron C. Jakubowicz zur rechten Seite. Vor dem Thoraschrein saß er als Kind und Jugendlicher neben seinem Vater.

Heute ist die Synagoge ein Denkmal - und eine Baustelle. Seit dem Umzug der jüdischen Gemeinde aus dem Umkreis des Gärtnerplatzes an den St.-Jakobs-Platz, steht das Gebäude von 1931 leer - und begann zu verfallen, das Dach wurde undicht.
Zehn Millionen Euro von Bund, Land und Stadt für Restaurierung
"Ungeheuerlich war das. Unser Bau war in Gefahr, zu verkommen. Dabei ist er ein architektonisches Juwel mit Bauhauselementen. Auch Details, wie das Treppenhaus, die Türen und die Garderobe sind original im Stil der 20er Jahre erhalten", sagt die 72-jährige Salamander.
Gemeinsam mit dem 74-jährigen Münchner Jakubowicz setzt sie sich - als "Verein Synagoge Reichenbachstraße" - seit 2013 dafür ein, dass das leerstehende Architekturdenkmal im Stil von 1931 restauriert wird: "So original wie möglich'", sagen die beiden.

Nun ist es soweit: Zehn Millionen Euro von Bund, Land und Stadt fließen, um die Risse in den Wänden des Hauses zu kitten, das Parkett zu sanieren - und: ein Hauptschmuckelement, das stilvolle Glasdach aus den 30er Jahren zu erneuern. Ein schöner Zufall: In einer Glaserei in Schwabing wurde noch historisches Glas gefunden, auch Zeichnungen von den Bleiverglasungen der Fenster.

SA-Männer verwüsteten 1938 die Synagoge
Ron C. Jakubowicz sieht die Restaurierung als "noble Aufgabe", die ihn bewegt. Denn 1931 hatte der 30-jährige jüdische Architekt Gustav Meyerstein die Synagoge für die kleinen jüdischen Händler und Kaufleute der Isarvorstadt in nur vier Monaten errichtet: schlicht - im modernen Stil der Neuen Sachlichkeit - jedoch mit einer sinnlichen Farbgestaltung: die Nische strahlte gelb und die Wände hellblau.
Hohe rituelle Feste besuchten die jüdischen Männer damals im Zylinder, die verheirateten Frauen trugen Hut. Eine jüdische Tradition: Beim "Taschlich" leerten die Gläubigen ihre Taschen in den Kaiblmühlbach, der durch den Garten floss, um ihre Sünden loszuwerden.
1938 verwüsteten SA-Männer die Synagoge in der Nacht vom 9. auf den 10. November. Sie legten Feuer. Es wurde aber wegen der Gefahr für die Wohnhäuser nebenan rasch gelöscht. Als Werkstatt, Warenlager und Kfz-Werkstatt wurde das Gebäude danach zweckentfremdet. Nach dem Zweiten Weltkrieg notdürftig renoviert, blieb der Bau von 1947 bis 2006 die Hauptsynagoge der jüdischen Gemeinde in München. Heute zählen dazu rund 15.000 Menschen.
Zeitzeugen erinnern sich noch an den jüdischen Kindergarten hinter der Synagoge. Begegnungen dienten auch der Brautschau. Frauen brezelten sich auf: sich "synagogal" herrichten, hieß das vor dem Krieg. Im Vorderhaus hatte die israelitische Kultusgemeinde ihren Sitz. Nach dem Terror-Anschlag 1970 bezog die Polizei ein Wachhaus vor der Tür.

Sechsarmige Leuchter und Fenster mit Davidstern blieben erhalten: Jüdischen Gottesdienst und Vorträge wird es in der Synagoge geben. Rachel Salamander erklärt: "Die Renovierung ist ein großer Aufwand. Das Gebäude ist ein Restitutionsfall. Die Restaurierung hätte von Nichtjuden ausgehen sollen. Wir machen es für alle."
Am Mittwoch, 17 Uhr und Sonntag, 11 Uhr ist Besichtigung mit Infos zur Historie
Anmeldung: https://www.juedisches-museum-muenchen.de/kalender/details/90-Jahre-Synagoge-reichenbachstrasse